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FORSCHUNG/429: Wasser in Oberfranken (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wasser in Oberfranken
Wie viel Wasser brauchen wir, und wo wird es gewonnen?

von Johannes Lüers



Ein Blick auf den Freistaat Bayern

Das Wasseraufkommen für die öffentliche Wasserversorgung - also für die Trinkwasserabgabe an Haushalte und Kleingewerbe - beläuft sich nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung in den letzten 15 Jahren in ganz Bayern auf rund 1,06 Milliarden Kubikmeter (m³) im Jahresdurchschnitt. Davon werden rund 900 Millionen Kubikmeter aus eigenen Quellen auf dem Staatsgebiet von Bayern gewonnen, der Rest des Trinkwassers (16%) wird als Fremdbezug aus den benachbarten Ländern zugeführt. Die Trinkwassergewinnung erfolgt in ganz Bayern zu 70% aus Grundwasserreserven, zu 20% direkt aus Quellwasser und zu 10% aus Oberflächengewässern, das heißt aus Talsperren oder Uferfiltrat.

Dem gegenüber steht der Wasserverbrauch von rund 3,8 Milliarden Kubikmetern aus der nichtöffentlichen Wasserversorgung: Die Energiewirtschaft verbraucht davon im Schnitt 77 %, das verarbeitende Gewerbe 23%. Der überwiegende Teil der 3,8 Milliarden Kubikmeter wird von den Betrieben selbst gewonnen, mehr als 90% aus Oberflächengewässern. Der Rest wird aus dem öffentlichen Trinkwassernetz zugeführt oder von anderen Betrieben übernommen. Somit wird im Durchschnitt seit 1995 pro Jahr in Bayern eine Gesamtmenge von 5 Milliarden Kubikmetern Frischwasser für die Energiegewinnung, für wirtschaftliche Tätigkeiten, zur privaten Nutzung sowie zur Bewässerung in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt. Die Bewässerung schlägt in Bayern dabei nur mit rund 1% des Gesamtverbrauchs zu Buche.


Trinkwasser in Oberfranken

Selbst im für die Verhältnisse in Mitteleuropa regenreichen Bayern ist der Trinkwasserverbrauch größer als dessen Gewinnung im Land selbst. In Oberfranken liegt der jährliche Verbrauch bei rund 85 Mio. Kubikmetern Trinkwasser für den Hausbedarf (84,8 Mio. im Jahr 2010). Davon werden nur 78% im Bezirk selbst gewonnen, der Rest wird via Fernleitung aus dem Mündungsgebiet der Lech bei Genderkingen als "Fremdbezug" zugeleitet.

Die Eigengewinnung in Oberfranken erfolgt zu 60% aus Grundwasserreserven und zu 20% direkt aus dem Quellwasser von etwa 500 gefassten Quellen und Brunnen. Rund 20% des Trinkwassers stammen aus Oberflächengewässern, es wird fast ausschließlich in der Trinkwassertalsperre Mauthaus bei Kronach gewonnen. Gebaut zwischen 1968 und 1975 ist die frühere Ködeltalsperre die erste bayerische Trinkwassertalsperre überhaupt. Voll gefüllt beträgt ihre Wasseroberfläche 92 Hektar und es sind 20,7 Millionen Kubikmeter Wasser gespeichert. Davon werden in der Regel 12 Millionen Kubikmeter pro Jahr als Rohwasser entnommen und in der Anlage Rieblich zu Trinkwasser aufbereitet. Auf diese Weise werden etwa 14% des Trinkwasserbedarfs in Oberfranken gedeckt.

Für die Trinkwassernutzung entscheidend ist die Menge des durch den Erdboden und durch das Gestein gefilterten (sauberen) Grund- und Quellwassers, aber auch die Verweildauer oder Speicherzeit des versickerten Niederschlagswassers. Dabei bestimmen zwei Faktoren die Wassermenge, die für die so genannte Grundwasserneubildung jährlich zur Verfügung steht:

  • Niederschlag und Verdunstungsrate in der jeweiligen Region
  • die Beschaffenheit des geologischen Untergrundes

Grundwasserneubildung I: Niederschlag und Verdunstung

Der Niederschlag in Oberfranken und den benachbarten Mittelgebirgen weist in der Regel eine typische Zunahme mit der Geländehöhe auf. Die Abbildung 1 zeigt diesen Zusammenhang: wenig Regen, zum Teil weniger als 450 mm im Jahr, fällt entlang der Flusstäler Main und Regnitz; mittlere Regenmengen zwischen 750 und 950 mm fallen in der Fränkischen Schweiz; mit bis zu 1300 mm im Jahr gibt es vergleichsweise viel Regen in den Gebirgsregionen Fichtelgebirge und Frankenwald. Auf kleineren Maßstäben zeigen sich markante kleinräumige Unterschiede in der Verteilung der jährlichen Niederschlagsmenge: Die Hänge und Täler Oberfrankens sind je nach Lage unterschiedlich stark den anströmenden Luftmassen und damit - beispielsweise - dem Stauniederschlag bei Westwetterlagen ausgesetzt.

Wieviel Wasser bleibt übrig, wenn vom jährlichen Niederschlag die Verdunstungsmenge abgezogen wird? Eine Überschlagsrechnung kann dies verdeutlichen:

Angenommen die Fläche Oberfrankens von 7.231,47 km² (das sind 10,3% der Fläche Bayerns) erhält durch Niederschlag auf einem Drittel 600 Liter Wasser pro m² und Jahr, auf dem zweiten Drittel 850 und dem letzten Drittel 1.125 Liter Wasser pro m² und Jahr. Das ergibt insgesamt eine Menge von 6.200 Milliarden m³ oder 6.200 km³ Wasser pro Jahr - etwa 129 Mal die Wassermenge des ganzen Bodensees.

Wie bilanziert sich diese riesige Wassermenge im hydrologischen Kreislauf Oberfrankens weiter? Laut den Studien des Verbunds "Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft" (KLIWA) beträgt die Gebietsverdunstung ganz Bayerns - also direkte Verdunstung des Niederschlags an Oberflächen sowie indirekte durch die Vegetation - 55% der Niederschlagsmenge. Auf Oberfranken übertragen bleiben somit nach Abzug der Verdunstung 2.790 km³ Wasser pro Jahr übrig: sie fließen ober- und unterirdisch aus Oberfranken ab, in schnellem Tempo in Bächen und Flüssen, langsamer im Boden als Zwischen- oder Basisabfluss aus dem Grundwasser.

Tabelle 1: Öffentliche Wasserversorgung (Trinkwasser Hausbedarf) in Bayern und im Regierungsbezirk Oberfranken für das Jahr 2010. Datenquelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 2010 - Kennziffer QI 1-3j.2010.


Grundwasserneubildung II: Geologischer Untergrund

Die Abbildung 2 gibt genauere Auskunft über die geologischen Gegebenheiten. In den trockeneren Teilen Oberfrankens - Fränkischer Sandsteinkeuper um Bamberg, Coburg, Forchheim - beobachtet man geringen Niederschlag und wenig Grundwasserneubildung, es gibt keine größeren natürlichen Seen und die Wassermenge kleinerer Fließgewässer nimmt im Sommer extrem ab.

Für das kristalline Grundgebirge in Fichtelgebirge und Frankenwald überwiegen durch höheren Niederschlag und geringere Verdunstung mittlere Raten der Grundwasserneubildung. Die Granite oder Gneise im Untergrund haben jedoch nur wenige Spalten und Klüfte und können so nur vergleichsweise wenig Wasser aufnehmen. Die Grundwasservorräte werden daher rasch wieder an die Oberflächengewässer Weißer Main, Eger und Saale abgegeben. Für die Wasserversorgung sind nur tief reichende Verwitterungszonen wie im Weißenstädter Becken oder auf zentralen Bergkuppen wie Ochsenkopf und Schneeberg von Bedeutung.

Der Streifen des Ostbayerischen Trias-Kreide-Bruchschollenlandes um Neustadt, Kulmbach und Bayreuth besteht aus schollenartig zerbrochenen und verschobenen Gesteinsschichten. Grundwasserführende Schichten - zumeist Sandsteine - und nicht wasserleitende Schichten wechseln sich kleinräumig über mehrere unterirdische Stockwerke ab.

Die größten Grundwasservorkommen in Oberfranken liegen im Fränkischen Jura. Die Kalk- und Dolomitgesteine der Fränkischen Schweiz mit ihren zahlreichen Höhlen und Klüften sind hier wichtige und ergiebige Karstgrundwasserleiter. Auf der anderen Seite sind die oberflächennahen Grundwässer des Bruchschollenlandes und des Jura sensibel gegenüber Schadstoffeinträgen wie bakteriellen Belastungen, Nitrat und Pflanzenschutzmittel - hier fehlen ausreichend mächtige Deckschichten, die das durchsickernde Wasser filtern.


Blick in die Zukunft: Reichen die Grundwasserreserven aus?

Der Großteil unseres Trinkwassers wird aus dem Grundwasser gewonnen oder aus Quellen, die sich aus diesem unterirdischen Wasserspeicher speisen. Werden diese Reserven in unserer Region zukünftig ausreichen? Laut der Regierung von Oberfranken wird die mögliche Grundwasserneubildungsrate auf 13% der Jahresniederschlagsmenge geschätzt, das sind rund 806 km³ Wasser pro Jahr auf der Fläche Oberfrankens. Eine große Zahl im Vergleich zum oberfränkischen Wasserverbrauch von insgesamt 0,12 km³ pro Jahr für Trinkwasser und Frischwasser in Energiewirtschaft und verarbeitendem Gewerbe!

Doch hier trügt der erste Blick: Diese Menge steht nicht wirklich für die Wasserversorgung zur Verfügung. Zum einen sind die 806 Kubikkilometer neues Grundwasser pro Jahr durch die unterschiedlichen Niederschlagsregionen und den vielgestaltigen Gesteinsuntergrund in Oberfrankens sehr heterogen verteilt. Das erschwert die technische und nachhaltige Förderung des Grundwassers. Zum anderen ist die Verweilzeit des Grundwassers aufgrund der Geologie in großen Teilen Oberfrankens deutlich geringer als in anderen Mittelgebirgsregionen Deutschlands - aus dem oberfränkischen Gebiet fließt ein bedeutender Anteil des im Boden versickerten Wassers schnell wieder in Bächen und Flüssen ab. Das führt dazu, dass in weiten Teilen Oberfrankens die nachhaltige Wassergewinnung, mit der langfristig sauberes Grundwasser erhalten wird, schon heute an ihre Fördergrenzen stößt.

Diese Situation wird sich durch die von uns Menschen verursachte rapide Veränderung des Erdklimas mit großer Sicherheit verschärfen. Dafür sprechen die Ergebnisse der umfangreichen regionalen Klimastudien der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und des Deutschen Wetterdienstes im Kooperationsvorhaben KLIWA sowie eine Studie des Bayreuther Zentrums für Ökologie und Umweltforschung BayCEER von 2008: Für die nahe Zukunft in 2021 bis 2050 sind vor allem beträchtliche saisonale Verschiebungen der Niederschlagsmengen zu erwarten. Die leicht erhöhten Winterniederschläge werden den deutlichen Verlust an Regen in den Frühlings- und Sommermonaten, verbunden mit dann erheblich höherer Verdunstung, nicht kompensieren können - auch in den wärmer werdenden Wintern wird ein größerer Anteil des Niederschlags als bisher direkt verdunsten.

Bestätigt sich bis 2050 zwischen Frühjahr und Hochsommer die Tendenz zu längeren Phasen mit negativer klimatischer Wasserbilanz, in denen die Verdunstungsleistung die Regenmengen übersteigt, und wird sich die Umstellung von lang andauerndem Landregen hin zu kurzzeitigen Starkregenereignissen fortsetzen, ist abzusehen: Die in Oberfranken bereits heute geringe Grundwasserneubildung wird merklich absinken, die Verweilzeit des Grundwassers wird sich vermutlich weiter verkürzen. Dadurch verringert sich die Menge an gespeichertem Wasser. Negative Folgen für die Eigengewinnung von Trink- und Frischwasser in Oberfranken liegen daher auf der Hand. Ob der sich abzeichnende steigende Fremdbezug von Trinkwasser über das Fernwassernetz aus benachbarten Regionen kostenneutral und umweltschonend realisierbar sein wird, ist fraglich.


AUTOR

Dr. Johannes Lüers
ist seit 2003 Mitglied der Abteilung Mikrometeorologie bei Prof. Dr. T. Foken, Universität Bayreuth, von 2005 bis 2011 als Hochschulassistent. Seit April 2011 vertritt und leitet er als Professor die Abteilung Klimatologie der Universität Bayreuth.

Dr. Lüers interessiert sich generell für Auswirkungen des Klimawandels, sowohl auf globaler wie auf regionaler Ebene. In Forschung und Lehre legt er Schwerpunkte auf Energie- und Stoff-Austauschprozesse zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre, Kohlendioxid-Bilanzen sowie turbulente Energie- und Stoffflüsse in der bodennahen Atmosphäre - in Mitteleuropa (Wälder), in den Subtropen (Landwirtschaft) und in arktischen, polaren Regionen (Tundra). Dr. Lüers betreut die meteorologischen Messstationen des BayCEER.


INFO

Wasserkreislauf - die Bilanz: Niederschlag, Verdunstung, Abfluss und Grundwasser
Seit mindestens 3 Milliarden Jahren der Erdgeschichte hat sich die globale Wassermenge nicht mehr verändert. Einzig die Verteilung der Wasserreserven über den Planeten ist großen Schwankungen unterworfen. Eingebettet ins globale Klimasystem der Erde, steuert der hydrologische Kreislauf die Verteilung des Wassers und der im Wasser enthaltenen Energie zwischen Hydrosphäre mit Ozeanen und Flüssen, Atmosphäre mit Wasserdampf und Wolken, Kryosphäre mit Gletschern, Eis und Schnee sowie dem Grundwasser in Pedo- und Lithosphäre. Für eine Erdregion sind in der Kreislaufbilanz die aus der Atmosphäre fallenden Schnee- und Regenmengen der Wassergewinn, Verdunstung und Abfluss sind der Verlust und das Grundwasser (zumeist) der Speicher.


REFERENZEN
  • Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung - Bayern: www.statistik.bayern.de
  • Beierkuhnlein, C; Foken, T (2008): Klimaanpassung Bayern 2020, Studie für das Landesamt für Umwelt Bayern, 42 S.
  • Beierkuhnlein, C; Foken, T; Schmid, N; Wolf, B; Gohlke, A; Alt, M; Thomas, S M; Stahlmann, R; Dech, S; Jentsch, A; Kuzyakov, Y; Matzner, E; Menzel, A; Peiffer, S; Rötzer, T; Steffan-Dewenter, I; Tenhunen, J; Walther, GR; Burghardt, D; Wiesenberg, G; Glaser, B; Jacobeit, J; Pretzsch, H; Beck, C; Melzer, A; Erhard, D (2008): Klimawandel in Bayern. Auswirkungen und Anpassungsmöglichkeiten, Bayreuther Forum Ökologie, 113, 501 S.
  • Fernwasserversorgung Oberfranken (FWO): www.fwokronach.de
  • KLIWA - Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft - KLIWA-Heft 17 (2012): Auswirkung des Klimawandels auf Bodenwasserhaushalt und Grundwasserneubildung in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz.
  • Lüers, J; Foken, T (2004): Klimawandel in Oberfranken, Der Siebenstern, 73, 149-153.
  • Regierung von Oberfranken (2010): Broschüre Trinkwasser für Oberfranken: Wege zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft in der Region, Herausgeber Regierung von Oberfranken, Ludwigstraße 20, 95444 Bayreuth; Redaktion und Bearbeitung Richard Langmeyer, www.regierung.oberfranken.bayern.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die Trinkwassertalsperre Mauthaus - auch Ködeltalsperre genannt - wurde 1975 als erste bayerische Anlage dieser Art in Betrieb genommen. Aus ihr wird ein Siebtel des Trinkwasserbedarfs in Oberfranken gedeckt.

Abb. 1: Niederschlagsverteilung, gefasste Quellen und Brunnen Oberfrankens.

Abb. 2: Geologischer Untergrund in Oberfranken. Die Bedeutung der Gesteinsarten für die Wasserspeicherung wird im Text erläutert. Grundlage der Karten: Broschüre Trinkwasser für Oberfranken: Wege zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft in der Region, 2010, Regierung von Oberfranken, Bayreuth.

Abb. 3: Der Weißenstädter See.

Abb. 4: Das Wiesenttal in der Fränkischen Schweiz / im Fränkischen Jura.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 26 - 31
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2013