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POLITIK/406: Berliner Wasserpolitik - Regierungskoalition strotzt vor Konzeptlosigkeit (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Mit allen Wassern gewaschen?
Wohl eher nicht - Regierungskoalition strotzt nur so vor Konzeptlosigkeit

von Janine Behrens



Mit Missfallen mussten Bürger/-innen am 25. Oktober die Entscheidung des Abgeordnetenhauses, den Senatsbeschluss zum Rückkauf der Anteile des Konzerns RWE an den Berliner Wasserbetrieben (BWB) für 654 Millionen Euro durchzuwinken, zur Kenntnis nehmen.

Die Koalitionsfraktionen aus SPD und CDU stimmten für den Rückkauf und damit gegen die 666.000 Berliner/-innen, die im Februar 2011 erstmalig einen Volksentscheid gewannen. Gerlinde Schermer vom Berliner Wassertisch, der das Wasser-Volksbegehren organisierte, bemerkt dazu: "Die Dreistigkeit vor allem der SPD-Abgeordneten, sich für diese Entscheidung auf den Volksentscheid 'Unser Wasser' zu berufen, ist atemberaubend". Des Weiteren sagt sie, es handele sich um eine Verhöhnung der Wähler und demzufolge einen massiven Betrug an der Bevölkerung Berlins. Noch ist nämlich bislang ungeklärt, ob die Verträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe mit der Verfassung von Berlin konform gehen. Derzeit wird durch unterschiedliche Initiativen geprüft, ob eine juristische Anfechtung der Verträge erfolgversprechend ist. Da sich der Sonderausschuss Wasser des Abgeordnetenhauses der Behandlung des Abschlussberichtes nähert, ist eine Auseinandersetzung vor Gericht nicht ausgeschlossen. Das im Rahmen des Volksbegehrens verabschiedete Gesetz erfordert die Offenlegung der 1999 geschlossenen Geheimverträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern an den BWB. Selbiges gilt für zukünftige Beschlüsse und Verträge.

Rückkauf ohne Wirkung

Damals wie auch heute entschied die Große Koalition aus SPD und CDU über die Zukunft der Berliner Wasserbetriebe im Sinne der Gewinne für die Eigentümer, nicht der Berliner/-innen. Die BWB wurden 1999 teilprivatisiert. Das Land Berlin hielt 50,1 Prozent, die privaten Anteilseigner RWE und Veolia Environnement erkauften sich je 24,95 Prozent. Zwischen den Vertretern der RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB) ist ein privatrechtlicher Vertrag, ein Shareholders` Agreement, geschlossen worden. Dieser bleibt vom verabschiedeten Gesetz über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge unberührt. Er beinhaltet neben der internen Organisation des Konsortiums die Verteilung des Finanzbeitrages in der Gemeinschaft sowie Haftungs-, Entschädigungs- und Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen den Vertragsteilnehmern.

Der Rückkauf der RWE-Anteile ergab sich daraus, dass der Konzern das Interesse an der weiteren Beteiligung verlor. RWE sah sich wohl aus Angst, dass die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes rechtswirksam wird, gezwungen, die Berliner Wasserbetriebe zu verlassen, weil sie um ihre garantierten Gewinne fürchteten. Die Rückkaufsumme von 654 Millionen Euro soll sich über Refinanzierung durch zukünftige Gewinne vollziehen. Der Berliner Senat traf die Aussage, die Refinanzierung habe das Stresstestszenario bestanden und würde den Berliner Landeshaushalt nicht belasten. Um dies zu gewährleisten, stimmte das Abgeordnetenhaus zu, eine landeseigene Erwerbs - und Finanzierungsgesellschaft zu gründen, der gemäß Haushaltsgesetz 2012/13 eine Bürgschaft über 700 Millionen Euro gewährt wird.

Trotz seiner 75,05 Prozent Anteile ist Berlin damals wie auch heute auf die Zustimmung von Veolia angewiesen. Das besagt der noch bestehende Konsortialvertrag. Ein demokratischer Mehrheitseinfluss sieht anders aus.

Zukunft der Berliner Wasserpolitik

Im Rahmen der Recherche über zukünftige Veränderungen der Berliner Wasserpolitik, die aus dem Rückkauf resultieren, hielt sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt mehr als bedeckt. Antworten auf Fragen, wie sich nun die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gestalten und ob es neue Pläne für die Abwasserreinigung oder die Regenwasserableitung geben wird, blieb die Senatsverwaltung schuldig.

Die GRÜNE LIGA Berlin fordert, dass das Grundwasserentnahmeentgelt für den Schutz der Ressource Wasser eingesetzt wird und nicht im Schattenhaushalt Berlins untergeht.

Zudem scheint sich die Regierung uneinig zu sein. Offizielle Zielstellung nach dem Rückkauf der RWE-Anteile ist die Umstrukturierung der Berlinwassergruppe sowie die Modernisierung des Konsortialvertrags zwischen RVB und dem Land Berlin. Für Gespräche mit dem Konzern Veolia will sich Berlin ein Jahr Zeit nehmen. Intern scheinen Gesprächsinhalte auseinander zu gehen. Die CDU plädiert dafür, den Privatkonzern Veolia weiterhin an den Berliner Wasserbetrieben zu beteiligen, die SPD hingegen ist einem Erwerb des restlichen Geschäftsanteils nicht abgeneigt. So soll Thomas Heilmann (CDU), Senator für Justiz und Verbraucherschutz, bereits erste Gespräche mit Veolia führen. Im Alleingang? Ein fragwürdiger Politikstil.

Ach wie gut, dass niemand weiß,...

...dass nicht nur die privaten Anteilseigner der BWB in über zehn Jahren ordentlich Gewinne eingeheimst haben. Auch das Land Berlin konnte reichlich Geld scheffeln. Ausgehend von einhundert Prozent warfen die Berliner Wasserbetriebe eine jährliche Rendite von etwa einer viertel Milliarde Euro ab. Das Land Berlin (damals 50,1 Prozent Beteiligung) erhielt im Vergleich zur RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB) aufgrund der disproportionalen Gewinnverteilung weniger, obwohl es die Mehrheit der Anteile der Holding AG besitzt. Dennoch handelt es sich um keine unwesentliche Summe. Das Geld, welches die Berliner/-innen zahlen mussten, weil die Trinkwasserpreise kontinuierlich anstiegen, wie jüngst das Bundeskartellamt feststellte und eine Senkung der Wasserpreise in Berlin verfügte. Die Wasserpreise in Berlin seien, verglichen mit Großstädten wie Hamburg oder München, missbräuchlich in die Höhe getrieben worden. Die Kosten für Trinkwasser in Berlin für das Jahr 2012 müssten um 18 Prozent und für die Jahre 2013 bis 2015 um durchschnittlich 17 Prozent jeweils im Vergleich zu 2011 gesenkt werden, so heißt es.

Aus welchem Hut Finanzsenator Nußbaum jüngst eine knappe halbe Milliarde Euro für den Flughafen BER gezaubert hat, könnte an dieser Stelle hinterfragt werden. Aber wo genau im schwarzen Loch des Berliner Haushalts dieses Geld verschwunden ist, wird wohl ein Geheimnis bleiben.

Zum großzügigen Geschenk der Wasserpreissenkung

Die Regierungskoalition schreibt sich derzeit auf die Fahne, den Berliner/-innen 60 Millionen Euro schon im kommenden Jahr zu schenken. Das resultiere daraus, dass die Berliner Bevölkerung über Jahre zu hohe Wasserrechnungen zu begleichen hatte. Wie zuvor beschrieben, hat das Land Berlin schon mit fünfzigprozentiger Mehrheit an den BWB jährlich etwa 125 Millionen Euro Gewinn gemacht. Rückwirkend zum 1. Januar diesen Jahres kommen noch die Gewinnanteile des RWE-Konzerns hinzu - weitere 60 Millionen Euro Profit. Ausgehend von einer prognostizierten Gewinnausschüttung in Höhe von 222 Millionen Euro für dieses Geschäftsjahr sind 60 Millionen, das macht pro Kopf eine Ersparnis von einmalig etwa 15 Euro, ein Tropfen auf den heißen Stein. Berlin schmälert also lediglich seinen Gewinn. Wie spendabel.

Zudem beinhaltet die Verfügung des Bundeskartellamts, welche noch nicht rechtswirksam ist, nur den Zeitraum bis 2015. Die Aussichten, dass die Trinkwasserpreise ab 2016 wieder in die Höhe schießen, sind rosig.

Und übrigens: Unglücklicherweise zielen die großzügigen Preissenkungen bloß auf Frischwasser ab. Abwasser, das sogar den größeren Anteil auf der Wasserrechnung ausmacht, wird hingegen überteuert bleiben.

Bilanz

Die Oppositionsparteien LINKE, Grüne und Piraten stimmten am 25. Oktober gegen den Rückkauf der RWE-Anteile, der ganz im Stil von 1999 praktiziert wurde. Leider war die rot-schwarze Koalition im Sonderausschuss Wasser nie ernsthaft an einer Überprüfung der Verträge auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne der Verfassung interessiert. Lieber nickte sie den vom Senat bekräftigten vorschnellen Rückkauf der RWE-Anteile an den Berliner Wasserbetrieben ab.

Vielmehr handelt es sich um einen Alibikauf, denn wie bereits festgestellt, liegt es an Veolia, ob der Konsortialvertrag, der unter anderem die Beteiligungs- und Entscheidungsmechanismen im Konstrukt der Wasserbetriebe regelt, angetastet wird. Gegenwärtig verbleibt es trotz dem zusätzlichen Erwerb von 24,95 Prozent der Anteile von RWE bei einem fünfzig zu fünfzig Gleichgewicht - 654 Millionen für Nichts.

Tja, so liegt das Land Berlin seiner Bevölkerung auf der Tasche. Mit allen Wassern gewaschen ist die Regierungskoalition definitiv nicht. Da wäre wohl auch ein Schnellschleudergang in der Waschmaschine vergebens ...

Weitere Informationen:
http://berliner-wasserbuerger.de/
http://berliner-wassertisch.info/
http://berliner-wassertisch.net/

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013, S. 1+4
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2012