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STANDPUNKT/0004: Die Nacht von Yalda und Weihnachten (Afsane Bahar)


Die Nacht von Yalda und Weihnachten

von Afsane Bahar, 21.12.2011


Die letzte Nacht im Azar, dem neunten Monat des iranischen Kalenders (gewöhnlich vom 21. auf 22. Dezember), stellt die längste Nacht des Jahres dar. Sie wird im Iran als 'shabe yalda' (Nacht von Yalda) bezeichnet und in Form eines geselligen Beisammenseins gefeiert (1). Beim Anbruch der Nacht treffen sich Verwandte und Bekannte und verbringen die Zeit bis tief in die Nacht zusammen. Zu den Bestandteilen der entsprechenden Festtafel gehören unter anderem Wassermelonen, Granatäpfel, Zitrusfrüchte, Trockenobst und verschiedene Nusssorten. Durch Rezitieren der Gedichte von Hafez (2), Erzählen von Geschichten und lustige Spiele wird versucht, der vermeintlichen Endlosigkeit und dem Dunkel der Nacht zu entgehen (3).

Yalda ist aramäischer Herkunft und bedeutet Geburt. Die Kräfte der Finsternis (Ahriman) sollen angeblich in dieser Nacht ihren Höhepunkt erreichen. Der darauf folgende Tag gehört dann dem Schöpfer, Ahura Mazda, Herrn der Weisheit. Dieser Tag wird 'khorram rouz' (der blühende, freudige Tag) oder 'khor rouz' (Tag der Sonne) genannt. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die Tageslänge zu und die Nächte werden kürzer, was symbolhaft den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit darstellen soll.

Durch dieses Fest wurde ursprünglich der Gott Mithra (4) verehrt. Die Figur des Mithra existierte im Perserreich bereits im 14. Jahrhundert vor Christus. Mithra ist der Gott des Rechtes, des Bündnisses, der Sonne und des Lichtes. Er wacht über die kosmische Ordnung, pflegt Tugend und Gerechtigkeit und schützt die göttliche Gnade.

Im Rahmen des Mithraismus (5) kam diese Festveranstaltung als Fest des Lichtes durch Legionäre auch in das römische Reich. Bis zum 4. Jahrhundert wurde im antiken Rom am 21. Tag des zwölften Monates das Mithras-Fest zu Ehren der Geburt des Lichtes (Mithras) abgehalten. Manche Historiker sind der Meinung, dass Weihnachten eine Weiterentwicklung dieses Festes sei. Mit Übernahme des Christentums als Staatsreligion wurde dieses größte Fest im alten Rom von der Kirche in die Feier der Geburt von Jesus umgewandelt (6).

Versuchen wir, in einer Epoche der künstlich aufgebauschten Differenzen, Weihnachten und Yalda im Sinne der Versöhnung verschiedener Kulturen und Völker zu feiern.


*


Eine Sonne

[in Anlehnung an den iranischen Dichter Siavash Kasra'i; 25.3.2010 (7)]

Die Tür ist geschlossen,
ebenfalls das Fenster,
die Vorhänge sind zugezogen.
Selbst der Tür- und Fensterrahmen
scheinen dicht zu sein.
Und doch aus einer unbekannten Ecke,
dem Auge unsichtbar,
scheint die Sonne
auf meine Hände,
mein Heft
und meine Blume.

Sogar aus diesem eingeengten Winkel
kann der zärtliche Gedanke
durch die unsichtbare Lücke
den Raum verlassen,
sich zu einer Sonne entwickeln,
weltweit erleuchten,
mit Leidenschaft
zart durchdringend,
Wärme spendend
zur Liebe aufrufen
und zum Leben.


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Anmerkungen und Quellenangaben

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Yalda-Nacht
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Hafes
(3) Bilder zum Thema Yalda:
http://lillac.files.wordpress.com/2007/12/shab-e-yalda.jpg
http://www.elftown.com/stuff/yalda%20shab.gif?jpg=y
http://www.faraz.ca/archives/misc/yalda.jpg
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Mithras
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Mithraismus
(6) Alexander Demandt (em. Professor für Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin): Der Ursprung des Weihnachtsfestes. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2007; 132:2743-2746
(7) http://friedenstreiberagentur.de/index.php?id=137,3321,0,0,1,0


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Quelle:
© 2011 Dr. Amir Mortasawi (alias Afsane Bahar)
E-Mail: afsane.bahar@googlemail.com
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2011