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INTERVIEW/063: Am Beispiel Glyphosat - Pferdefuß Ertragszuwachs, schriftliches Interview mit Martin Redepenning, BUND Pinneberg (SB)


"Wie belastet ist unser Essen wirklich? Führen uns Industrie und Behörden hinters Licht?"
Aufklärungsveranstaltung des BUND Pinneberg am 24. September 2013 in der Drostei, Pinneberg

Schriftliches Interview mit Martin Redepenning, BUND Pinneberg



Die Ernte ist inzwischen eingebracht, das Thema ist noch nicht vom Tisch

Im September berichtete der Schattenblick von einer Informationsveranstaltung der BUND-Kreisgruppe Pinneberg unter dem Titel "Wie belastet ist unser Essen wirklich? Führen uns Industrie und Behörden hinters Licht?" im Pinneberger Kulturzentrum Drostei [1]. Im Mittelpunkt stand der Vortrag von Professor Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, den die Kreisgruppe dazu eingeladen hatte, über die jüngste Stichprobenuntersuchung, die der BUND gemeinsam mit seinem europäischen Dachverband, Friends of the Earth (FOE Europa) in 18 europäischen Hauptstädten durchführen ließ, zu berichten.

Hierzulande sind zwar bisher keine Überschreitungen von Rückstandshöchstgehalten (RHG) in Lebensmitteln bekannt geworden. Ein Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die diesen Grenzwert überschreiten, wäre auch verboten. Allerdings sind diese erlaubten Werte auffällig hoch bemessen. Hafer und Gerste dürfen 20 Milligramm Glyphosat pro Kilogramm (mg/kg) enthalten, Roggen und Weizen 10mg/kg. [2] Wie aber sieht es in den Verbrauchern aus, die diese legal belasteten Nahrungsmittel zu sich nehmen? Da es hierzu keine offiziellen Studien gibt, hatte der BUND eine unabhängige, privat finanzierte, kleinere Untersuchung angestrebt und war prompt fündig geworden: In 182 Urinproben wurde Glyphosat identifiziert, die Proben aus Berlin waren mit 70 Prozent besonders hoch belastet. Es wurden jedoch keine Grenzwerte überschritten. [3]

Die zunehmende Betroffenheit der zahlreich erschienenen Pinneberger ging jedoch ebenso auf den zweiten Referenten aus der hiesigen Kreisgruppe zurück, Martin Redepenning, der, angeregt durch die europäische Studie, weitere 18 Urinproben von freiwilligen Spendern im Umkreis gewinnen und mit diesen eigenen Stichproben das Ergebnis des Dachverbands auch für den ländlichen, norddeutschen Raum bestätigen konnte. Zwar liegen die Belastungen an Glyphosat, die hier gemessen wurden, noch in einem Bereich, der keine offensichtlichen gesundheitlichen Folgen hervorruft, doch seien Untersuchungen über mögliche Wirkungen im Niedrigdosenbereich bisher auch noch nicht wissenschaftlich angestrebt worden. Das gab Anlaß zu vielen Fragen: Könnte eine Belastung mit niedrigen Dosen erst nach einigen Jahren zu erkennbaren Effekten führen, auch wenn der Wirkstoff laufend abgebaut wird? Wie wirkt sich Glyphosat in Verbindung mit anderen Chemikalien in der Umwelt aus? Und in wiefern lassen sich vielleicht manche nicht als Krankheit anerkannte Befindlichkeitsstörungen oder auch die in letzter Zeit zunehmenden unerklärlichen Erscheinungen wie Allergien, Autismus, Fettsucht u.a. möglicherweise mit solchen Umweltkontaminationen in Verbindung bringen? Was können Bürger und Landwirte unternehmen und wie kann man sie darin unterstützen?

Nach einer ausgesprochen regen Diskussion zum Thema Glyphosat und Landwirtschaft, die das gesetzte Zeitlimit zu sprengen drohte, bot Martin Redepenning dem Schattenblick an, einige Fragen zur Pinneberger Initiative schriftlich zu beantworten. Daraus ergab sich das folgende Interview.

Foto: © 2013 by Schattenblick

Martin Redepenning im Vortrag
Foto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Herr Redepenning, was hat Sie veranlaßt, parallel zur Stichprobenuntersuchung des BUND Bundesverbands bei Bewohnern aus 18 europäischen Großstädten auch im Raum Pinneberg stichprobenartige Urinuntersuchungen der Glyphosatbelastung an zwanzig freiwilligen Personen der hiesigen Bevölkerung zu organisieren?

MR: Es hat mich schockiert, dass im Urin von Großstadtbewohnern aus 18 europäischen Ländern der Herbizidwirkstoff Glyphosat gefunden wurde. Knapp die Hälfte der Probanden hat das Gift im Körper. In der deutschen Probe, d.h. bei Berliner Stadtbewohnern sind es sogar 70 Prozent. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es eine europaweite Hintergrundbelastung mit Glyphosat gibt. Es ist ein Beleg dafür, dass die industrielle Landwirtschaft nicht beherrschbare Risiken beinhaltet. Die Stichprobe zeigt, je industrieller die Landwirtschaft in den EU-Ländern, je höher die Glyphosat-Belastungen.

Mit der Fragestellung, ob überhaupt und in welchem Umfang die ländliche Bevölkerung im Kreis Pinneberg belastet ist, hatten wir an 20 Testpersonen Probenahmeröhrchen ausgegeben, wovon dann 18 im Labor analysiert wurden. Es waren 72 Prozent der Stichprobe über der Nachweisgrenze belastet.

SB: Wurden die Urinproben ausschließlich auf Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA (Aminomethyl-Phosphonsäure) untersucht oder gab es noch weitere Ergebnisse über begleitende Substanzen, zum Beispiel in der Landwirtschaft eingesetzte Pflanzenschutzmittel, die auch in den Proben gefunden wurden?

MR: Die Urinproben wurden ausschließlich auf Glyphosat, das Hauptabbauprodukt Aminomethyl-Phosphonsäure (AMPA) und zwecks Qualitätssicherung auf Kreatinin untersucht. Nur wenn der Kreatinin-Wert einen bestimmten Bereich nicht über- und unterschreitet, ist die Probe für eine Analyse geeignet.

Die Laboranalyse ist spezifisch auf diese Stoffe in niedriger Konzentration zugeschnitten. Der BUND hatte sowohl in der EU als auch bei der Stichprobenuntersuchung im Kreis Pinneberg ein privates Institut in Bremen beauftragt. Nach BUND-Kenntnis gibt es gar keine staatlichen Labore, die menschlichen Urin auf Spuren des Herbizids untersuchen können. Interessant wäre es schon, auf weitere Pestizidwirkstoffe, Abbauprodukte als auch auf Hilfs- und Zusatzstoffe der Herbizid-Anwendungslösungen im menschlichen Urin oder Blut zu untersuchen. Wir sichten derzeit die Literatur und werden ggf. weitere Stichproben beauftragen, was natürlich auch eine Kostenfrage ist.

SB: Wie bewerten Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung?

MR: Während von der Häufigkeit der Belastung her die Stichproben aus der EU-Untersuchung für Deutschland (70 Prozent) und im Kreis Pinneberg (72 Prozent) nahezu identisch waren, lag die durchschnittliche Höhe der Belastung bei Glyphosat im Kreis Pinneberg um ca. 35 Prozent höher.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vertritt die Auffassung, dass die im Urin gefundenen Glyphosat-Werte nicht auf eine gesundheitlich bedenkliche Belastung der Verbraucher hinweisen bzw. die AMPA-Werte keinen Grund zur Besorgnis darstellen. [4]

Der BUND sieht dies aus folgenden Gründen völlig anders: Nicht einmal die Hilfs- und Zusatzstoffe in den Glyphosat-Anwendungslösungen wurden durch das BfR bzw. bei derzeitigen "amtlichen Bewertungen" mit bewertet, noch die vielfach in Spuren in Lebensmitteln mit aufgenommenen anderen Pestizid-Wirkstoffe, Hilfs- und Zusatzstoffe sowie Abbauprodukte. Dies sind reale Gegebenheiten, hier ist die Wissenschaft zweifellos vollends überfordert, lässt aber nach oberflächlichen "Prüfungen" alles laufen - ein gigantischer Menschenversuch!

Aus diesem Grund fordert der BUND das Vorsorgeprinzip, d. h. solche Stoffe zu verbieten, für die keine ganzheitliche Risikoeinschätzung erfolgen kann. Dann könnten auch enorme finanzielle und personelle Ressourcen eingespart werden, die ohne Verbote oder Anwendungsbeschränkungen eigentlich für eine Erforschung der Risiken erforderlich wären. Wir brauchen diese Pestizide nicht für einen zukunftsfähigen, nachhaltigen Landbau, wie ihn z. B. der ökologische Landbau darstellt, für den der BUND plädiert.

Neben den Risiken für den Menschen wird z. B. bei Glyphosat der Boden stark belastet: Halbwertzeit für Glyphosat-Abbau 44 - 215 Tage, im Wasser 27 - 146 Tage. Dementsprechend wird die wertvolle Humusschicht stark gestört und die Oberflächenwässer sind in Deutschland schon nahezu flächendeckend mit Glyphosat belastet. Die empfindlichen Bodenlebewesen und damit die Leistungsfähigkeit der Humusschicht sowie Wasserorganismen werden beeinträchtigt bzw. abgetötet.

SB: Manche halten Stichproben wie diese für nicht repräsentativ. Ist das Ergebnis für Sie bereits ein Hinweis darauf, daß sich Glyphosat anders verhält, als ursprünglich vom Hersteller behauptet?

MR: Sowohl die EU-Untersuchung wie auch die im Kreis Pinneberg sind Stichproben. Sie sind nicht repräsentativ. Es ist Aufgabe der "zuständigen Behörden", mögliche und tatsächliche Belastungen durch Pestizide in der Umwelt und im Menschen zu untersuchen. Hier gibt es große Versäumnisse und nicht transparente Rahmenbedingungen und Methoden.

Speziell bei Glyphosat behaupteten und behaupten noch immer Hersteller und Zulassungsbehörden, dass der Wirkstoff für Menschen/für Säugetiere völlig harmlos wäre. Glyphosat wirkt als Breitbandherbizid auf ein pflanzliches Enzym, welches für die Proteinsynthese zuständig ist. Alle Pflanzen, mit Ausnahme gentechnisch veränderter, sterben ab. Dadurch, dass dieses Enzym nur in Pflanzen vorkommt, begründen Hersteller und Zulassungsbehörden die Ungefährlichkeit für Säuger. Tatsächlich gibt es heute Nachweise, dass Glyphosat allein und teilweise durch Hilfs- und Zusatzstoffe in der Anwendungslösung, z. B. Tallowamin, sowohl menschliche Zellen schädigen kann als auch toxische Effekte in Flora und Fauna auslöst. So wurden Landbewohner in Lateinamerika durch direkten Kontakt über die Haut und Atemwege gesundheitlich geschädigt. Dort werden die Pestizide großflächig per Flugzeug versprüht mit sehr hohen Verdriftungen durch die von den Flugzeugen verursachten Turbulenzen. In der Umgebung der so gespritzten Felder gibt es Häufungen schwerer Gesundheitsschäden wie Missbildungen, körperliche Behinderungen, Hirnschäden und Herzfehler bei Neugeborenen. Außerdem Krebs, Leukämie, Hautkrankheiten, Geschwüre, Allergien, Haarausfall, Atemwegserkrankungen, Erbrechen und Durchfall. Durch das räumliche Zusammentreffen zwischen Pestizidanwendungen und Gesundheitsschäden liegt ein Zusammenhang auf der Hand. Leider sind aber die dortigen Behörden bisher nicht bereit, ursächliche Zusammenhänge zu erforschen. So können die Pestizid-Hersteller weiterhin behaupten, es gäbe keine Zusammenhänge. Ferner sind die Stoffe pflanzengängig und so gelangen diese über Futtermittel in unsere Fleischprodukte. Auch das bestreiten Hersteller und Zulassungsbehörden.

SB: Könnte man Ihrer Meinung nach sagen, daß die positiven Nachweise von Glyphosat im Urin, gemeinsam mit der neuen wissenschaftlichen Erkenntnis, daß Glyphosat etwa ein Jahr in Lebensmitteln nachweisbar ist, bereits einen Beweis für die Aufnahme von Glyphosat mit der Nahrung ergibt?

MR: Fragestellung bei allen Probanden der Stichproben war, ob ein direkter Kontakt mit Glyphosat-Produkten gegeben war, was nicht zutraf. Insofern ist der Aufnahmeweg über die Nahrung die wahrscheinlichste Ursache. Für einen Beweis ist die Stichprobe zu klein. Es gibt auch die Erkenntnis, dass Glyphosat nach Anwendung im Getreidebau nach ca. einem Jahr auf den Körnern noch nachweisbar ist. Daher haben wir aufgrund der neueren Handlungsweise der Getreidebauern, dass diese kurz vor der Ernte das Getreide totspritzen, als sog. Sikkation oder auch Vorerntereifung bezeichnet, zusätzlich die Probanden im Kreis Pinneberg nach der Ernährungsweise bei Getreideprodukten gefragt, ob diese aus der konventionellen oder ökologischen Herstellung stammen. Wir vermuten, dass eine Nahrungsmittelbelastung vorliegt. Zugelassen ist die Sikkationsmethode unter bestimmten Voraussetzungen, wenn z. B. bei ungünstigen Witterungslagen ein Auskeimen der Getreidekörner auf dem Halm erfolgt, der sog. Zwiewuchs oder wenn Schadorganismen/Verpilzungen das Ernteprodukt gefährden. Kontrollen, ob die Voraussetzungen für eine Sikkation vorliegen, werden aber nicht durchgeführt und sind auch nach Einbringen der Ernte kaum noch möglich. Das hat zur Folge, dass die Sikkation tatsächlich überwiegend aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen durchgeführt wird, u. a. zur Vortrocknung auf dem Halm, Steuerung des Erntezeitpunktes etc. So wird ungestraft häufig gegen das Pflanzenschutzgesetz verstoßen. Nach Auffassung des BUND wäre es eine Minimalmaßnahme, wenigstens die Sikkation generell zu verbieten, da zwischen "begründeten" und unbegründeten Fällen nicht unterscheiden werden kann.

Aus den Ergebnissen der Stichprobe im Kreis Pinneberg ergeben sich Hinweise, dass bei Getreideprodukten aus ökologischer Erzeugung eine geringere Glyphosatbelastung im Urin resultiert. Als Beweis können die Ergebnisse allerdings nicht dienen. Dazu ist die Stichprobe zu klein.

SB: Ihre Analyseergebnisse können dennoch keine eindeutige Korrelation zur konventionellen Ernährung oder zur Ernährung mit Produkten aus ökologischem Anbau herstellen. Könnten Sie sich noch andere Wege der Glyphosat-Aufnahme vorstellen?

MR: Auf jeden Fall sind weitere Untersuchungen notwendig, insbesondere von Getreideprodukten. Offensichtlich gibt es in Dänemark und Österreich weitergehende Erkenntnisse bzw. eine besser ausgeprägte Vorsorge-Verantwortung, es sind aktuell Glyphosat- bzw. Sikkations-Anwendungsverbote erlassen worden.

Es sollten alle Nahrungsmittel in Deutschland, bei denen in der Produktionskette die Sikkation angewandt wurde, sofort verstärkt untersucht werden, neben Getreide z.B. Kartoffel. Auch sind Fleisch- und Wurstprodukte zu untersuchen, die aus Betrieben mit glyphosat-belasteten Futtermitteln stammen. Untersuchungen von Frau Prof. Krüger aus Leipzig geben Hinweise, dass Tiere vermehrt erkrankten, denen glyphosathaltiges Futter verabreicht wurde.

SB: Welche Schlußfolgerungen oder Konsequenzen ziehen Sie aus diesen Ergebnissen und was bedeutet diese Untersuchung für Sie und Ihr Engagement beim BUND?

MR: Wesentliche Schlussfolgerung ist, dass die Verbraucher sich auf staatliche Zulassungs- und Kontrollbehörden hinsichtlich des Gesundheitsschutzes nicht verlassen können. Die verbreitete Sikkation aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht ist u. E. nach rechtswidrig, belastet Nahrung und Umwelt, aber niemand kontrolliert es.

Auch sind die Zulassungsverfahren für Pestizide völlig intransparent und die Methoden scheinen ungeeignet zu sein. Das hat sich schon im Kreis Pinneberg ab Mitte der 80er Jahre gezeigt, wo Wirkstoff und Lösungsmittel aus dem Bodenbegasungsmittel Di Trapex ins Grund- und Trinkwasser gelangt waren, entgegen aller Beteuerungen auf Harmlosigkeit durch die Zulassungsbehörden. Auch weitere Pestizide haben im Kreis Pinneberg dafür gesorgt, dass das Wasser aus vielen Trinkwasserbrunnen nicht mehr genutzt werden kann. Es wurde lange Jahre in Fließgewässer gepumpt, damit die Giftfahnen im Untergrund sich nicht noch weiter in Grundwasserleiter hinein ausbreiten. Zwei Wasserwerke im Kreis Pinneberg sind stillgelegt worden. Fast alle anderen haben Aktiv-Kohlefilter-Nachrüstungen erhalten. Die Kosten hierfür tragen die Trinkwasserkonsumenten, nicht die Verursacher oder der Staat aufgrund der fehlerhaften staatlichen Zulassungen.

Ziel des BUND ist eine nachhaltige, naturverträgliche Landwirtschaft, die von der Menge und Qualität her sichere und gesunde Lebensmittel und nicht nur Nahrungsmittel erzeugt. Hierfür ist das Prinzip des ökologischen Landbaues eine geeignete Methode. Bei verstärkter Forschung und Förderung unter Einbeziehung regionalen Saatguts kann die Weltbevölkerung sicherer ernährt werden als nach dem industriellen Konzept. Ein Vergleich des Energieeinsatzes in der jeweiligen Produktionsform zeigt auch, dass in der industriellen Landwirtschaft ein ungeheuer hoher, nicht vertretbarer Energieeinsatz stattfindet. Der BUND setzt sich eindeutig für die Förderung des ökologischen Landbaus ein.

SB: Was fehlt Ihnen noch bzw. müsste möglicherweise noch untersucht werden, um die Schädlichkeit von Glyphosat genauer einschätzen zu können?

MR: Meines Erachtens bleibt es sinnlos, daran zu glauben, Leben zerstörende Pestizide so konzipieren zu können, dass sie auf einen Organismus oder eine Pflanze bezogen spezifisch und ohne Nebenwirkung für Flora und Fauna anzuwenden wären. Von daher sollten Forschung und Förderung für eine industrielle Landwirtschaft, u.a. mit synthetisch hergestellten Stoffen gestoppt werden.

Vorübergehend müssen die Zulassungsverfahren überprüft, die Zulassungsanträge transparent gemacht und für unabhängige Wissenschaftler und Interessierte zugänglich gemacht werden. Die Zulassungsgebühren für Pestizide müssen so kalkuliert werden, dass damit die Kosten für unabhängige Studien bestritten werden können. Bisher stützen sich die Zulassungsverfahren allein auf Studien der Hersteller. Es geht hier um Gemeinwohl-Interessen!

Pestizide müssen wie in Dänemark mit einer Steuer belegt werden. Diese muss von Jahr zu Jahr spürbar gesteigert werden. Vom Ertrag sind für Mensch und Natur risikofreie Anbaumethoden sowie ein regionaler Saatbau zu fördern.

Martin Redepenning im Vortrag - Foto: © 2013 by Schattenblick

Plädoyer für transparenten Verbraucherschutz
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Was erhoffen oder wünschen Sie sich für die nächste Zukunft und vielleicht auch von Medien?

MR: Es müssen noch stärker gesunde und naturverträgliche Nahrungsmittel erzeugt werden.

Die aktuell entschiedene Umschichtung der EU-Fördergelder in eine stärkere Förderung der kleinen und mittleren Betriebe ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Landwirte am Ende der Interessenskette industrieller Strategien dürfen hier jedoch nicht allein gelassen werden. Die Aus- und Fortbildung hin zu mehr naturverträglichen Landbaumethoden muss verstärkt werden. Durch Profitgier angetrieben, werden derzeit von branchenfremden Investoren landwirtschaftliche Flächen aufgekauft. Hier besteht die Gefahr, dass es nur um Gewinnmaximierung des eingesetzten Kapitals geht. In der Erzeugung muss durchgesetzt werden, dass diese gesundheitlich und naturverträglich sind. In der Begleitung dieser Prozesse - wie Aufdecken der Risiken für Mensch und Natur, der unzureichenden Zulassungs- und Anwendungsverfahren, der Interessen industrieller Landwirtschaft, der vielfach schrägen politischen Rahmenbedingungen - können die Medien ganz wesentliches beitragen. Auch geht es darum, positive und zukunftsfähige Rahmenbedingungen und Methoden zu veröffentlichen.

SB: Vielen Dank Herr Redepenning, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.

Anmerkungen:

[1] Näheres zu der Verstanstaltung:
Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REPORT
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0058.html
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0059.html

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umko0005.html

[3] http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/gentechnik/130612_gentechnik_bund_glyphosat_urin_analyse.pdf

[4] http://www.bfr.bund.de/cm/343/glyphosat-im-urin-werte-liegen-unterhalb-eines-gesundheitlich-bedenklichen-bereichs.pdf


29. November 2013