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GESCHÄFTE/043: Vom Marktversagen und vom Wasser (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 901 vom 24. Oktober 2008 28. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Vom Marktversagen und vom Wasser


Man stelle sich vor: Der Angriff der neoliberalen Finanzwelt im Jahr 2000 auf die kommunale Wasserwirtschaft wäre erfolgreich gewesen. Damals hatte die Deutsche Bank Research gefordert, die Zahl der Wasser- und Abwasserbetriebe in Deutschland auf 100 Unternehmen einzudampfen. Der Aufkonzentrierungsprozess war dazu gedacht, dass sich im deutschen "Wassermarkt" drei, vier oder fünf Global Player herausbilden sollten, die in der Lage sein müssten, im Kampf um den vermeintlich lukrativen "Weltwassermarkt" mit den beiden französischen Wasserriesen erfolgreich konkurrieren zu können (s. RUNDBR. 415/1. Die vom Bundeswirtschaftsministerium damals eingerichtete Ewers-Kommission hatte zudem empfohlen, mit einem "Wettbewerb im Markt" den trotteligen kommunalen Wasser- und Abwasserwerken Feuer unter dem Hintern zu entfachen (s. RUNDBR. 599 - 602). An der angestrebten Flurbereinigung im "Wassermarkt" hätten Berater Investmentbanker und sonstige Geldvermehrungspezialisten prächtig verdient. Der Markteintritt privater Investoren wäre mit verwegenen Finanztransaktionen finanziert worden - beispielsweise mit der Verpfändung der zu erwartenden Gebühreneinnahmen über dreißig Jahre hinweg. "Asset-Management" wie bei anglo-amerikanischen Unternehmen wäre heute schon auf breiter Front auch im deutschen "Wassermarkt" angesagt - soll heißen: Statt nachhaltiger Substanzerhaltung wären die Anlagen der Wasser- und Abwasserbetriebe auf Verschleiß gefahren worden. Mit acht Prozent Rendite hätte man sich auch im Hydrokapitalismus nicht mehr begnügt. Vorbild wäre Josef Ackermann gewesen, der aus seiner Deutschen Bank eine Rendite von astronomischen 25 Prozent herauspressen wollte. Die sich aus dem Klein-Klein der deutschen Wasserwirtschaft erhobenen Wassergiganten ständen unter dem Diktat frisch geföhnter "Analysten", die anlässlich der Vorlage der Quartalsberichte jeweils die immer noch zu geringe Rendite bemängelt hätten. Und beim Zusammenbrechen der Finanzmärkte hätte es jetzt auch die deutschen Wasserkonzerne erwischt. Denn die wackligen Finanzkonstruktionen, mit denen die deutschen Wasserkonzerne zusammengezimmert worden waren, wären angesichts der Finanz- und Börsenkrise ebenfalls zusammengestürzt.

Alles pure Schwarzmalerei: So schlimm hätte es gar nicht kommen können! Denn nur acht Jahre hätten für die Transformation vom soliden Stadt- und Wasserwerk zum finanzmarktsensiblen Riesen auf tönernen Börsenfüßen vermutlich nicht ausgereicht. Gleichwohl können die deutschen Gebührenzahler-Innen froh sein, dass sich die deutsche Wasserwirtschaft erfolgreich der neoliberalen Zumutungen der Schwarzen Magier der Deutschen Bank und der Voodoo-Zauberer der Ewers-Kommission erwehren konnte. Nachdem sich die Investmentbanker bis auf die Knochen blamiert haben, sind auch diejenigen desavouiert, die die propagandistische Begleitmusik zur "Liberalisierung" des deutschen Wassermarktes gespielt haben - beispielsweise die opportunistischen Hochschulprofessoren, die "unabhängigen" Institute, die kommerziellen Seminarveranstalter und die Wirtschaftsjournalisten, die ebenfalls allesamt über die Ineffizienz der kommunal geführten Wasser- und Abwasserbetriebe lamentiert hatten (s. RUNDBR. 599/2, 587/3-4, 510/1, 470/4). -ng-


Hochmut kommt vor dem Fall

"Die neoliberalen Ideologien stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Doktrinen", so der Münchener OB CHRISTIAN UDE und Städtetagspräsident auf einem Symposium der Allianz öffentliche Wasserwirtschaft (AöW) am 16.10.08 in München. Angesichts der desaströsen Pleite der neoliberalen Finanzmarktapologeten und der Staatsschrumpfer besteht allerdings kein Grund, sich auf der kommunalen Seite selbstgefällig zurückzulehnen. Denn immerhin waren die privaten Wassermanager nicht so dumm wie viele kommunale Kämmerer, die in waghalsigen transatlantischen Cross Border Leasing-Geschäften Kanalnetze, Fernwasserversorgungen und Kläranlagen über den großen Teich verleast hatten. Und gegen eine übertriebene Selbstgefälligkeit auf der kommunalen Seite spricht auch, dass viele Kämmerer, Stadtwerkedirektoren und Abwasserverbandsgeschäftsführer den Einflüsterungen der Berater der Deutschen Bank erlegen sind - und sich nach dem Motto "Ich bin doch nicht blöd" auf riskante Zinswetten (Swaps) eingelassen haben. Bei den CBL-Geschäften wie bei den Zinswetten und anderen "toxischen Finanzprodukten" drohen jetzt Millionen-Verluste. Auch die Substanzerhaltung lässt bei manchen kommunalen Wasser- und Abwasserbetrieben zu wünschen übrig. Ferner haben viele Geschäftsführer von kommunalen Wasserbetrieben die eindimensionale Kostensenkungsphilosophie mindest so verinnerlicht wie private Wassermanager. Zur rigorosen Kostensenkung im betrieblichen Geschäft steht im Kontrast der überzogene und deplaziert erscheinende Luxus, der bei den Kongressen der Spitzenwasserwerker immer mehr überhand nimmt. Die Antwort steht noch aus, wie man die Transparenz und die Partizipation in kommunalen Wasser- und Abwasserbetrieben so weit steigern kann, dass die Risikobereitschaft von Geschäftsführern, Vorständen und Kämmerern nicht ins Kraut schießen kann. -ng-


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 901/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009