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MESSE/100: 67. Internationale Automobilausstellung blieb wolkenverhangen (Irene und Gerhard Feldbauer)


67. Internationale Automobilausstellung blieb wolkenverhangen

Über 120.000 Besucher weniger als 2015
Škoda stellt Dieselproduktion ein
Neuer Diesel-Skandal bei VW?

Von Irene und Gerhard Feldbauer, 25. September 2017


Die 67. Internationale Automobilausstellung Pkw, die am Sonntag auf dem Messegelände in Frankfurt/Main nach elf Besuchertagen ihre Pforten schloss, blieb mit rund 810.000 Gästen weit hinter den 932.000 Besuchern zurück, die die Ausstellung 2015 zählte. 35 Prozent davon waren Fachbesucher. Ob die rund 10.000 akkreditierten Journalisten als Besucher gezählt wurden, wollte das Pressebüro des Verbandes der Automobilindustrie (VdA) auf Anfragen nicht bestätigen.


Vernetzung und Digitalisierung der Mobilität herausgestellt

Auf seiner Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag hatte VdA-Präsident Matthias Wissmann noch mit wenigstens 920.000 Besuchern gerechnet und in den Vordergrund seiner Wertung der diesjährigen IAA mehr Weltpremieren und mehr Aussteller gestellt, was "ein großer Erfolg" gewesen sei. Die 67. IAA habe ihre "Position als weltweit wichtigste Mobilitätsmesse" unterstrichen und sich als "als zentrales Forum für den großen Trend der Vernetzung und Digitalisierung der Mobilität" erwiesen.


Matthias Wissmann im Porträt - Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

VDA-Präsident Matthias Wissmann auf der Auftaktpressekonferenz am 11.09.2017
Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

Unter dem Druck der Ereignisse war Wissmann bereits am Anfang seiner Rede auf die Skandale in der Autoindustrie eingegangen und hatte bekundet, dass die deutsche Automobilindustrie über die bei Volkswagen in den USA festgestellten Verstöße bei Abgastests "betroffen" sei. Die Praxis "einer missbräuchlichen Anwendung einer speziellen Motorensoftware" dürfe "nicht akzeptiert werden" so der VDA-Chef weiter, der beteuerte, dass diese Vorgänge "sehr ernst" genommen würden und versicherte, es müsse "nun darum gehen, die Ereignisse vollständig und konsequent aufzuklären." Wandte dann aber ein, es handele sich "bei dem aktuellen Vorgang nicht um ein prinzipielles Diesel-Problem." Daran ändere auch "die missbräuchliche Anwendung einer speziellen Motorsoftware nichts" und behauptete, moderne Diesel-Antriebe seien "für die Erreichung der europäischen Klimaschutzziele unverzichtbar". Schließlich appellierte der VDA-Präsident an die Journalisten, Pauschalurteile über VW und seine 600.000 Mitarbeiter weltweit, oder gar über die ganze Automobilindustrie oder über "Made in Germany" zu vermeiden, sie seien "unangemessen".


Werben der Kanzlerin war vergeblich

Es führe kein Weg daran vorbei: "Noch auf Jahrzehnte" würden effiziente und sparsame Verbrennungsmotoren gebraucht, hatte Kanzlerin Merkel in ihrer Eröffnungsrede zwei Wochen vorher unterstrichen. Ihrem Werben, das vor allem auf den Diesel zielte, war wenig Erfolg beschieden. Und dass, obwohl Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller der Kanzlerin sekundierte und die Diesel seines Unternehmens als "die saubersten Diesel in Europa" mit einer "hochmodern Technologie" gepriesen und Fahrverbote "starken Tobak" genannt hatte, was, wie ihn "Bild" zitierte, "auf keinen Fall zu akzeptieren sei.


Blick von hinten auf Teilnehmerreihen und Vortragenden - Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

IAA-Fachveranstaltung "Verbrennungsmotor - Problem oder Teil der Lösung?"
Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

Noch während der Messe wurde ein neuer Diesel-Skandal von VW bekannt. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat eine Abschalteinrichtung im VW Touareg entdeckt und dem Konzern droht möglicherweise ein neuer Rückruf, ein Produktionsstopp oder gar Verkaufsverbot. Betroffen seien rund 55.000 Fahrzeuge der aktuellen Modellgeneration. Bei dem in Bratislava hergestellten VW-Touareg sei, laut einem Bericht des "Spiegel", eine Abschalteinrichtung in den Dieselmotoren des SUVs entdeckt worden, die VW im Genehmigungsverfahren nicht angegeben hatte. Dem "Spiegel" zufolge soll es ein Krisentreffen zwischen Konzernvertretern und Mitarbeitern des Verkehrsministeriums und des KBA gegeben haben. Die VW-Juristen hätten die Messungen der Behörde angezweifelt und rechtliche Schritte für den Fall eines Verkaufsstopps angedroht.

Dann scherte auch noch ausgerechnet die tschechische VW-Tochter Škoda aus der Riege der Dieselverteidiger aus und teilte während der Messetage mit, ab 2018 ihr Dieselmodell Fabia aus dem Verkehr zu ziehen. Der Rückzug gelte für die komplette Modell-Serie und nicht nur für einzelne nationale Märkte, erklärte Škoda-Vorstandschef Bernhard Maier noch am Eröffnungstag gegenüber dem "Handelsblatt". Der Tscheche begründete die Entscheidung des Konzerns mit einem Absatzrückgang und steigenden Kosten der Abgasbehandlung. Für niedrige Emissionen müsse immer mehr Geld aufgebracht werden. Bei Kleinwagen sei es schwer, dazu Preiserhöhungen durchzusetzen.


Diesel-Absatz in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien rückläufig

Der Europäische Automobilherstellerverband (ACEA) bestätigte am gleichen Tag, dass der Anteil der Dieselfahrzeuge am Absatz in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien um knapp sieben Prozent zurückging, während der Verkauf von Fahrzeugen mit Elektro- oder Hybridantrieb um 74 Prozent auf insgesamt etwa 27.500 Autos anstieg.

Eine Hiobsbotschaft von AFP kam auch aus der Volksrepublik China, wo VW fast fünf Millionen Fahrzeuge zurückrufen muss. Bei 4,86 Millionen sind es Autos mit fehlerhaften Airbags, bei denen es bei Unfällen wenigstens 16 Todesfälle gegeben habe. Da ist es auch kein Trost, dass die Airbags von dem japanischen Zulieferer Takata kommen.


Messegebäude von außen vor der Frankfurter Skyline - Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

Messeimpressionen
Foto: © VDA, Verband der Automobilindustrie e.V.

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, dass die Automobilkonzerne auch in diesem Jahr wieder viele schwere Diesel-Geländewagen und Benziner vorstellten und forderte eine Wende hin zu "sauberen, leichteren und gemeinsam genutzten Elektroautos". Auch das Fehlen des Elektroautos Tesla Model 3, das der Professor für Betriebswirtschaft und Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen Ferdinand Dudenhöffer "das wichtigste Auto des Jahres" nannte, war der IAA wohl nicht gut bekommen. Mit dem Fahrzeug will Tesla, wie verlautet, den Massenmarkt erobern. Nissan hatte kurz vor der IAA in Tokio die zweite Generation seines Leaf vorgestellt, das als das meistverkaufte Elektroauto der Welt gilt.

Da kam eine Nachricht von Bosch aus Salt Lake City gerade recht, die ankündigte, bis 2021 einen Elektro-Schwerlaster Nikola One und Nikola Two mit Wasserstoffantrieb auf den Markt zu bringen. Die E-Truck-Modelle seien mit über 1000 PS und einem Drehmoment von fast 2.700 Nm fast doppelt so leistungsstark wie bisherige Sattelschlepper - und sollen dabei auch noch ressourcenschonend fahren. Kernstück des Lkw-Antriebs ist ein neuer effizienter E-Antrieb, den Nikola Motors gemeinsam mit Bosch entwickelt hat. Zum Einsatz kommt die von Bosch bei Eröffnung der IAA vorgestellte skalierbare, modulare eAchse, die Motor, Antriebselektronik und Getriebe in einer kompakten Einheit zusammenfasst.

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Quelle:
© 2017 by Irene und Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2017

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