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WALD/072: Hambacher Forst - Wipfel, Wurzeln, Staatsgewalt (Lea Suhr)


Hambacher Forst - 11. Oktober 2013

RWE zerstört Barrikaden und Schutzvorrichtungen - Vorbereitungen für Räumung

von Lea Suhr



Nun schon zum zweiten Mal rückten am 9. Oktober gegen 14:30 Uhr RWE-Waldarbeiter_innen, Polizei und Security auf dem seit dem 3. September neu besetzten Waldstück an, welches nicht weit entfernt von der Protestwiese, nahe bei Morschenich liegt, um alle sich auf dem Boden befindlichen Schutzvorrichtungen zu zerstören, begonnen bei Barrikaden bis hin zu jeglicher Infrastruktur, die ohne Hebebühne oder Kletterteam erreichbar war. Auch schlugen sie eine Schneise von der Hauptstraße direkt zur Waldbesetzung, wohl um sich die kommende Räumung zu erleichtern. Die Aktivist_innen rufen auf zu Solidaritäts-Aktionen und dazu, dass alle, denen es möglich ist, in den Wald kommen, um damit vielen Leuten zu vermitteln, was sich dort im Rheinischen Braunkohlerevier zuträgt.

Alle Barrikaden auf den Wegen durch das Waldstück hinter der A4 waren so angelegt, dass es links oder rechts die Möglichkeit gab, zu Fuß oder mit dem Fahrrad an ihnen vorbei zu spazieren. An vielen hingen sogar Zettel in einem durchsichtigen Umschlag, um Besucher_innen im Wald zu erläutern, was es mit den Hindernissen auf sich hatte. Denn diese dienten zum Schutz vor der Security, von der RWE angeheuert, welche vermehrt Besucher_innen und Aktivist_innen im Hambacher Forst belästigten und observierten. Auch sollten die Barrieren dazu beitragen, dass die Waldwege nicht mehr so stark beansprucht werden, was angemessen scheint aufgrund eben jener Security, welche in der Vergangenheit mehrmals täglich und nächtlich durch den Wald Patrouille fuhr und dadurch die Wege stark abnutzte. Allgemein wurden Barrikaden immer wieder von RWE-Waldarbeiter_innen geräumt. Nach einem Vorfall, bei welchem den Arbeiter_innen ein Gespräch bei Kaffee und Tee angeboten wurde, fühlten sich diese wohl bedroht und so kam es zu einer groß angelegten Polizeiaktion. Seitdem fanden Räumungsarbeiten dieser Art unter Polizeibegleitschutz statt. Doch immer wieder entstanden neue Barrikaden.

Auch auf der neuen Waldbesetzung hatte die Polizei schon einmal die gerade erst am Boden erbaute Küchenplattform geräumt sowie eine weitere Plattform vom Baum geholt, die zu dem Zeitpunkt nicht belegt war. Zermürbungstaktik? Offensive Gewalt ist verpönt und wird in der Öffentlichkeit verurteilt. Um dennoch effektiv den oder die Gegner_innen einzuschüchtern, erscheint eine eher indirekt wirkende Taktik von Präsenz und Machtdemonstration, über einen langen Zeitraum angewandt, strategisch sinnvoller und ist dazu öffentlichkeitswirksamer, da legal und scheinbar gewaltfrei.

Zum späten Nachmittag zogen alle RWE-Arbeiter_innen und Polizeibeamt_innen wieder ab. Erst aber wurde noch ein Weg direkt von der Hauptstraße bis zur Waldbesetzung von Gebüsch und Bäumen freigeschlagen.

"Eine Räumung zum Wochenende scheint eher unwahrscheinlich, zum Beginn der kommenden Woche sollten sich jedoch alle Interessierten die Wahrscheinlichkeit einer Räumung ins Bewusstsein rufen" so Annabell, eine Aktivistin von der Waldbesetzung. "Es gibt viele Möglichkeiten, den Widerstand zu stärken und Teil davon zu sein", erklärt sie weiter, "genauso wie es wichtig ist, so viele Leute wie möglich vor Ort zu haben. Um Präsenz und Solidarität zu zeigen, ist es wichtig, dass die Menschen in den Städten vorbereitet sind und zum Beispiel auf die Straßen gehen, um auf die Problematik der Energiewirtschaft aufmerksam zu machen. Es ist wichtig, die Leute aufzuklären, das kannst du auch, indem du dich informierst und allen davon erzählst, Flyer verteilst, Veranstaltungen zum Thema organisierst, in deiner Stadt oder Region und die Themen Klimagerechtigkeit, Kapitalismus und auch Solidarität und Aufbau von alternativen Lebensformen mehr thematisierst. Energiegewinnung und in diesem Falle Kohleabbau haben so viele regionale wie weltweite Auswirkungen, dass es nicht in der Verantwortung einiger weniger liegt, sich mit diesen auseinanderzusetzen und gegen die verheerenden Folgen zu kämpfen: Die Zerstörung eines uralten Waldes und damit von Lebensraum unzähliger Tierarten (einige von ihnen vom Aussterben bedroht, wie beispielsweise die Bechsteinfledermaus), die Zwangsumsiedlung ganzer Dörfer nach veralteten, nicht überarbeiteten NS-Gesetzen, die unmittelbaren Folgen von radioaktivem Feinstaub weit über die Region hinaus. Und das ist noch lang nicht alles. Was im Rheinland auf dem abgegrabenen Land nicht mehr angebaut werden kann, muss importiert werden. Dies wiegt besonders schwer aufgrund der global wachsenden Nachfrage nach Ackerland und dem in den letzten Jahren explosionsartig gestiegenen Landgrabbing. Das bedeutet: jene Bäuerinnen und Bauern, die dem ansteigenden wirtschaftlichen Konkurrenzdruck nicht standhalten können, werden von ihrem Land vertrieben, finden keine Perspektiven und müssen fliehen", berichtet Annabell weiter.

Um gegen all diese Dinge zu protestieren, ist der Hambacher Forst nun erneut besetzt und das Camp auf der Wiese am Waldrand sowieso. Selbst die überregionale Presse ist in den vergangenen Wochen auf den Klimaaktivismus im Rheinland aufmerksam geworden. Das wurde auch Zeit, möchte man sagen.

Wer auf dem Laufenden gehalten werden möchte und/oder sich weiter mit dem Thema Braunkohleabbau im Rheinland beschäftigen will, kann sich hier informieren:

hambacherforst.blogsport.de
stopptrwe.crowdmap.com
ausgeco2hlt.de

12. Oktober 2013