Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REPORT


INTERVIEW/246: Gitterrost und Permafrost - Emissionsanstieg CO2 absehbar ...    Prof. Kevin Schaefer im Gespräch (SB)


11. Internationale Permafrostkonferenz (ICOP) vom 20. bis 24. Juni 2016 in Potsdam

Prof. Kevin Schaefer über die Notwendigkeit, Überwachungsnetzwerke für den Permafrost einzurichten, Pläne zur Vorbereitung auf die Zeit, wenn der Permafrost auftaut, zu erstellen und über die Win-win-Situation einer Transformation von der fossilen zur nicht-fossilen Energiewirtschaft


Zu den größten Unsicherheiten bei Computersimulationen zur Klimaentwicklung der Erde gehören Schwellenwerte (engl.: tipping points), bei deren Überschreiten ein sich selbst verstärkender Prozeß (engl.: positive feedback) in Gang gesetzt wird. Ein solcher Schwellenwert, der globale Konsequenzen haben kann, verbirgt sich vermutlich in den Permafrostregionen der Erde.

Wenn ein Dauerfrostboden auftaut, beginnt die Zersetzung des darin enthaltenen organischen Materials. Es wird Kohlenstoffdioxid oder Methan in die Atmosphäre freigesetzt, was die globale Erwärmung verstärkt. Dadurch wird wiederum mehr gefrorener Boden aufgetaut, mehr organisches Material zersetzt und so weiter.

Fast ein Viertel der Landfläche der Erde ist Permafrostgebiet. Obwohl sich der Permafrost in Richtung Norden zurückzieht, gilt die Arktis noch immer als Kohlenstoffsenke. Das heißt, in ihr wird mehr Kohlenstoff gebunden als freigesetzt, beispielsweise in Folge des verstärkten Pflanzenwachstums bei der Klimaerwärmung. Erst in rund 30 Jahren dürfte sich die Arktis von einer Senke in eine Quelle für Kohlenstoff wandeln, vermutet Prof. Kevin Schaefer vom National Snow and Ice Data Center (NSIDC) der Vereinigten Staaten. Am Rande der 11. Internationalen Permafrostkonferenz (ICOP), die auf Einladung des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) vom 20. bis 24. Juni 2016 in Potsdam abgehalten wurde, stellte sich Prof. Schaefer, ein Experte für das Verhalten organischen Materials im Permafrostboden, dem Schattenblick für einige Fragen zur Verfügung.


Beim Interview - Foto: © 2016 by Schattenblick

Prof. Kevin Schaefer
Foto: © 2016 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Im Jahr 2011 haben Sie und drei weitere Autoren eine Studie [1] vorgestellt, nach der sich die Arktis ab Mitte des nächsten Jahrzehnts von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle wandeln könnte, wenn der Permafrost auftaut. Was ist fünf Jahre später Ihr heutiger Eindruck - treffen Ihre Berechnungen noch zu?

Kevin Schaefer (KS): Ja, wir haben neue Simulationen durchgeführt und zusätzlich haben auch andere Wissenschaftler Berechnungen vorgenommen und eigene Projektionen erstellt. Die aktuelle Schätzung lautet, daß im Jahr 2100 knapp 120 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost in die Atmosphäre wandern und daß der Schwellenwert, ab dem die Arktis von einer Kohlenstoffsenke zu einer -quelle wird, voraussichtlich ein wenig später, als wir es ursprünglich angenommen hatten, erfolgen wird. Der Zeitpunkt wäre demnach nicht mehr innerhalb des nächsten Jahrzehnts, sondern um 2040, 2050 herum.

SB: Welche neueren Erkenntnisse haben zu dieser veränderten Einschätzung geführt?

KS: Wir haben in unserem Modell die vielfältigen Permafrostrepräsentationen verbessert. Beispielsweise haben wir eine Schicht mit hohem organischen Anteil einberechnet. So eine organische Schicht fungiert als Isolator, sie schützt den Permafrost etwas stärker und zögert seine Auflösung hinaus. Die jüngeren Berechnungen sind aber sehr konsistent mit den ursprünglichen Zahlen, und wenn man sich gut ein Dutzend andere Studien anschaut, so bewegt sich unsere Annahme ziemlich genau im Mittelbereich.

Wir haben festgestellt, daß mindestens die Hälfte der Emissionen auf den Zeitraum nach 2100 entfällt. Im Permafrost geschieht nichts wirklich schnell. Das Auftauen des organischen Materials und dessen Zersetzung läuft über Jahrhunderte ab. Wir haben es hier also mit einer sehr langsamen Rückkopplung zu tun: Wird das System in Gang gesetzt, schaltet es sich jahrhundertelang nicht wieder ab, solange die Emissionen andauern.

SB: Im November 2012 schrieben Sie für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP, über politische Implikationen des auftauenden Permafrostes [2]. Könnten Sie für unsere Leserschaft erklären, was die wichtigsten politischen Implikationen waren?

KS: Wir hatten drei wesentliche Implikationen vorgeschlagen: Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sollte einen speziellen Bericht zu der Frage verfassen, wie CO2- und Methanemissionen aus auftauendem Permafrost das globale Klima beeinflussen. Da geht es um Implikationen dessen, was später im Klimaschutzabkommen von Paris vereinbart wurde. Wenn man ein 2-Grad-Ziel festlegt, muß man Emissionen vom Permafrost einberechnen, das heißt, man muß etwas unter diesem Ziel bleiben, um es nicht zu überschreiten.

Ein andere Empfehlung lautete, daß nationale Überwachungsnetzwerke für den Permafrost eingerichtet werden, damit die Entwicklung genau verfolgt werden kann. Zur Zeit haben wir so etwas nicht, auch nicht in den Vereinigten Staaten. Wir waren der Ansicht, daß diese Aufgabe zwar von den Regierungen übernommen werden sollte, aber daß die IPA, die internationale Permafrostvereinigung, die Gesamtkoordination übernimmt.

Außerdem haben wir empfohlen, daß die einzelnen Nationen Pläne erstellen, wie die Folgen des Permafrostrückgangs gehandhabt werden. Das betrifft vor allem die Folgen für Infrastruktur und Wirtschaft in jenen Ländern, in denen es große Gebiete mit Permafrost gibt. Wenn der Permafrost taut, weil die Temperatur steigt, kann das gewaltige Auswirkungen auf die Infrastruktur haben, sei es auf die Straßen, Schienen, Gebäude oder andere Einrichtungen. Ist so eine Infrastruktur erst einmal beschädigt, wird es sehr teuer, die Schäden zu beheben. Uns war es wichtig festzustellen, daß die Nationen hier und heute für diese Notfälle Pläne erstellen, weil man bislang nur vergleichsweise kleinere Anpassungsmaßnahmen finanzieren muß, wodurch uns aber erhebliche ökonomische Anstrengungen in der Zukunft erspart bleiben.

SB: Wissen Sie, welche Konsequenzen die UNEP aus Ihrer Analyse gezogen hat?

KS: Ich denke, unser Bericht hatte Einfluß auf die höchste Ebene der Delegierten bei den UN-Klimaschutzverhandlungen. Natürlich waren wir nicht die einzigen, die einen Bericht zu Klimafolgen abgefaßt hatten. Aber der Bericht war ein weiterer Faktor, der es den Regierungen unser Länder ermöglicht hat, das Abkommen von Paris zu beschließen und zuzustimmen, daß wir unsere CO2-Emissionen sehr rasch reduzieren müssen. Kurzum, der Bericht hat dazu beigetragen, daß das Pariser Abkommen zustande kam.


Vollkommen vereiste Gletscherlandschaft, keinerlei Vegetation - Foto: Louis H. Pedersen/National Snow and Ice Data Center Grüne Wiese, grüne Berghänge mit vereinzelten Eisflächen und einer weit zurückgezogenen Gletscherzunge - Foto: Bruce F. Molnia/The Glacier Photograph Collection, National Snow and Ice Data Center/World Data Center for Glaciology

Noch ist die Arktis eine Kohlenstoffsenke. Anschaulich wird dies anhand des Vergleichs der Bilder des Pedersen-Gletschers in Alaska aus dem Sommer 1917 (links) und Sommer 2005 (rechts).
Foto links: Louis H. Pedersen/National Snow and Ice Data Center
Foto rechts: Bruce F. Molnia/The Glacier Photograph Collection, National Snow and Ice Data Center/World Data Center for Glaciology

SB: Seit mehreren Jahren wird in den Medien über die "Zeitbombe" Permafrost berichtet. Sie dagegen sagen, daß die Entwicklungen im Permafrost langsam ablaufen. Wie schätzen Sie das ein, wird der auftauende Permafrost einen signifikanten Beitrag zum Klimawandel leisten?

KS: Wir haben einige Abschätzungen zum Temperaturverlauf gemacht und sind zu dem Ergebnis gelangt, daß dem auftauenden Permafrost eine globale Erwärmung von 0,2 Grad bis Ende des Jahrhunderts zugesprochen werden kann. Das sind also rund zehn Prozent dessen, was als 2-Grad-Ziel bezeichnet wird. Wenn wir unvermindert fossile Energieträger verbrennen, wird auftauender Permafrost somit definitiv die globale Erwärmung beschleunigen. Aber wir müssen uns klar darüber sein, daß die anthropogenen Emissionen nach wie vor der eigentliche treibende Faktor sind.

Der Kohlenstoff, der aus Permafrostregionen freigesetzt wird, macht zwischen sieben und zehn Prozent des Anteils der Emissionen aus fossilen Treibstoffen aus, denen umgekehrt somit ein Anteil von 90 bis 93 Prozent der Emissionen zukommt. Man muß allerdings auch bedenken, daß das Verbrennen fossiler Energieträger und die damit einhergehende Erwärmung bislang noch dadurch gedeckelt werden, daß die Landmassen und Ozeane rund die Hälfte der Emissionen absorbieren. Diese Rückkopplung - eigentlich handelt es sich um mehrere Rückkopplungen - wird geschwächt.

SB: Ist es somit nicht möglich, das Auftauen des Permafrosts zu verlangsamen oder zu stoppen?

KS: Der einzige Weg besteht darin, keine fossilen Energieträger mehr zu verbrennen. Wenn wir das 2-Grad-Ziel einhalten wollen, müssen wir meiner Einschätzung nach die Fördermenge von fossilen Energieträgern um 95 Prozent verringern. Dann besteht eine Chance, daß das Auftauen aufgehalten wird.

Weil Permafrost eine riesige und entlegene Fläche einnimmt, kann man zu seinem Schutz rein gar nichts machen. Das beste wäre es, wie gesagt, zusätzlich zur Reduzierung von CO2-Emissionen jene nationalen Anpassungsprogramme aufzulegen, um mit den Folgen der Entwicklung klarzukommen, sobald sie eintreten. Man muß Pläne für die bevorstehenden Veränderungen erstellen und sollte nicht erst darauf reagieren müssen, wenn sie eingetreten sind.

SB: Sie und einige Kollegen haben in einer weiteren Studie [3] eine plötzliche globale Erwärmung vor 55 Millionen Jahren auf Permafrost in der Antarktis zurückgeführt. Was bedeutet "plötzlich" in diesem Zusammenhang?

KS: Das muß man vor dem Hintergrund einer geologischen Zeitskala betrachten. Nach menschlichen Maßstäben wäre "plötzlich" vielleicht innerhalb eines Jahres. Hier haben wir es mit dem PETM, dem Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum, zu tun. Das war die erste von mehreren starken und - nach geologischen Maßstäben - plötzlichen Erwärmungen. Diese erstreckten sich über Zehntausende von Jahren.

Wir nehmen an, daß PETM aufgrund einer Initialerwärmung in Folge der Änderung der Exzentrizität der Erdumlaufbahn um die Sonne und des Auftauens großer Permafrostgebiete hauptsächlich in der Antarktis, die zu der Zeit keinen Eisschild besaß, ausgelöst worden war. Dadurch wurden große Mengen CO2 und Methan freigesetzt, was die Erwärmung nochmals verstärkt hat. Und als der gesamte Permafrost aufgetaut war, fiel die Temperaturverstärkung natürlich wieder weg.

Irgendwann hat sich die Exzentrizität der Erdumlaufbahn erneut verändert, und CO2 wurde wieder im Permafrost gebunden. Millionen Jahre darauf, als die Erde abermals in der entsprechenden Umlaufbahn war, wurde der Mechanismus erneut ausgelöst. Danach wurde die Erwärmung mit jedem Mal schwächer. Schließlich war auf der Antarktis ein riesiger Eisschild entstanden, und generell gibt es unterhalb von großen Eisschilden so gut wie keinen Permafrost, somit wurde dort auch kein Kohlenstoff gelagert.

SB: Ihre Theorie impliziert, daß es in der Vergangenheit genügend organisches Material - oder vielleicht Gashydrate - gegeben hat, um eine plötzliche globale Erwärmung auszulösen. Gäbe es heute genügend organisches Material, so daß sich ein solcher Vorgang wiederholen könnte?

KS: Nur um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Ich selbst habe keine Gashydrate untersucht. Das ist ein anderes Thema, das intensiv unter der Fragestellung erforscht wird, was mit ihnen geschieht. Denn in Gashydraten ist eine Menge Methan gebunden. Ich hingegen forsche an dem organischen Material. Die Gashydrate werden unter sehr kalten Bedingungen unter hohem Druck unterhalb des Meeresbodens gebildet. Das organische Material beim Permafrost ist allein biologischen Ursprungs. Man hat es demnach mit sehr verschiedenen Prozessen zu tun.

Das PETM könnte ein Analogie für das sein, was wir derzeit erleben. Der Rückzug des Permafrosts und der Zerfall von organischem Material entspricht der Situation, wie wir sie heute haben. Das Ende der jüngsten Eiszeit könnte ein Beispiel für eine solche Permafrost-Kohlenstoff-Rückwirkung sein: Als sich der Eisschild nach Norden zurückgezogen hat, ist der Permafrost mit ihm gewandert, wobei Kohlenstoff aus dem organischen Material freigesetzt wurde, das zuvor im Permafrost eingeschlossen war.

SB: Sie sagten, daß die Antarktis zur Zeit des PETM keinen Eisschild besaß. Bedeutet das, daß der Kontinent komplett eisfrei war?

KS: Ja, zu der Zeit gab es kein Eis in der Antarktis. Das ist auch der Grund dafür, warum eine so große Fläche mit Permafrost existierte. Wie ich schon sagte, normalerweise gibt es keinen Permafrost unter Eisschilden. Diese wirken wie gigantische Decken, und die Wärme aus dem Innern der Erde steigt bis zum Eis auf. Die Gletscher bewegen sich, weil sie sprichwörtlich auf Matsch sitzen, der als Schmiermittel wirkt. Und Matsch bedeutet nun mal, daß da kein Permafrost ist.

In der heutigen Antarktis gibt es Gebiete, die freiliegen und in denen Permafrost herrscht, und es gibt Gebiete, in denen die Gletscher am Boden festgefroren sind. Dort existiert ebenfalls Permafrost, aber alles in allem ist die Fläche mit gefrorenem Boden klein.

SB: Sie erwähnten als wichtigste Maßnahme des Klimaschutzes, die fossilen Energieträger nicht mehr zu fördern. Was halten Sie von den Methoden des sogenannten Geoengineering bzw. Climate Engineering, um die globale Erwärmung zu verhindern?

KS: Meiner Ansicht nach liegen nicht annähernd ausreichend Informationen seitens der Forschung vor, um solche Methoden auch nur auszuprobieren. Wir vollziehen gerade jetzt ein riesiges Experiment mit Geoengineering, indem wir fossile Energieträger verbrennen! Man kann verschiedene Dinge versuchen - aber wer will sagen, was tatsächlich geschieht, wenn man damit anfängt? Deshalb würde ich sagen, daß die Risiken die möglichen Vorteile bei weitem überwiegen. Das beste wäre es, die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger zu verringern und dann die Folgen dessen zu akzeptieren, was wir bereits angerichtet haben.

Wenn wir die globale Erwärmung auf zwei Grad begrenzen, würde dies tatsächlich die weltweiten Auswirkungen verringern und die Permafrost-Kohlenstoff-Rückwirkung minimieren. Dazu möchte ich allerdings noch eines anmerken: Die fossilen Energieträger zu reduzieren bedeutet nicht, die Menschen irgendwie in Not zu stürzen. Es geht hier nicht um Wirtschaft versus Umwelt. Das ist ja ein Argument, das häufig vorgebracht wird. Es könnte sich vielmehr sehr gut um eine Win-Win-Situation handeln, die am besten durch eine Verringerung der Kosten für kohlenstoffarme Optionen bis zu dem Punkt, an dem sie zu den gegenwärtigen, kohlenstoffbasierten Optionen konkurrenzfähig werden, herbeigeführt werden könnte. Hat man das erst einmal geschafft, dann werden die Leute natürlich die kohlenstoffarmen Optionen bevorzugen, weil sie die günstigere ökonomische Wahl sind.

Durch die Erzeugung von kohlenstoffarmen Energien und allgemein den Aufbau kohlenstoffarmer Industrien entstehen Arbeitsplätze. Darum dreht sich ja in den Vereinigten Staaten alles. Es werden Jobs geschaffen, das Wirtschaftswachstum angekurbelt, neue Geschäftsfelder eröffnet, ohne davon abhängig zu sein, nach fossilen Energieträgern bohren zu müssen.


Prof. Schaefer erklärt Interessierten das von ihm erstellte Poster - Foto: © 2016 by Schattenblick

Poster-Session - kommunikativer Treffpunkt zur Präsentation wissenschaftlicher Arbeiten
Foto: © 2016 by Schattenblick

SB: Sie haben vorhin bei Ihrem Poster [4] hierfür ein gutes Beispiel genannt, als sie über den Einfluß von Thermokarst auf ein Pipelineprojekt sprachen. Es scheint nur ein kleines Detail zu sein, hat aber großen Einfluß.

KS: Ja, das trifft zu, und zwar die ganze Strecke entlang jener Pipeline in Alaska. Da gibt es viele Auswirkungen. Aber um es klarzustellen: Meiner Meinung nach hat man bei der Konstruktion der Pipeline hervorragende Arbeit geleistet. Dadurch wurden die Einflüsse minimiert. In anderen Gebieten legt man die Pipeline vielleicht direkt auf den Boden, was natürlich sehr viel weitreichendere Auswirkungen hätte. Bereits der Bau von Straßen, einfach, weil sie da sind, wirkt sich auf den Boden aus. Und das wärmere Klima verstärkt solche Effekte.

Es gibt immer Methoden, in den Hohen Breiten Dinge zu konstruieren, bei denen die Auswirkungen auf den Permafrost minimiert werden. Umgekehrt gilt das gleiche: Die Auswirkungen dessen, was wir bauen, verändern den Permafrost. Zu unseren Empfehlungen im UNEP-Report gehört auch, daß man sich mit der Engineering Community zusammentun sollte, um herauszuarbeiten, wie die Dinge gebaut werden, so daß die zu erwartenden Veränderungen bewältigt werden. Das sollte man stets beachten, vom einfachen Anbringen von Beschichtungen bis zur neuartigen Gebäudearchitektur.

Dazu gibt es einfaches Beispiel: Die Menschen im Hohen Norden errichten ihre Häuser nicht mehr direkt auf dem Permafrostboden, weil dieser tauen und zusammenfallen wird. Sie bauen auf Pfählen. Sie setzen Zementpfeiler in den Permafrost und bauen darauf ihre Häuser auf, die auf der Unterseite vollkommen offen sind. Das hat natürlich zur Folge, daß der Permafrost dort kälter und stabiler wird.

SB: Herr Schaefer, vielen Dank für das Gespräch.


Foto: Thester11, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en] via Wikimedia Commons

Auf Pfeilern errichtetes Gebäude in Barrow, Alaska, 24. April 2008.
Foto: Thester11, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en] via Wikimedia Commons


Fußnoten:


[1] Kevin Schaefer, Tingjun Zhang, Lori Bruhwiler, Andrew P. Barrett: Amount and timing of permafrost carbon release in response to climate warming, Issue Tellus B Volume 63, Issue 2, pages 165-180, April 2011. DOI: 10.1111/j.1600-0889.2011.00527.x

[2] http://www.unep.org/pdf/permafrost.pdf

[3] http://people.earth.yale.edu/sites/default/files/files/Pagani/3_2012%20DeConto_Nature.pdf

[4] Das Poster trug den Titel: "Realizing the full potential of Remotely Sensed Active Layer Thickness (ReSALT) Products". Gemeint ist damit, das gesamte Potential der Fernerkundung zur aktiven Schicht - das ist beim Permafrostboden der obere Bereich, der im Sommer auftaut - auszuschöpfen.


Bisher im Schattenblick unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT zur Permafrostkonferenz in Potsdam erschienen:

INTERVIEW/227: Gitterrost und Permafrost - Zahlenspiele, Umweltziele ...    Prof. Hans-Wolfgang Hubberten im Gespräch (SB)
INTERVIEW/228: Gitterrost und Permafrost - Schrittmacher Menschenhand ...    Prof. Guido Grosse im Gespräch (SB)
INTERVIEW/229: Gitterrost und Permafrost - bedingt prognosesicher ...    Prof. Antoni Lewkowicz im Gespräch (SB)
INTERVIEW/230: Gitterrost und Permafrost - zivile Katastrophen ...    Dr. Tingjun Zhang im Gespräch (SB)
INTERVIEW/234: Gitterrost und Permafrost - Flirt mit Ideen, Karriere mit konservativen Methoden ...    Dr. Anne Morgenstern im Gespräch (SB)
INTERVIEW/235: Gitterrost und Permafrost - nicht hören, nicht sehen ...    Dr. Torre Jorgenson im Gespräch (SB)
INTERVIEW/238: Gitterrost und Permafrost - maßstabslos ...    Prof. Duane Froese im Gespräch (SB)
INTERVIEW/239: Gitterrost und Permafrost - Pragmatik trifft Unberechenbarkeit ...    Prof. emer. Wilfried Haeberli im Gespräch (SB)
INTERVIEW/241: Gitterrost und Permafrost - terrestrische Wandlungen ...    Dr. Merritt Turetsky im Gespräch (SB)
INTERVIEW/242: Gitterrost und Permafrost - Am Beispiel Mars ...    Dr. Andreas Johnsson im Gespräch (SB)
INTERVIEW/244: Gitterrost und Permafrost - den Elementen Zivilisation abgewinnen ...    Dr. Nikolay Shiklomanov im Gespräch (SB)
INTERVIEW/245: Gitterrost und Permafrost - CO2 und Wiederkehr ...    Dr. Peter Köhler im Gespräch (SB)

5. August 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang