Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

POLITIK/410: Die SPD und das "Wasserprivatisierungsverbot" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1018 vom 23. Juli 2013, 32. Jahrgang

Die SPD und das "Wasserprivatisierungsverbot"



Um ihrem Motto "Politik von unten" gerecht zu werden, hatte die SPD für den 2. März 2013 zu einem "Bürgerkonvent" eingeladen, auf dem SPD-Mitglieder als auch Nichtmitglieder Vorschläge für das SPD-Wahlprogramm einbringen konnten. Vor dem Hintergrund der damals auf Hochtouren laufenden Kampagne gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie stand auf dem Bürgerkonvent ganz vorn die Bürgerforderung nach einem Verbot der Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Im "SPD-Regierungsprogramm 2013-2017" ist davon nur noch ein weichgespülter Passus übrig geblieben, der alle Varianten offen lässt: "Wir unterstützen eine aktive Rolle der Kommunen im Rahmen ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge - sei es durch eigene Unternehmen oder eine aktivere Steuerung: zum Beispiel bei der Wasserversorgung, aber auch im öffentlichen Personennahverkehr. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der bundes- und EU-rechtliche Rahmen den Kommunen diesen Gestaltungsspielraum lässt. Im Gegensatz zur Regierung Merkel wird sich eine SPD-geführte Bundesregierung in Brüssel und bei anderen EU-Partnern dafür einsetzen, dass insbesondere die Wasserversorgung aus der Konzessionsrichtlinie ausgenommen wird. Das sichert das hohe deutsche Versorgungsniveau."

Der von der SPD beschworene "Gestaltungsspielraum der Kommunen" beinhaltet auch, dass die Kommunen die Wasserversorgung weiterhin auch in private Hände legen können. Ziemlich weit hinten im Programm wird auf S. 106 dieser Einerseits-Andererseits-Kurs noch ein Mal aufgegriffen: Die SPD bekenne sich zum Ziel einer "Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge". Deshalb wende man sich gegen Ansätze der EU-Kommission zu einer Zwangsprivatisierung. Gleichzeitig sollen die Privatisierungsoptionen nicht eingeschränkt werden: "Wir wollen - auch auf europäischer Ebene - sicherstellen, dass Kommunen selber entscheiden können, wie sie ihre öffentlichen Aufgaben erbringen.

Von der Diskussion in der österreichischen SPÖ, dem Verbot einer Privatisierung von Wasserdienstleistungen einen Verfassungsrang einzuräumen, ist die deutsche SPD also noch weit entfernt.


Verbot der "Wasserprivatisierung" in's Grundgesetz?

Von der SPD-Spitze ist entsprechend der vorstehenden Notiz für die Aufnahme eines Verbotes der Privatisierung der Trinkwasserversorgung in das Grundgesetz eher wenig Unterstützung zu erwarten. Genau zu einer Implementierung eines solchen Verbotes in das Grundgesetz stellt derzeit die Allianz öffentliche Wasserwirtschaft (AöW) erste Überlegungen an. Im Mittelpunkt dieser Erörterungen steht die Frage:
"Wie könnte das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitäre Grundversorgung und die Wasserwirtschaft in der Verfassung verankert und vor Privatisierung geschützt werden?" Anknüpfungspunkt im Grundgesetz könnte der Abschnitt I über die Grundrechte sein. Dort heißt es in Art. 1 Abs. 2 GG:
"Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt."

Dieser Absatz könnte um folgenden Satz ergänzt werden:
"Der Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung als Menschenrecht ist darin eingeschlossen."

Ein weiterer Anknüpfungspunkt ergibt sich aus Abschnitt II. Dort heißt in Art. 20a GG:
"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Dieser Artikel könnte nach ersten AöW-Überlegungen durch zwei Sätze ergänzt werden - beispielsweise:
"Unter den natürlichen Lebensgrundlagen haben Wasser und der Wasserkreislauf eine herausragende Bedeutung. Die Verwirklichung des in Art. 1 Abs. 1 Satz genannten Rechts ist eine unveräußerliche öffentliche Aufgabe."

Ferner schlägt die AöW vor, dass das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung durch Änderungen in den von den Bundesländern erlassenen Gemeindeordnungen (Zweckverbandsgesetzen) und den Landeswassergesetzen zu flankieren. Dort könnte die Wasserversorgung als unveräußerliche öffentliche kommunale Aufgabe festschrieben werden - wobei sich die Gemeinden auch zu Zweckverbänden zusammenschließen können. Zudem wäre eine Frist anzusetzen, in der bereits privatisierte oder teilprivatisierte Wasserversorger rekommunalisiert werden müssen. Hier wird derzeit eine Frist von fünf Jahren diskutiert. Für die Rückübertragung der Infrastruktur und der Anlagen sollten die Buchwerte im Zeitpunkt der Rückübertragung gelten. Alternativ könnte eine Festschreibung des Grundsatzes "Öffentlich vor Privat" erfolgen. Der Verkauf von gebührenfinanzierter Infrastruktur, die Vergabe von Wasserversorgungskonzessionen und die Beauftragung von privaten Unternehmen mit der Betriebsführung bei der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung kann nur durch einen entsprechenden Bürgerentscheid legitimiert werden. In dem Fall müsse ergänzend gelten, dass ein Weiterverkaufs an Dritte nicht zulässig wäre. Außerdem müsse eine Rückgabeverpflichtung an die Kommune nach einem Zeitraum von zwanzig Jahren gelten. Weitere Auskunft zu den ersten Überlegungen, wie man ein "Wasserprivatisierungsverbot" in das Grundgesetz einarbeiten könnte, gibt es bei

Frau Christa Hecht
Geschäftsführerin der Allianz öffentliche
Wasserwirtschaft (AöW)
Reinhardtstr. 18a
10117 Berlin
Tel.: 030 39 74 36 - 19
Fax: 030 39 74 36 - 83
E-Mail: hecht@aoew.de
Internet: www.aoew.de


Newsletter der Allianz öffentliche Wasserwirtschaft

Informationen rund um Privatisierung und Rekommunalisierung von Wasser- und Abwasserdienstleistungen präsentiert die Allianz öffentliche Wasserwirtschaft in einem unregelmäßig erscheinenden Newsletter. Wer sich für eine Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand engagiert, findet in jeder Ausgabe des digitalen Newsletters wertvolle Infos und Anregungen. Multiplikatoren, die gegen den Wasserkommerz aktiv sind, können den AöW-Newsletter unter obiger E-Mail-Adresse kostenlos abonnieren.

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1018
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2013