Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REPORT

BERICHT/086: Treffen der Wege - Zorn und Fleiß wird eigener Reis (SB)


Die Farbe der Forschung II - Das Innovationspotenzial von Beziehungsnetzen

Symposium am 7./8. März 2014 in Berlin

MASIPAG, ein Netzwerk von Bauernorganisationen und Wissenschaftlern auf den Philippinen, besinnt sich auf den traditionellen, organischen Reisanbau und überzeugt mit anpassungsfähigen Sorten, hohen Erträgen und einer weitgehend selbstbestimmten Produktionsweise



Mitte Juli 2014 fegte der Taifun "Rammasun" über die Philippinen hinweg, forderte an die 100 Opfer und richtete schwere Schäden an. Der nächste Tropensturm "Matmo" folgte ihm auf dem Fuße und traf den Osten der philippinischen Hauptinsel Luzon. Jedes Jahr wird der aus über 7100 winzig kleinen und größeren Inseln bestehende Staat von rund 20 tropischen Stürmen heimgesucht, was nicht zuletzt an die Landwirtschaft extrem hohe Anforderungen stellt. Über die Hälfte der rund 100 Millionen Einwohner ist in dieser Branche tätig. In dem dicht besiedelten Land werden landwirtschaftliche Flächen eingerichtet, wo immer es geht, wobei das Hauptnahrungsmittel traditionell Reis ist. Der wird zwar in der Regel im Wasser stehend aufgezogen, aber eine komplette Überschwemmung, wie sie nach dem Durchzug eines Taifuns auftreten kann, würde eine herkömmliche Reispflanze nur wenige Tage schadlos überstehen, da ihr unter Wasser die Möglichkeit genommen wird, Kohlendioxid aus der Luft zu absorbieren und Photosynthese zu betreiben.

Langes, gewundenes Tal, an den Berghängen rechts und links zahlreiche Reisterrassen - Foto: CEphoto, Uwe Aranas, freigegeben als [(CC BY-SA 3.0) http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode] via Wikimedia Commons

Schon vor 2000 Jahren legten die Bewohner von Banaue, Philippinen, Reisterrassen an. Blick auf Banaue, 8. November 2008.
Foto: CEphoto, Uwe Aranas, freigegeben als [(CC BY-SA 3.0)
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode] via Wikimedia Commons

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, daß die sogenannte Grüne Revolution der 60er, 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zwar vielen Ländern eine signifikante Steigerung ihrer landwirtschaftlichen Erträge pro Hektar gebracht hat, dafür jedoch ein hoher Preis entrichtet wurde. Und der wurde nicht von denen bezahlt, die an dieser Agraroffensive gut verdienen sollten, da sie zu einer Monopolisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft - begleitet von einem hohen Dünger- und Pestizideinsatz und der globalen Verbreitung patentrechtlich abgesicherter Hochertragssorten - führte, sondern von zig Millionen Kleinbauern. Viele von ihnen mußten Kredite aufnehmen, um sich jene für die Grüne Revolution zwingend erforderlichen landwirtschaftlichen Inputs leisten zu können, verloren aber unter Umständen nach ein, zwei schlechten Anbaujahren, die durch Unwetter, Pflanzenkrankheiten oder Schädlingsbefall ausgelöst wurden, ihr Land an ihre Schuldherrn.

Über diese Problematik und wie sich auf den Philippinen Bauernorganisationen mit Wissenschaftlern zusammengeschlossen haben, um den natürlichen, aber auch den gesellschaftlich gegen sie gerichteten Gewalten zu trotzen, berichtete Elizabeth Cruzada in ihrem Vortrag "Von der partizipativen Züchtung zur Ernährungssouveränität" auf dem Symposium "Die Farbe der Forschung II - Das Innovationspotenzial von Beziehungsnetzen", das die Zukunftsstiftung Landwirtschaft am 7./8. März 2014 in Berlin organisiert hat.

Beim Vortrag - Foto: © 2014 by Schattenblick

Elizabeth Cruzada, MASIPAG-Koordinatorin
Foto: © 2014 by Schattenblick

Die Philippinen sind landwirtschaftlich geprägt, dennoch muß das Land mindestens 500.000 Tonnen Reis pro Jahr - so viel wie kein anderes Land - importieren, berichtete Frau Cruzada, die zwischen 2003 und 2007 Nationale Koordinatorin von MASIPAG (Magsasaka at Siyentipiko para sa Pag-unlad ng Agrikultura), einem philippinischen Netzwerk von Bäuerinnen und Wissenschaftlerinnen zur Förderung der Entwicklung, war und nach wie vor eine führende Funktion als Koordinatorin dieses Zusammenschlusses innehat.

In den 1980er Jahren hatten einige Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler landesweit Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, welche Auswirkungen die Verbreitung von Hochertragsreissorten aus der Grünen Revolution auf die Einkommenssituation und Ernährungssicherheit der Kleinbauern hat. 1985 trafen sich die an der Studie beteiligten Akteure mit Bäuerinnen und Bauern auf einem großen, mehrtägigen Kongreß ("BIGAS-Konferenz" oder Bahanggunian Hinggil sa Isyu ng Bigas) mit Vertretern aus dem philippinischen Reisforschungsinstitut IRRI (International Rice Research Institute), der Regierung sowie der Zivilgesellschaft und gründeten im Jahr darauf MASIPAG. Die Bäuerinnen und Bauern hatten die Wissenschaftler gebeten, daß sie ihre eigenen, ursprünglichen Reissorten, die an die höchst ausdifferenzierten geographischen Bedingungen des Inselstaats angepaßt waren, weiterentwickeln. Zugleich wollten sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür nutzen, sich selbst in den Stand zu versetzen, ihre Züchtungen zu verbessern. Damit sollte der Vormarsch der Agroindustrie gebrochen und die Ernährungssouveränität zurückgewonnen werden.

Das unter anderem von der Rockefeller Foundation und der Bill and Melinda Gates Foundation finanzierte Reisforschungsinstitut war somit an der Gründung des Gegenmodells zur industriellen Landwirtschaft beteiligt. Frau Cruzada schmunzelte bei ihrem Vortrag, als sie IRRI dafür ausdrücklich dankte und sagte, ohne dieses Institut würde sie wahrscheinlich heute nicht hier sprechen. Längst stehen MASIPAG und IRRI einander in wesentlichen Fragen diametral gegenüber.

Angefangen hatte das Netzwerk mit 47 traditionellen Reissorten, die von den Beteiligten selbst gesammelt und finanziert wurden. Es wurden erste Testfelder eingerichtet und eine Saatgutbank aufgebaut. Heute ist MASIPAG landesweit vertreten. Es gibt rund 600 angeschlossene Bauernorganisationen, 200 Züchtungstrainer, die mit den Landwirten zusammenarbeiten, 70 Züchterinnen und 15 Agrarwissenschaftler. Im Jahr 2009 verzeichnete die MASIPAG-Züchtung bereits 1292 Reissorten, von denen die meisten stabil sind, also ihre Eigenschaften von Generation zu Generation weitergeben. Das Netzwerk hat ein Garantiesystem mit eigenem Logo und Standards entwickelt, die im vergangenen Jahr von der International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) anerkannt wurden.

Regalwand mit Gläsern und 95 Reissorten - Foto: Achim Pohl, freigegeben als CC-BY-NC-SA 3.0 via www.weltagrarbericht.de

Die Vielfalt lokaler Reissorten von MASIPAG
Foto: Achim Pohl, freigegeben als CC-BY-NC-SA 3.0 via www.weltagrarbericht.de

Die Selektion alter, von der Grünen Revolution unterdrückter Sorten hilft den Kleinbauern dabei, mit Überflutungen, Dürren, Pflanzenkrankheiten, Schädlingen und Salzwasserintrusion zurechtzukommen. Die Kleinbauern benötigen für ihren organischen Anbau keinen Dünger und keine Pestizide und erzielen keine geringeren Ertragsmengen als im konventionellen Landbau - bei halb so hohen Betriebskosten. Inzwischen wurde die Zahl der wissenschaftlich begleiteten Testgebiete auf 47 Provinzen ausgedehnt, die eine große Bandbreite an klimatisch und geographisch unterschiedlichen Voraussetzungen repräsentieren. In diesen Testgebieten soll nach einer CIMME (Collection of rice cultivars, Identification, Multiplication, Maintenance and Evaluation) genannten Methode das Sammeln, Identifizieren, Erhalten, Vermehren und Bewerten der Reissorten zur Leistungssteigerung der Pflanzen und Erhöhung der Erträge insgesamt führen, denn die Erfahrungen, die das einzelne MASIPAG-Mitglied macht, beschränken sich in Folge der guten Vernetzung nicht auf die jeweilige Region.

20 Jahre nach Einführung der Grünen Revolution waren auf den Philippinen von ursprünglich rund 4000 Reissorten nur noch fünf übriggeblieben, die auf über 90 Prozent der Reisfelder angebaut wurden - eine Entwicklung, die ähnlich auch in anderen Ländern Asiens mit Hilfe der jeweiligen Regierungen durchgesetzt worden war. "Genetischer Imperialismus" haben das die Kleinbauern genannt, berichtete Cruzada. Auch wenn es sich bei den neuen Reissorten um Hochertragssorten handelte, die anfangs durchaus eine Steigerung der Erntemengen bewirkten - der durchschnittliche Ertrag stieg von 1,7 Tonnen pro Hektar (t/ha) auf 2,5 t/ha - und bei vielen Kleinbauern die Hoffnung weckte, daß ihnen der Fortschritt endlich zu mehr Wohlstand verhilft, bildete die Grüne Revolution wegen der besagten kostenintensiven Inputs eine permanente Armutsfalle.

Mit dem neuen Saatgut hielt also ein Anbausystem Einzug, das zur Enteignung der Bauern beitrug. MASIPAG dagegen verfolgte von Anfang an das Ziel, die desaströsen Resultate der Grünen Revolution umzukehren, ohne auf die Ertragssteigerung zu verzichten. Was auch gelang. Bereits 1988 erbrachten drei traditionelle Reissorten 4,5 - 6,5 t/ha, wohingegen die sogenannten Hochertragssorten unter anderem von IRRI nur auf 3 - 5 t/ha kamen, schrieb die philippinische Forscherin Angelina M. Briones von der Universität der Philippinen in Los Banos (UPLB), Provinz Laguna. [1]

"Für MASIPAG kommen die Menschen vor dem Profit", erklärte Cruzada auf dem Berliner Symposium und betonte: "Die Armen können den Armen helfen." Sie hätten der HYV (High Yield Variety - z. Dt.: Hochertragssorte) die HRV (High Response Variety - z. Dt.: Hochanpassungsfähige Sorte) entgegengehalten, denn MASIPAG schaue nicht allein auf die Ertragsmenge, sondern auch auf die Nachhaltigkeit des Anbausystems.

Ginge es nach den Apologeten der Grünen Revolution, können Reissorten nur im Zusammenhang mit Pestiziden angebaut werden. So waren auf den Philippinen schließlich nur ein oder zwei Sorten geblieben, die überhaupt ohne Pestizide gediehen. Heute hat sich das Bild komplett gewandelt, versicherte Cruzada. Viele, über Jahrzehnte gesammelte Sorten kommen ohne chemische Pflanzenschutzmittel aus. "Wir nehmen uns die Zeit, die verschiedenen Reissorten zu erforschen", sagte die engagierte MASIPAG-Koordinatorin. Inzwischen wurden sogar Sorten gezüchtet, die sowohl dürre- als auch überflutungstolerant sind. Und eine Bäuerin habe es geschafft, eine Reissorte zu züchten, die 21 Tage unter Wasser aushält, sagte Cruzada mit berechtigtem Stolz. Das hochsubventionierte Reisforschungsinstitut IRRI sei mit seinen Möglichkeiten noch nicht so weit, dessen bester Reis überstehe nur 14 Tage unter Wasser.

Vorne parzellierte Felder, im Hintergrund große, flache Institutsgebäude - Foto: IRRI [(CC BY 2.0) https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode] Zahlreiche Versuchsfelder, jeweils mit einem Schild für die verwendete Reissorte versehen - Foto: IRRI [(CC BY 2.0) https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode]

links: Das International Rice Research Institute (IRRI) in Los Banos. Im Vordergrund Versuchsfelder, in denen verschiedene Ausmaße einer Überschwemmung simuliert werden.
Foto: IRRI [(CC BY 2.0) https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode]
rechts: IRRI-Versuchsfeld - auch Trockentoleranz wird hier getestet.
Foto: IRRI [(CC BY 2.0) https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode]

Da die Beteiligten ihr Wissen regelmäßig austauschen, Züchtungserfolge nicht zur privaten Bereicherung einheimsen, sondern mit anderen teilen und sich darüber hinaus als eine Art Kooperative unterstützen, dürften sie, so verheerend die Wirbelstürme auch wüten, im Verhältnis zum profitorientierten, industriellen Anbausystem gut gewappnet sein, mit den Folgen von Unwetterkatastrophen zurechtzukommen.

Dem ersten Anschein nach verfolgt das IRRI kaum andere Ziele als MASIPAG, wie hier beispielhaft aufgezeigt werden kann. So trägt eine Pressemitteilung des Reisforschungsinstituts vom Mai dieses Jahres die Überschrift, daß laut seinem Generaldirektor Robert Zeigler, der auf dem World Economic Forum (WEF) on East Asia in der philippinischen Stadt Makati eine Rede hielt, "nachhaltige Ernährungssouveränität abhängig von einer Verbesserung der Lebensumstände der Bauern" ist. [2]

Der IRRI-Leiter und die MASIPAG-Koordinatorin sprechen sich unabhängig voneinander dafür aus, daß die Bäuerinnen und Bauern einen besseren Zugang zu Informationen erhalten. Während aber Cruzada dabei den direkten Austausch von Wissen meint, hebt Zeigler auf den besseren Zugang zur "Kommunikationstechnologie und Satellitenbildgebung" ab. Das helfe den Bauern, bessere Entscheidungen für ihren Hof zu treffen und deshalb auch die "Kreditrisiken" zu senken. Und während Cruzada sagt, daß MASIPAG die Menschen über den Profit stellt, fordert Zeigler, die Politik möge dafür sorgen, daß die Bauern und selbst die Landlosen "stärker am Markt teilhaben". Was impliziert, daß sie höhere Profite erwirtschaften sollen.

Womöglich unter dem Eindruck des drastischen Einbruchs der Weltmarktpreise für Reis [3] sagte Zeigler, daß die Preise und der Handel mit Reis "verzerrt" sind. Nun, welche Kräfte bzw. Interessen auch immer da an wem "zerren" und welche Absichten dabei verfolgt werden, das von MASIPAG propagierte Produktionssystem ist deutlich weniger anfällig gegenüber Schwankungen der Weltmarktpreise. Denn die Reiszüchterinnen und -züchter wollen nicht primär für den Weltmarkt produzieren, behalten die Verfügungsgewalt über ihr Saatgut, und bei einer Mißernte, wie sie beispielsweise nach dem Durchzug eines Taifuns mit weiträumigen Überschwemmungen droht, werden die Betroffenen von jenen unterstützt, die der Sturm nicht heimgesucht hat. In der nächsten Anbausaison wird es vielleicht genau umgekehrt sein.

Acht Personen am Rande eines Reisfelds, eine Frau hält einen Reisstengel mit Blättern hoch - Foto: Achim Pohl, freigegeben als CC-BY-NC-SA 3.0 via www.weltagrarbericht.de

Bäuerin Dolores, die in MASIPAG-Kursen einiges über Reisanbau und -zucht gelernt hat, erklärt anderen das Kreuzen verschiedener Sorten.
Foto: Achim Pohl, freigegeben als CC-BY-NC-SA 3.0 via www.weltagrarbericht.de

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Erfolgsgeschichte, über die Elizabeth Cruzada berichtet hat. Dazu zwei Beispiele: So fragten 2012 die beiden philippinischen Wissenschaftler Rodelio B. Carating und Silvino Q. Tejada: "Kann die organische Landwirtschaft das Land ernähren und Ernährungssicherheit gewährleisten?" Sie beantworteten ihre Frage selbst: "Die Lehrbuch-Landwirtschaft sagt nein. (...) Die Geschichte der organischen Landwirtschaft in den Philippinen ist auf dem Weg, ihren Standpunkt zu beweisen, daß es geht und zwar auf nachhaltige Weise. Obwohl keine Agrochemikalien verwendet werden und den Hybrid- und GMO-Saaten eine Absage erteilt wird, um die Bauern von den Fesseln der Verschuldung und Armut zu befreien, können ausreichende und sichere Nahrungsmittel für alle erzeugt werden." [4]

Stefanie Glotzbach von der Leuphana-Universität Lüneburg schrieb 2012 über Umweltgerechtigkeit in Anbausystemen am Beispiel MASIPAG, daß dieses gegenüber dem konventionellen Anbausystem hinsichtlich der Gerechtigkeit innerhalb einer Generation und zwischen den Generationen besser abschneidet, aber daß der Erfolg noch immer aufgrund politischer Restriktionen beschnitten wird. [5]

Eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre wird darin bestehen, Reissorten zu züchten, die den Anforderungen des Klimawandels genügen, und ein Produktionssystem zu schaffen, das darauf eingestellt ist. Auf die Frage des Schattenblicks, ob MASIPAG Konzepte für die Herausforderungen durch den Klimawandel entwickelt hat, antwortete Cruzada: "Ja, natürlich, denn der Klimawandel ist bereits deutlich spürbar. Beispielsweise hat die Berechenbarkeit von Regenfällen abgenommen. Die Bäuerinnen wissen nicht mehr so genau, wann sie mit Stürmen zu rechnen haben." Deshalb habe MASIPAG schon vor rund sechs Jahren angefangen, mit Pflanzsystemen zu experimentieren, um sich auf den Klimawandel vorzubereiten. Beispielsweise habe man entdeckt, daß Reissorten aus dem Hochland unter Umständen auch für die Talbewohner geeignet sind und umgekehrt. Es gehe jedoch nicht allein darum, verschiedene Sorten zu züchten, sondern auch darum zu wissen, zu welchem Zeitpunkt im Jahr welcher Reis gepflanzt werden muß.

Auch diese Darstellung Cruzadas wird von anderer Seite bestätigt. Im November 2011 kam die Studie "Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften - Für ein neues entwicklungspolitisches Leitbild", herausgegeben von Bärbel Kofler und Nina Netzer, zu dem Schluß: "Durch Bodenschutz, Hecken zum Schutz vor Winden, den Einsatz salzresistenter Reissorten sowie eine kapitalextensive Form der Landwirtschaft sind die MASIPAG-Bauern viel besser gegenüber klimatischen Risiken gerüstet als andere Bauern." [6]

"Das Innovationspotenzial von Beziehungsnetzen" lautet der Untertitel des Symposiums. Der Vortrag Elizabeth Cruzadas über MASIPAG hat gezeigt, daß es mehr ist als "nur" ein Netzwerk von Bauernorganisationen, die mit wissenschaftlicher Begleitung Reis züchten, ihre Erzeugnisse austauschen und anbauen. Es handelt sich um ein Gegenmodell zur exportorientierten Landwirtschaft, dehnt sich bereits auf andere landwirtschaftliche Sektoren wie die Züchtung von Mais und Hühnern aus, und fördert die gegenseitige Weiterbildung. Laut Cruzada regt MASIPAG die Gründung weiterer Netzwerke an, die gar nicht zwingend mit ihm verbunden sein müssen, und propagiert grundsätzlich die Selbstbestimmtheit. Auch wird Lobbyarbeit in Stadt- und Gemeinderäten für ökologische Landwirtschaft und gegen gentechnisch veränderte Organismen wie den Goldenen Reis, der ab 2016 in den Philippinen angebaut werden soll, betrieben.

Mit dieser Einstellung hat sich MASIPAG bereits zu einem ernstzunehmenden Stachel im Fleisch der transnationalen Konzerne und ihrer Lobbyisten in den Regierungsapparaten erwiesen. Der Widerstand innerhalb der Zivilgesellschaft gegen die Grüne Gentechnik und somit auch gegen die agroindustrielle Produktionsweise, für die sie steht, wächst offenbar. Im vergangenen Jahr wurde ein Versuchsfeld mit dem Goldenen Reis von einer aufgebrachten Menge zerstört.

Mehrere Dutzend Menschen reißen Pflanzen aus einem Versuchsfeld - Foto: Sikwal-GMO/Bulatlat.com (http://bulatlat.com/main/2013/08/09/farmers-in-bicol-uproot-golden-rice/)

8. August 2013: Bäuerinnen und Bauern reißen den gentechnisch veränderten Goldenen Reis aus einem Versuchsfeld des Department of Agrarian Reform (DAR) in Pili, Camarines Sur.
Foto: Sikwal-GMO/Bulatlat.com (http://bulatlat.com/main/2013/08/09/farmers-in-bicol-uproot-golden-rice/)


Fußnoten:

[1] http://www.agriculturesnetwork.org/magazines/global/local-varieties-source-of-health-and-strength/farmer-based-research-for-sustainable-rice-farming

[2] http://irri.org/news/media-releases/sustained-food-security-depends-on-improving-the-lives-of-farmers-irri-chief

[3] Im Mai dieses Jahres lag der Weltmarktpreis für Reis bei 400,59 Dollar pro Tonne, drei Monate zuvor bei 447 Dollar pro Tonne.
http://www.indexmundi.com/de/rohstoffpreise/?ware=reis

[4] http://www.afaci.org/file/anboard2/2012%20philippines%20doc%20gwangju.pdf

[5] Glotzbach, Stefanie (2012): Environmental justice in agricultural systems: An evaluation of success factors and barriers by the example of the Philippine farmer network MASIPAG, University of Lüneburg Working Paper Series in Economics, No. 225.
http://hdl.handle.net/10419/57149 (Abgerufen am 21. Mai 2014)

[6] http://baerbel-kofler.de/workspace/media/static/08695-1-503340840aaac.pdf#page=13


Weitere Berichte und Interviews zum Berliner Symposium "Die Farbe der Forschung II" vom 7. und 8. März 2014 finden Sie unter dem kategorischen Titel "Treffen der Wege":
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml
und
http:/www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_interview.shtml

BERICHT/067: Treffen der Wege - Ökosynaptische Knoten (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0067.html

BERICHT/068: Treffen der Wege - Urknallverständigung (SB)
Gedanken zum Vortrag von Saira Mian "Am Schnittpunkt von Kommunikationstheorie, Kryptographie und Agrarökologie"
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0068.html

BERICHT/070: Treffen der Wege - Von Auflösungen auf Lösungen (SB)
Über den Vortrag von Ina Praetorius "Beziehungen leben und denken. Eine philosophische Spurensuche"
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0070.html

BERICHT/072: Treffen der Wege - vorübergehend fehlerhaft (SB)
Prof. Dr. Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), reicht der Hightech-Landwirtschaft die Hand
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0072.html

INTERVIEW/077: Treffen der Wege - Reform alter Werte, Ina Praetorius im Gespräch (SB)
Ina Praetorius über Beziehungen, den Wandel wörtlicher Werte und das Postpatriarchiale Durcheinander
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0077.html

INTERVIEW/078: Treffen der Wege - Das Flüstern im Walde, Florianne Koechlin im Gespräch (SB)
Florianne Koechlin über das Bewußtsein und die Würde von Pflanzen sowie über Grenzen, die der Mensch verletzt
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0078.html

INTERVIEW/088: Treffen der Wege - Ökoideologische Träume..., Biobauer Sepp Braun im Gespräch (SB)
Josef Braun über die Vernetzung von Wald, Wiese und Acker
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0088.html

INTERVIEW/089: Treffen der Wege - Kahlfraß und Kulturen, Prof. Dr. K. Jürgen Friedel im Gespräch (SB)
Professor Dr. K. Jürgen Friedel über Pflanzennährstoffmobilisierung, Nährstoffwirkung, Nährstoffmangel, Forschungsmethoden und Rudolf Steiner
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0089.html

INTERVIEW/094: Treffen der Wege - Grüne Netze aus der Hand ... Dr. Christa Müller im Gespräch (SB)
Dr. Christa Müller über die Auflösung der Grenze zwischen Kultur und Natur am Beispiel der Stadtentwicklung
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0094.html

INTERVIEW/095: Treffen der Wege - Pilze, Pflanzen, Landwirtschaft ... Prof. Andres Wiemken im Gespräch (SB)
Professor emeritus Andres Wiemken über das WWW, das Wood Wide Web, in dem Pilze und Pflanzen in Symbiose leben
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0095.html

INTERVIEW/099: Treffen der Wege - gesät, begrünt, begriffen ... Bastiaan Frich im Gespräch (SB)
Bastiaan Frich über Networking und das Anlegen von urbanen Gärten als Begegnungs- und Erlebnisraum in Basel
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0099.html

INTERVIEW/100: Treffen der Wege - von unten nach oben ... Christoph Fischer im Gespräch (SB)
Christoph Fischer über die Intelligenz hilfreicher Mikroorganismen und andere vernachlässigte Ressourcen des Lebens
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0100.html

INTERVIEW/101: Treffen der Wege - Aufklärung ohne Profit ... Willem A. Stoop im Gespräch (SB)
Dr. Willem A. Stoop über das System der Reis-Intensivierung und warum es von Saatgutuntenehmen nicht stärker erforscht wird
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0101.html

INTERVIEW/102: Treffen der Wege - Rückschritt durch die Hintertür, Dr. Angelika Hilbeck im Gespräch (SB)
Dr. Angelika Hilbeck über den Fehler der GenTech-Kritik, sich auf sicherem Terrain zu wähnen, Gene-Editing und den Vorstoß der industrienahen Forschung, den Diskurs zu beherrschen, ehe er noch begonnen hat ...
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0102.html

INTERVIEW/103: Treffen der Wege - Rückbesinnung vorwärts ... Dr. Walter Schmidt im Gespräch (SB)
Dr. Walter Schmidt über Partnerschaften unter Pflanzen
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0103.html

24. Juli 2014