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SCHADSTOFFE/127: Trinkwasserqualitätsbericht differenziert zu betrachten (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1061, vom 28. April 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Trinkwasserqualitätsbericht: "Note Eins" für deutsches Trinkwasser


Völlig entzückt waren BDEW und VKU über die Veröffentlichung des neuen Trinkwasserqualitätsberichts für die Jahre 2011, 2012 und 2013. Der gemeinsame Bericht von Bundesgesundheitsministerium und Umweltbundesamt war am 12. Febr. 2015 der Öffentlichkeit übergegeben worden. Der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BDEW) freute sich, weil die Behörden in dem Bericht das Trinkwasser in Deutschland erneut mit der Note "sehr gut" ausgezeichnet hatten. Die Grenzwertüberschreitungen seien lt. Bericht "absolute Einzelfälle": "Der Bericht bestätigt erneut die sehr hohe Qualität von Trinkwasser aus dem Hahn", fasste der BDEW in seiner Medienmitteilung vom 12.02.15 die erfreulichen Ergebnisse aus dem Trinkwasserqualitätsbericht zusammen. Und im Blog "Lebensraum Wasser" wurden die Ergebnisse des Trinkwasserqualitätsberichts folgendermaßen zusammengefasst: "Unser deutsches Trinkwasser ist von exzellenter Qualität, wird häufiger untersucht als Flaschenwasser und von den Wasserversorgern zudem zu einem unschlagbar günstigen Preis frei Haus geliefert."

Schaut man sich den Bericht näher an, fällt die Zustandsbeschreibung der Trinkwassergüte in Deutschland etwas differenzierter aus - dies betrifft vor allem die mikrobiologischen Befunde. So mussten beispielsweise im Berichtsjahr 2013 für 266 Wasserversorgungsgebiete eine Belastung mit Coliformen Bakterien gemeldet werden. Davon betroffen waren rund 8,3 Mio. versorgte Kunden. Bei Enterokokken waren es 30 Wasserversorgungsgebiete mit 1,5 Mio. Kunden. Bei E. coli war eine Belastung bei 25 Wasserversorgungsgebieten mit rund 2,5 Mio. betroffenen Menschen gemeldet worden. Für die "Koloniezahl bei 22° C" mussten 78 Wasserversorgungsgebiete mit rund 3,6 Mio. Menschen einen Positivbefund melden. Die Anzahl der Wasserversorgungsgebiete mit einer festgestellten Nichteinhaltung eines Grenzwertes betrug im Jahr
2011 489 Wasserversorgungsgebiete
2012 430 Wasserversorgungsgebiete
2013 492 Wasserversorgungsgebiete.

Entsprechend der Meldekriterien an die EU wurden in dem Bericht nur die Wasserversorger erfasst, die täglich mehr als 1.000 Kubikmeter Trinkwasser abgeben. Dieses Kriterium wird in Deutschland von rund 2.500 Wasserversorgungsgebieten erfüllt. Da pro Jahr in rund 500 Wasserversorgungsgebieten eine Grenzwertüberschreitung festgestellt worden ist, muss rechnerisch jedem fünften Wasserversorgungsgebiet ein nicht völlig regelkonformer Betrieb attestiert werden.

Der Wasserqualitätsbericht von BMG und UBA kann unter
www.uba.de heruntergeladen werden.

Nicht relevante Metabolite: Meldepflichtig oder nicht?

Der Trinkwasserqualitätsbericht informiert u.a. auch ausführlich über die Belastung des Trinkwassers mit Pestiziden. Allerdings erfolgt die Berichterstattung der Bundesländer gegenüber dem UBA und dem BMG nicht einheitlich. Um das länderunterschiedliche Berichtsverhalten zu erklären, muss der Trinkwasserqualitätsbericht etwas weiter ausholen. Erklärt wird zunächst, dass im EU-Pflanzenschutzrecht N,N-Dimethylsulfamid (DMS) als sogenannter "nicht relevanter Metabolit" zählt. Für die "nicht relevanten Metaboliten" sind in der Trinkwasserverordnung und in der EG-Trinkwasserrichtlinie keine Grenzwerte festgelegt. Dennoch wird von einigen Bundesländern DMS als unerwünschte Kontaminante auch trinkwasserrechtlich als relevant eingestuft. Deshalb unterliegt in diesen Bundesländern DMS den selben Anforderungen und Maßnahmen im Falle einer Nichteinhaltung des Grenzwertes, wie sie für die Muttersubstanz gilt. Für die Muttersubstanz Tolyfuanid hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Anfang des Jahres 2007 die Anwendung im Freiland ausgesetzt. Auf Grund dieser Zusammenhänge beurteilte beispielsweise die für Trinkwasser zuständige oberste Landesbehörde in Schleswig-Holstein, gestützt auf das Minimierungs- und Vorsorgeprinzip, das Abbauprodukt DMS als relevanten Metaboliten im Sinne der TrinkwV 2001. Deshalb wird für Schleswig-Holstein auch DMS vom 0,1-Mikrogramm-Einzelstoffgrenzwert für Pestizide erfasst. Die länderunterschiedliche Einordnung von DMS verdeutlicht für den Trinkwasserqualitätsbericht, "wie zuständige Landesbehörden den ihnen im praktischen Trinkwasservollzug obliegenden Ermessensspielraum im Sinne des Verbraucherschutzes ausschöpf(t)en". Andere Landesbehörden seien auf der Grundlage der geltenden wasser- und pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen zu der Auffassung gelangt, PSM-Folgeprodukte wie DMS gemäß pflanzenschutzrechtlicher Zulassungen weiterhin als nicht relevante Metaboliten einzustufen. Wenn solche Substanzen dann im Trinkwasser in Konzentrationen von mehr als 0,0001 mg/l auftreten, müssen die Behörden in diesen Ländern hierüber nicht - wie bei einer Grenzwertüberschreitung nach Trinkwasserrichtlinie - berichten. So kann es passieren, dass die von den zuständigen Behörden dieser Länder im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes eingeleiteten Maßnahmen im Trinkwasserqualitätsbericht unberücksichtigt bleiben. Der Trinkwasserqualitätsbericht knüpft daran die Mahnung: "Eine europarechtlich einheitliche Regelung wäre hier sehr wünschenswert."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1061
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2015

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