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BERICHT/005: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 2 (SB)



Generation Aufbruch in der kritischen Forschung

Bericht von der Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" am 11./12.8.2011 in Hamburg

Teil 2: Analyse umweltrelevanter Fragen

Vulkanpilz vom 9. Juni 2011 in den chilenischen Anden - 15 km hohe Rauchsäule des Puyehue - Foto: © Zentrales Medienarchiv Wikimedia Commons [1]

Auch ein unbedeutenderer Vulkan kann mächtig viel Staub aufwirbeln
Vulkanpilz vom 9. Juni 2011 in den chilenischen Anden
15 km hohe Rauchsäule des Puyehue
Foto: © Zentrales Medienarchiv Wikimedia Commons [1]

5.000.000.000.000.000 t (sprich: Fünftausend Billionen Tonnen) beträgt die Masse der Atmosphäre, würde man alle Moleküle des irdischen Luftraums auf eine Waage legen können. Diese Moleküle sind es auch, die in ihrer Verteilung dafür gesorgt haben, daß Leben überhaupt erst auf der Erde möglich ist.

Dabei ist nicht nur der gasförmige Sauerstoff (O2) gemeint, der zum Atmen benötigt wird. Auch Ozon (ebenfalls Sauerstoff, aber als Dreifachverbindung (O3)), das die schädlichen kosmischen bzw. UV-Strahlen abhält, und das heute vielfach so verteufelte Kohlenstoffdioxid (CO2) mit seinen wärmeisolierenden Eigenschaften sorgen dafür, daß Leben bei relativ gleichbleibenden Temperaturen gedeihen und existieren kann. Dabei machen die sogenannten Treibhausgase, neben CO2 spielen auch noch Wasserdampf und Methan eine Rolle, insgesamt weniger als ein Tausendstel der gesamten Atmosphäremasse aus. Und doch reicht der seit dem vorindustriellen Zeitalter gemessene Anstieg durch die vom Menschen erzeugten Abgase (Emissionen) aus Industrie, Heizung und Verkehr völlig aus, daß sich bereits eine beängstigende Erwärmungstendenz weltweit abzeichnet, die kaum noch ignoriert werden kann. Während aber Treibhausgaseffekt und globale Erwärmung bereits von der Öffentlichkeit wahrgenommen und ihre potentielle Gefahr wie ihre mögliche Abwendung kontrovers diskutiert werden, dringen weitere mögliche Risiken für Klima und Umwelt, die ebenfalls durch Aerosoleinträge mit oder ohne menschliches Dazutun in die Atmosphäre gelangen, selten bis ins öffentliche Bewußtsein vor.

Obwohl auch die Fragen und Vorstellungen, die in der 2. Session der Hamburger Klimakonferenz auf der Tagesordnung standen, eigentlich jedem, der die Veränderungen in seiner Umwelt und die politischen Konfliktherde auf der Welt kritisch mitverfolgt, wortwörtlich auf der Haut oder unter den Nägel brennen müßten und Filmemachern besten Stoff für endzeitliche Horrorvisionen liefern, rufen sie bisher selten Umweltaktivisten auf den Plan. Denn hier ging es "nur" um die Auswirkungen von gewaltigen Rauchwolken (Aerosolen), die das erhitzte Klima in diesem Fall sogar abkühlen könnten ...

Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden von der massiv vertretenen Fachkompetenz ad hoc ins Kreuzfeuer der Kritik genommen und auch den studentischen Beobachtern, den sogenannten Rapporteurs, die im Anschluß an die Tagung ihre Eindrücke wiedergaben, entging nicht der hypothetische Charakter der einzelnen ausschließlich simulationsgestützten Arbeiten. Oft schien nur eine winzige Variable, ein neu bedachter Parameter oder ein vergessenes oder zusätzlich entdecktes Detail in den Ausgangsbedingungen auszureichen, um die beeindruckende Datensammlung vollständig umzuwerfen. Den versammelten hochkarätigen Wissenschaftlern war es jedoch ein langgehegtes Bedürfnis, die eigenen Erkenntnisse gemeinsam mit Kollegen anderer Fachrichtungen zu hinterfragen und mit einer Bestandsaufnahme des noch anstehenden Forschungsbedarfs im persönlichen Austausch zu beginnen, war ihnen allen offensichtlich nur zu klar, an welch seidenem Faden nicht nur die eigenen Prognosen und Argumente hängen, sondern auch schlußendlich die Zukunft unseres Planeten.

Denn wie hilflos und unzureichend auch immer die wissenschaftlichen Methoden noch sein mögen, und wie lückenhaft ihre Aussagen, die immer spürbarer in Erscheinung tretenden Tendenzen im Klimageschehen mit globaler Erderwärmung, Versauerung der Meere, zunehmenden Treibhausgasemissionen, drohenden nuklearen Konflikten u.a.m. lassen sich nicht einfach durch zusätzliche Parameter in den Simulationsprogrammen wegprognostizieren, auch wenn es technisch möglich wäre.

Daß sie sich durch die gleiche Methode - also durch Hinzufügen eines bisher wenig beachteten Parameters - auch in ihrem warnenden, prognostischen Charakter drastisch verstärken lassen, wurde gleich zu Beginn des zweiten Panels auf der Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" (Größere Aerosol-Ereignisse in der Atmosphäre) mit einem dramatischen Paukenschlag eines unter Klimaforschern schon fast klassischen Szenarios beispielhaft vorgeführt:


Katastrophale Ozonverluste als Folge eines regional begrenzten Nuklearkrieg - Krebs oder Kältetod

Prof. Dr. Michael Mills (University of Colorado) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Dr. Michael Mills (University of Colorado)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Das Modell ist schon länger bekannt, die neueren Daten könnten sofort von einem Hollywood Regisseur in die Rohfassung seiner Endzeit-Utopie integriert werden, denn vor dem Hintergrund des immer noch aktuellen Streits wäre die hier nur in hypothetischen Zahlen und Tabellen vorgetragene Vision denkbar: Nach Wochen der Eskalation im wieder aufflammenden Kaschmir-Konflikt und unfruchtbaren Vermittlungsversuchen des UN-Sicherheitsrates überqueren indische Panzertruppen die Grenze nach Pakistan. Der durch bürgerkriegsähnliche Zustände geschwächten pakistanischen Armee droht die totale Niederlage. In einer Panikreaktion greifen die Machthaber zum ultimativen Gegenschlag. Ein atomarer Raketenangriff löscht die westindische Millionenstadt Mumbai aus. Die Inder drücken umgehend selbst auf den "roten" Knopf. In weniger als einem Augenblick haben sich beide Länder gegenseitig und ihre jeweiligen Großstädte in Schutt und Asche gelegt - radioaktiv verseucht.

Was darüber hinaus passieren könnte, wenn sich eine solche Horrorvorstellung, wie sie der amerikanische Atmosphärenforscher Michael Mills in seinem Vortrag mit simulierten Daten unterlegte, einmal bewahrheiten würde, stützt sich auf eine von ihm und Kollegen schon vor drei Jahren in PNAS veröffentlichte Forschungsarbeit, die, angesichts der langsamen Verbreitung solcher neuen Erkenntnisse, immer noch im Sinne des Wortes brandaktuell ist. Von tatsächlich 10 bis 15 Jahren Vermittlungsdauer, bevor neue wissenschaftliche Erkenntnisse auch von Politikern wahrgenommen werden, war hier die Rede, und man nahm sich gewissermaßen als sekundäres Ziel dieser Konferenz vor, das zu ändern.

Das Hauptaugenmerk von Mills und weiteren engagierten Atmosphären- und Friedensforschern, darunter auch Owen Brian Toon, der ebenfalls an dieser Klimakonferenz teilnahm (siehe auch Schattenblick -> Infopool -> Umwelt -> Report: INTERVIEW/003: Klima, Aerosole - Brian Toon, Atmosphären- und Meeresforscher (SB)), gilt den globalen Auswirkungen eines solchen wahnwitzigen Waffengangs durch die Beeinflussung der Erdatmosphäre. Abgesehen von der Verbreitung radioaktiver Nuklide würden brennende Megastädte riesige Schadstoff- und Rußmengen freisetzen und verhängnisvolle chemische Kettenreaktionen für Umwelt und Atmosphäre auslösen, mit höchst dramatischen Konsequenzen für den Rest der Welt.

Auch für diese erweiterte Studie fütterten die Forscher ein computerbasiertes Klimasimulationsmodell mit den Eckdaten eines möglichen Atomkriegs zwischen Indien und Pakistan, bei dem beide Staaten ihr gesamtes Arsenal einsetzen. Dieses umfaßt auf jeder Seite etwa 50 Sprengköpfe von der Größe der Hiroshima-Bombe, die eine Sprengkraft von etwa 13 bis 15 Kilotonnen des konventionellen Sprengstoffs TNT besaß. Explodieren solche Bomben in den Hauptstädten des jeweiligen Gegners (insgesamt also 100 Sprengköpfe in einem begrenzten Bereich), sorgen unkontrollierbare riesige Feuersbrünste zunächst dafür, daß der von ihnen erzeugte starke Aufwind etwa fünf Millionen Tonnen Ruß bis zu 80 Kilometer hoch in die Stratosphäre reißt. Die dunklen Rußpartikel (oder "Black carbon particles", Hauptakteure vieler Konferenzbeiträge) absorbieren dort das Sonnenlicht, erwärmen sich dabei und heizen die Luft in ihrer Umgebung auf, während die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche um bis zu 15 Watt pro Quadratmeter gemindert wird. Eine globale Abkühlung um durchschnittlich 1,25 Grad Celsius wäre das Ergebnis. In Europa würde die Temperatur sogar um einige Grad sinken, es gäbe gleich mehrere "Jahre ohne Sommer". Ganze Ernten könnten ausfallen.

Die freigesetzte Energie jedoch, die ungewohnte Erhitzung der Stratosphäre (um 30 bis 60 Grad Celsius im ersten Jahr nach dem Krieg) und die damit verbundenen Gasumwälzungen würden gleichzeitig - und das geht über frühere Theorien hinaus - eine Reihe chemischer Reaktionen in Gang setzen, die letztendlich große Mengen an Stickoxiden hervorbringen. Daneben werden sowohl direkt an der Oberfläche der Rußpartikel, die in diesem Fall als Katalysatoren wirken, aber auch durch die sekundär erzeugten Stickoxide Ozonmoleküle gespalten, die bekanntlich in hoher Konzentration in der Stratosphäre vorliegen. Im Gegensatz zum unerwünschten bodennahen Ozon spannt sich die Ozonschicht wie ein Schutzschild um die Erde und filtert die für Organismen schädliche ultraviolette Strahlung aus dem Sonnenlicht.

Mills Powerpoint-Statistiken prognostizieren den Rückgang der Ozonkonzentration in mittleren Breiten von 30 bis zu 40 Prozent, was gravierende Folgen für die menschliche Gesundheit (ansteigende Krebsstatistiken, Zunahme von Grauem Star), aber auch für terrestrische und Meeres-Ökosysteme haben würde (insbesondere sind UV-empfindliche Meerestiere wie Krabben und Fische, aber auch Phytoplankton oder Amphibien in Südwasserbiotopen betroffen). Auch viele Pflanzen müßten darunter leiden. In den nördlichen Polargebieten würde die Ozonschicht sogar um bis zu 70 Prozent schrumpfen. Diese Situation würde laut Mills mindestens dreieinhalb bis fünf Jahre andauern. Auch in den darauf folgenden fünf Jahren wäre noch mit weiteren erheblichen Ozonverlusten zu rechnen, erst dann könnten die Selbsterneuerungsprozesse der Atmosphäre wieder greifen, d.h. Sonnenlicht würde Sauerstoff (O2) spalten, der sich mit ungespaltenem Sauerstoff zu Ozon (O3) zusammensetzt.

Tatsächlich ist diese Prognose noch deutlich ungünstiger als bei früheren, in den 70er und 80er Jahren diskutierten Studien, in denen das Schreckensbild des "nuklearen Winters" Abrüstungsinitiativen ins Leben rief. Damals war nur vom Abdeckungseffekt großflächiger Brände die Rede, deren Ruß- und Staubpartikel in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangen und dort über Wochen oder Monate das Sonnenlicht absorbieren und die Erdoberfläche verdunkeln würden.

Einer der ersten, der medienwirksam vor einem nuklearen Winter warnte und auf der aktuellen Konferenz häufig zitiert wurde, ist der deutsch-niederländische Nobelpreisträger für Chemie, Paul Crutzen. In einer Analyse von 1983 kam er zu dem Ergebnis, daß die globale Durchschnittstemperatur zeitweilig um bis zu 20 Grad Celsius absinken könnte. Dies würde zu gravierenden Ernteausfällen führen. Im schlimmsten Fall droht großen Teilen der Menschheit der Kälte- und Hungertod.

Die Auswirkungen der riesigen Ozonlöcher wie sie Mills prognostiziert - wenn er sich nicht doch noch verrechnet hat - wären darüber hinaus ungeheuerlich. Es könne zum Aussterben diverser Arten und dem Zusammenbruch ganzer Ökosysteme allein durch UV-Strahlenschäden kommen, warnte der Atmosphärenwissenschaftler in seinem Bericht. Auch die Landwirtschaft müsse schwerste Einbrüche verzeichnen. Kurz, auch ein kleiner, begrenzter Atomkrieg würde die gesamte Welt verändern. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen, dem dieses Thema dann nicht mehr nur sprichwörtlich unter die Haut ginge, sondern dessen Überleben in einem solchen Realität gewordenen Szenario durchaus auf dem Spiel stünde, sollte, ganz gleich in welcher Funktion auch immer, dafür Sorge tragen, daß so etwas nie passiert und alles tun, um die weitere Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen bzw. bereits schwelende Konflikte direkt anzugehen und zu lösen! Für diese Einsicht scheint kein Szenario drastisch genug, selbst wenn es sich um simulationsgebeugte Wahrheit handelt.

Nicht erwähnt wurde allerdings, daß Ruß - als das eigentlich ausschlaggebende Agens - in durchaus relevanten Mengen auch auf andere Weise in die Stratosphäre gelangen kann. Am 25. Oktober 2010 warnte ebenfalls Mills, wie u.a. Spiegel Online berichtete [2], vor den Folgen des Weltraumtourismus und bezeichnete das "SpaceShipTwo" als Rußschleuder. "SpaceShipTwo" nutzt zum Antrieb feste, gummiartige Kohlenwasserstoffe. Als Sauerstofflieferant (Oxidator) in der dünnen Atmosphäre dient Lachgas (N2O). Ruß besteht aus reinem Kohlenstoff und entsteht als unerwünschtes Nebenprodukt in allen Verbrennungsmotoren. Auch dieser Ruß würde sich entsprechend des bereits vorgestellten Modells in etwa 40 Kilometern Höhe in der Atmosphäre ansammeln, dort Jahre verbleiben und Sonnenlicht absorbieren. 'Selbst geringe Mengen hätten', so wurde Mills zitiert, 'eine Auswirkung auf das Klima'. Vor diesem Hintergrund sind alle Einträge von Ruß in die obere Atmosphäre sowohl als Gefahr für die Ozonschicht, wie auch als potentielle Reflektoren von elektromagnetischen Wellen, d.h. auch Sonnenwärme, zu verstehen.


Auch große Teilchen machen Staub

Prof. Alexander Ginzburg (A.M. Obukhov Institute) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Alexander Ginzburg (A.M. Obukhov Institute)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Der russische Atmosphärenphysiker Professor Alexander Ginzburg (A.M. Obukhov Institute), einer der führenden Autoren von "Sigma Xi", dem UN Forschungsbericht von Wissenschaftsexperten zum Klimawandel und Nachhaltiger Entwicklung, erwähnte neben der nuklearen Katastrophe und schweren Vulkanausbrüchen beiläufig noch einen bis dahin unerwähnten Auslöser für eine potentielle Klimakatastrophe, den durch Asteoriden ausgelösten Winter. Denn Asteroiden sind zwar keine Schwebeteilchen oder Aerosole im eigentlichen Sinne, dazu sind sie viel zu groß; ihr Verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre kann jedoch gewaltige Mengen an Staub und Ruß freisetzen. Über eine solche potentielle Bedrohung, die durch den Asteroiden Apophis wieder einmal ins Gespräch gekommen ist, obwohl dieser nach dem Berechnungsstand von 2009 die Erde am 13. April 2029 in einer Entfernung von etwa 30.000 Kilometern passieren wird (wenn die Zahlen stimmen und er nicht aus seiner eingeschlagenen Bahn kommt) und über mögliche spektakuläre Maßnahmen, solche Bedrohungen abzuwenden, sprach der Schattenblick noch mit Prof. Dr. Grassl, einem weiteren Referenten im letzten Panel der Konferenz. Ginzburg, der ebenfalls einige grundlegende Arbeiten zum Klimawandel verfaßt hat, plauderte in der ihm zugemessenen recht kurzen Zeit von einer Viertelstunde über die Vulkanaktivitäten, die Hitzewelle und Feuersbrünste, von denen der Sommer 2010 im allgemeinen, aber Rußland und Moskau im besonderen, heimgesucht wurde und die sämtlich schwerwiegende Aerosolereignisse für die Atmosphäre mit sich brachten. Er machte darauf aufmerksam, daß nicht allein die Hitze maßgeblich für die Gesundheit der Menschen sei, sondern auch Feinstaubanteile an sich, Kohlenmonoxid und Kohlendioxidkonzentrationen als wichtige Variablen zur Kenntnis genommen werden müssen, die in Extremsituationen einen starken Einfluß auf die menschliche Gesundheit nehmen.


Alter Staub oder weitere umweltrelevante Folgen von Aerosoleinträgen

Prof. Stephen Self (The Open University) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Stephen Self (The Open University)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Eher historische Verbrennungsreste wie Ruß, aber vor allem "vorzeitliche bis antike" Schwefel- bzw. sulfathaltige Schwebstoffteilchen und ihre Relevanz für die heutige Klimaforschung waren das Thema weiterer Vorträge dieses Panels. So sprach Prof. Dr. Stephen Self (The Open University) über "Globale Auswirkungen des Vulkanismus", wobei er die bereits vor wenigen Jahren populärwissenschaftlich als "Supereruptionen" bezeichneten großen Vulkanausbrüche (von Magnituden 6 bis 7) ins Fadenkreuz seiner Betrachtungen nahm. Dr. Claudia Timmreck (Max Planck Institut für Meteorologie) hingegen konzentrierte ihr Augenmerk vor allem auf die "Klimafolgen einer frühen Toba Tuff Eruption", eines vermutlich ebenfalls als "Supereruption" zu klassifizierenden Ausbruchs, der schon vor 74.000 Jahren stattgefunden haben soll und von den Wissenschaftlern bisher mit dem "Beinahe-Aussterben" des modernen Menschen in Verbindung gebracht wird. Während sich Doreen Metzner (Leibnitz Institute of Marine Science IFM-GEOMAR) speziell auf die Klimafolgen für die Südhalbkugel der Erde am Beispiel des Los Chocoyos (Guatemala) konzentrierte, der vor 84.000 Jahren die letzte große Eruption der Stärke 7 (nach dem u.a. von Stephen Self eingeführten VEI - Vulcanic Explosivity Index umgangssprachlich eine Supereruption) ausspie und damit mit dem Toba-Ausbruch und seinen Folgen vergleichbar ist.

In allen Vorträgen ging es u.a. darum, inwieweit sich die aus Ablagerungen früherer Vulkanausbrüche ermittelten Daten oder historischen Aufzeichnungen (soweit vorhanden) zu klimarelevanten Vorhersagen künftiger Eruptionen verwenden lassen.

Große Vulkaneruptionen - das Thema von Prof. Self - wurden schon immer mit Klima- und Witterungsanomalien in Verbindung gebracht. Die Auswirkung besonders starker Vulkaneruptionen auf das Klima ist laut Self vor allem den Schwefel- und Schwefeldioxid-Teilchen zuzuschreiben. Heftige Vulkanausbrüche, die seiner Meinung nach auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden könnten, führen zu einem Anstieg des Schwefelsäureaerosols in der unteren Stratosphäre um eine bis zwei Größenordnungen. Dieses Schwefelsäureaerosol (winzige Tröpfchen) wird durch die Oxidation magmatischer schwefelhaltiger Gase (vor allem Schwefeldioxid (SO2) und Schwefelwasserstoff (H2S)) nach ihrem Transport in die Stratosphäre gebildet und könnte ganz besonders intensiv mit der Strahlung wechselwirken, indem es sichtbares Licht teilweise zurückstreut und im nahen Infrarot sowie langwelligen Bereichen des Spektrums Strahlung absorbiert. Wolken aus Säuretröpfchen legen sich schließlich wie ein Sonnenschirm um den Globus. Die Temperaturen fallen für Jahre um durchschnittlich vier Grad ab. Auf der Nordhalbkugel sei gar eine Abkühlung von bis zu zehn Grad möglich. Grundlage dieses Szenarios, das man ebenfalls in einem Hollywoodstreifen erwarten könnte, sind Computersimulationen des renommierten Hadley Centers. Dessen Klimamodelle speisen sich aus Daten über die Eruption des Pinatubo auf den Philippinen 1991, als die Temperaturen im folgenden Jahr weltweit um durchschnittlich ein halbes Grad gefallen waren. Die Frage, ob sich diese Daten ohne weitere Konsequenzen beliebig herauf- und herunterextrapolieren lassen, bleibt dahingestellt, da sich keine besseren aus der Vergangenheit ermitteln lassen.


Wann könnte so ein Horrorszenario Wirklichkeit werden?

Prof. Stephen Self (The Open University) beantwortet Fragen aus dem engagierten Auditorium - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Stephen Self (The Open University) beantwortet Fragen aus dem engagierten Auditorium
Foto: © 2011 by Schattenblick

Diese Frage würde vor allem die Medien oder den bereits erwähnten Filmemacher interessieren, meinte Stephen Self in seinem Vortrag, und gab sich ambivalent. Aus der Häufigkeit der Eruptionen in der Vergangenheit leiten die Forscher das Risiko für den Ausbruch eines Supervulkans in diesem Jahrhundert mit 1 zu 6 ab. Ein Gigant wie der Toba explodiere aber nur alle 500.000 Jahre, beruhigen die Wissenschaftler die Öffentlichkeit. Doch wie zuverlässig ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die sich auf Daten gründet, die aus Computersimulationen stammen, letztlich also nur die in Programmen verankerten menschlichen Vorstellungen wiedergeben können?

Was die Zuverlässigkeit und Vorhersagbarkeit von Vulkanausbrüchen angeht, so gibt Japan, das laut Self eine ausgesprochen vorbildliche, genaue Dokumentation aller seismologischen und vulkanischen Aktivitäten führt, an, daß 40 Prozent der nachweislich stattgefundenen Vulkanausbrüche gar nicht erfaßt werden konnten.

Gegen Ende seines Vortrags projizierte Self das Bild einer der jüngsten, weniger gravierenden Eruptionen am 9. Juni 2011, dem Puyehue in den südchilenischen Anden, der "nur" eine Rauchsäule von 15 km hervorbrachte. Die Natur ist eben doch unberechenbar. Supervulkane sind unwahrscheinlich, sollten aber dennoch lieber weiter untersucht und überwacht werden, war das uneindeutige Fazit. Zudem gelte es, Katastrophenpläne zu erstellen, um im Notfall auf Millionen Flüchtlinge und Nahrungsknappheit vorbereitet zu sein. Bei allen Zweifeln an modernen Computersimulationen scheint zumindest doch die Zusammenstellung historischer, existentiell bedeutender Fakten von früheren Beobachtungen, beispielsweise nach dem Ausbruch des Tambora 1816, die Stephen Self in einer seiner letzten Powerpoint-Projektionen zeigte, doch unbezweifelbar zu sein. Unter einem Szenenbild von J.M.W. Turner von 1828 wurde sie angeführt:

- England: London 5 bis 8 Grad kälter, Ernterückgang um ein Drittel, 100.000 Tote durch Erfrierungen
- Irland: Hungersnöte und Typhusepidemie
- Frankreich: Nahrungsknappheit zieht sogenannte "Brotaufstände", Hungerunruhen nach sich
- Schweiz: Nahrungsknappheit - Katzen werden gegessen
- Ein "Jahr ohne Sommer" im nordöstlichen Nordamerika, der die große Expansion in die Weststaaten hervorbrachte
- "Die letzte große Existenzkrise der westlichen Industriegesellschaft" (Post 1985)

Hunger und Not brauchen keine wissenschaftlichen Fakten, die ihre Ursache bestätigen. Dennoch gibt es immer wieder Ansätze, die die offensichtlichen potentiellen Gefahren von vornherein zu beschwichtigen suchen ...


Alles halb so wild...?

Dr. Claudia Timmreck (Max-Planck-Institut für Meteorologie) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Dr. Claudia Timmreck (Max-Planck-Institut für Meteorologie)
Foto: © 2011 by Schattenblick

In der jüngsten Studie zu diesem Thema von Dr. Timmreck zeigte sich dann auch, daß das gleiche historische Ausgangsmaterial unter "kolloidchemischen" Aspekten betrachtet mit leichten Anpassungen im Simulationsprogramm vom Computer wie von Wissenschaftlern völlig anders interpretiert werden kann. Eine besonders große Konzentration, ergo eine größere Teilchendichte von Sulfat in der Atmosphäre, soll im kritischen Blickwinkel ihrer Betrachtung früherer Ansätze zu mehr Zusammenstößen (Teilchenkollisionen) und damit zu Zusammenballungen (Koagulationen) von Teilchen führen und damit zu immer größeren Teilchenverbänden, die dann schlicht zu schwer werden, um sich im Schwebezustand zu halten. Der Atmosphärenchemiker sagt dann, "sie fallen aus" und das sehr viel schneller als in früheren Simulationen und Berechnungen. Entsprechend müßte man die herkömmlichen Analysen zum klimakühlenden Einfluß dieses speziellen Ausbruchs revidieren. Die These, daß die meisten Lebewesen nach der Toba-Eruption vom Aussterben bedroht waren, ließe sich ebenfalls nicht mehr halten.

Klimasimulationen zum Tobaausbruch, die zur Antwort auf die Frage "Was geschieht, wenn dieser Gigant erneut erwacht?" herangezogen werden, stellen hiernach im Bezug auf das Klimageschehen nur geringfügige thermische Unannehmlichkeiten, aber kein ernsthaftes Problem dar. Doch wer vermag schon alle wichtigen Ausgangsbedingungen vor 74.000 Jahren genau abzuschätzen. Das räumen auch die beteiligten Wissenschaftler ein, glauben aber, daß ihre Hauptunsicherheit nur den Schätzwert einer solchen Schwefelinjektion in die Troposphäre beträfen, was - für die Teilnehmer offenbar logisch - bei eventueller Korrektur nur einen noch geringeren Wärmeeffekt nach sich ziehen würde. Daß darüber hinaus aber weitere umweltrelevante Faktoren, beispielsweise Änderungen in der Vegetation, doch noch eine wesentliche Rolle beim Überleben des modernen Menschen spielen könnten, räumte die Wissenschaftlerin ein.

Da sich hier schon während des Vortrags von Dr. Timmreck naturgemäß ein spannender wissenschaftlicher Disput mit der versammelten Fachkompetenz im Publikum, besonders aber mit Prof. Stanley H. Ambrose, ergab, gehen wir in einem weiteren Bericht noch genauer auf dieses Thema ein.


... oder gar unerwartete Schützenhilfe zur Rettung des Klimas?

Doreen Metzner (Leibniz Institute for Marine Sciences) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Doreen Metzner (Leibniz Institute for Marine Sciences)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Doreen Metzner brachte bei der Betrachtung von Vulkanausbrüchen auf der Südlichen Hemisphäre "Southern Hemisphere Climate response to the extremely large Vulcanic eruption of Los Chokoyos" einige weitere Parameter ins Simulationsspiel wie den Einfluß klimatischer Veränderungen auf die CO2-Aufnahmekapazität des Meeres, indirekt ein weiterer Klimafaktor. Wird die Meeresoberfläche nämlich durch Vulkanaktivitäten abgekühlt, wofür ihre Forschungsgruppe deutliche, aber eben computergenerierte Hinweise aufbrachte, dann erhöht sich die Löslichkeit von CO2 im Wasser. Kommen zusätzliche Oberflächenaktivitäten wie Winde hinzu, könnte somit mehr CO2 aus der Atmosphäre auf natürliche Weise ins Meer eingearbeitet werden, was den Treibhausgaseffekt des CO2 in der Atmosphäre entsprechend verringern und somit neben den erwarteten Effekten einer 6 bis 7 Jahre andauernden Kälteperiode und der Abnahme der durchschnittlichen Niederschlagsmenge für 4 bis 5 Jahre den Vertretern des Geoengineering für ihre speziellen Thesen weitere Argumente liefern würde. An den Reaktionen des Auditoriums konnte man ablesen, daß sich auch die Experten über die Stichhaltigkeit dieses wissenschaftlichen Beweismaterials noch lange nicht einig sein werden.


Nomen est Omen

Professor Alan Robock (Rutgers University) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Professor Alan Robock (Rutgers University)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Der auf dieser Tagung vielzitierte Umweltwissenschaftler und Friedensforscher Professor Alan Robock, dessen Arbeiten für viele Wissenschaftler in diesem Themenkomplex grundlegend sind, brachte in seiner halbstündigen Präsentation eindrücklich die trotz offiziell beendetem nuklearen Wettrüstens aktuell immer noch auf der Welt vorhandene Zerstörungsgewalt ins Bild. Allein ein kleiner Teil des verbliebenen Waffenarsenals, weniger als ein Prozent, könne alle früheren Prognosen für einen nuklearen Winter in den Schatten stellen.

"Viele, die den nuklearen Winter als Konzept akzeptieren, denken, dass dieses Szenario nur auf einen Massenkonflikt zutrifft, in einem Maßstab, wie er in der modernen Welt nicht länger denkbar ist", erklärt Robock. "Aber das ist falsch." Andere hielten die Theorie schlicht für längst widerlegt, so der Forscher weiter. Doch daß ein Atomkrieg eine Abkühlung der Temperaturen mit sich bringen kann, sei unter Klimaforschern nicht umstritten. Die Meinungen gingen nur darüber auseinander, wie stark und global gleichmäßig dieser "Winter" wäre.

Neben den bekannten Atomwaffen besitzenden Staaten wie Rußland, USA, Frankreich, China, Großbritannien, Israel, Indien, Pakistan und Nord Korea, haben mindestens 32 weitere Staaten den nötigen technischen Verstand und ausreichend kernwaffenfähiges Material, um weltweit noch 100.000 Nuklearwaffen zu konstruieren. Laut Robock, der in seine aufschlußreiche Aufstellung auch jene 6.500 Sprengköpfe der USA und Rußland miteinbezieht, die noch nicht abgerüstet sind, gewöhnlich aber schon nicht mehr mitgezählt werden, weil sie bereits ausgemustert sind, steht auf der ganzen Welt eine Zerstörungsgewalt (konventioneller und Nuklearwaffen) von 15.000 MT (1MT = eine Megatonne = Explosivkraft von einer Millionen Tonnen TNT). Im 2. Weltkrieg kamen hingegen nur zwei bis drei MT zum Einsatz (einschließlich die in Hiroshima und Nagasaki eingesetzten Atombomben). Ein weiterer eindrücklicher Vergleich betraf die Sprengkraft heutiger Nuklearwaffen im Vergleich zu den in Hiroshima und Nagasaki eingesetzten. Laut Robock hätte man seit Ende des 2. Weltkriegs bis 1993 jede Stunde eine Hiroshimabombe explodieren lassen müssen, um das heute bestehende weltweite Nuklearwaffenarsenal aufzubrauchen. Genug, um die Erde von den Menschen zu befreien, die diese Technologie erdacht haben.

Robock schloß mit seinem Übergang, was das in Bezug auf das Klima bedeuten könnte, nahtlos an die Ausführungen von Prof. Michael Mills am Vortag an. Er beschränkte sich jedoch nicht nur auf das Klima und die Ozonschicht, sondern ergänzte das zuvor beschriebene Horrorszenario noch um einige Fakten: Millionen von Toten, Radioaktivität und Großbrände, die radioaktive Nuklide über den Luftraum verbreiten, extreme Folgen und Verluste für die Landwirtschaft für einige Jahrzehnte. Selbst wenn man die Wirkung der Schwefelsäureaerosole auf das Klima durch Koagulation relativieren oder vernachlässigen könnte, ist laut Robock der Rußeintrag von 100 atomaren Sprengköpfen von der Stärke einer Hiroshimabombe (nur 0,03 Prozent des weltweiten Nuklearwaffenarsenals also) groß genug, um die Erde auf Jahre abzukühlen. Die Detonation würde 5 Tg Ruß (= Terragramm = Billionen Gramm = Milliarden Kilogramm) in die Troposphäre eintragen, durch die Sonnenwärme bis in die Stratosphäre transportieren und dort wie ein "Sonnenschirm" die Sonneneinstrahlung vermindern. Die globalen Konsequenzen für die nächsten 10 Jahre reichen von Hungersnöten bis zum vollständigen Zusammenbruch der Wirtschaft. Der bereits in den 1980er an der Erforschung des nuklearen Winters beteiligte Wissenschaftler hat jetzt erneut gemeinsam mit Kollegen die möglichen Klimawirkungen von Atomexplosionen analysiert - diesmal mit Hilfe der aktuellen, weitaus umfassenderen und genaueren Klimamodelle. Die neuen Berechnungen zeigen, dass auch schon ein lokaler, mit Atomwaffen ausgetragener Konflikt schwerwiegende Klimafolgen haben kann. "Wir Wissenschaftler müssen fortfahren, unsere Ergebnisse in die Öffentlichkeit und vor die Politiker zu bringen, damit diese dann wiederum die politische Stimmung in Richtung auf eine weitere Abrüstung drehen können", so Robocks Schlußappell. Nur eine komplette Abrüstung "global zero" könne die potentielle Gefahr einer nuklearen Umweltkatastrophe noch verhindern.


Vom Menschen manipulierte Naturkatastrophen

Nun scheint die Frage, ob menschliche Aktivitäten das Klima negativ wie positiv beeinflussen können, inzwischen längst keine mehr zu sein. Die Folgen der anthropogenen Nutzung fossiler Brennstoffe, die zunehmende Verdampfung von Wasser und andere durch menschliche Aktivitäten vermehrte Treibhausgase wurden u.a. im letzten IPCC-Bericht zusammengefaßt und sprechen für sich. Dennoch tragen auch zusätzliche natürliche Ursachen von Klimaänderungen wie Vulkanausbrüche, Variationen der Sonnenaktivität oder inhärente Schwankungen in Klimasystem zum Geschehen bei.

Prof. Hans F. Graf schrieb in einem Beitrag von 2002 auf der Webseite der Max-Planck-Gesellschaft für das Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW), "Klimaänderungen durch Vulkane", daß 'der dekadische gemittelte Strahlungsantrieb durch explosive Vulkanausbrüche etwa der Größenordnung anthropogener Effekte entspreche'. Weiter hieß es:

In den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts scheint die vulkanische Aktivität zunehmend stärker geworden zu sein und entsprechend mehr vulkanische Gase sind der Atmosphäre zugeführt worden.
(Max Planck Institute 2002, Prof. Hans F. Graf)

Die sich geradezu aufdrängende Frage, ob diese Entwicklung möglicherweise ebenfalls auf anthropogene Ursachen zurückgeführt werden könnte, sei es durch zunehmende geoökonomische Großprojekte wie dem Raubbau an Bodenschätzen und Erdöl oder andere bezogen auf den Weltenball geringfügige menschliche Aktivitäten wurde von keinem der Konferenzteilnehmer zur Sprache gebracht. Zu sehr war man mit den unterschiedlichen Auffassungen über kleine Details und große Phänomene beschäftigt, als daß man auch einen kausalen Anteil des Menschen an vermeintlich "naturbedingten" Aerosolereignissen diskutiert hätte. Dabei wurde der Gedanke teilweise schon von Teilnehmern der Konferenz wie Prof. Hans F. Graf geäußert. Sein Beitrag zu "Klimaänderungen durch Vulkane" auf der Webseite der Max Planck Gesellschaft endet mit den Worten:

Nachgewiesen ist der Einfluss des Menschen auf die Wirkung von Vulkanaerosol hinsichtlich des stratosphärischen Ozons. Erst nachdem mit dem Freisetzen von FCKWs ein Chlorreservoir in der Stratosphäre geschaffen wurde, wirkt das Schwefelsäureaerosol ozonabbauend. Die menschengemachte Ozonvernichtung durch vulkanisches Aerosol wirkt auch der Aufheizung der Aerosolschicht entgegen und dämpft damit die dynamischen Auswirkungen von Vulkanaerosol auf die stratosphärische und troposphärische Zirkulation.
(Webseite, Max Planck Institute, Prof. Hans F. Graf)

Offenbar hat also selbst bei der Eskalation mancher Bedrohungen, die gemeinhin als Naturgewalten für unvermeidbar gehalten wurden, der Mensch - wenn auch unbewußt - immer schon seine Hand im Spiel gehabt.


... und die Manipulation der Manipulation?

Dr. Hauke Schmidt (Max Planck Institute for Meteorology) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Dr. Hauke Schmidt (Max Planck Institute for Meteorology)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Vor diesem Hintergrund sollte man eine auf dieser Tagung ebenfalls mehrmals angesprochene Lösung zur Rettung des Klimas, die manche Forscher als Alternative sehen, falls die Bemühungen den Eintrag der Treibhausgase durch Verzicht zu reduzieren absehbar scheitern werden, doch mit großer Vorsicht betrachten. Hier ist die Rede von künstlichen Maßnahmen, also anthropogenen Eingriffen, die man unter Geo-Engineering oder Climate-Engineering zusammenfaßt. Dabei kristallisieren sich zwei Hauptstrategien für diese Technologien heraus: zum einen das "Carbon Dioxide Removal", die CDR-Technologie, die den CO2-Anstieg in der Atmosphäre durch künstliche Rückgewinnung des Kohlendioxids und dann auch durch die Verstärkung natürlicher Prozesse, die CO2 aufnehmen und speichern, reduzieren will.

Im Panel II der Konferenz zu gravierenden Aerosoleinträgen wurde aber vor allem das "Solar Radiation Management" besprochen, die sogenannte SRM-Technologie, die darauf baut, die Sonneneinstrahlung auf der Erde zu reduzieren, um so einen Abkühlungseffekt zu erzielen. Zu diesem Thema sprach der Geoengineering-Experte Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der die möglichen Auswirkungen von Climate Engineering untersucht und hierfür mit dem IMPLICC Consortium und fünf Partnerinstituten in Frankreich, Großbritannien, Saudi Arabien und Norwegen zusammenarbeitet.

Der Atmosphärenwissenschaftler wertet im Rahmen eines Forschungsprojekts deutsche, französische und norwegische Klimamodelle aus, wobei die Erfahrungen mit den Folgen von Vulkanausbrüchen eine wesentliche Rolle spielen. Daraus versuchen die beteiligten Forscher sogenannte "robuste" Prognosen zu entwickeln. Diese faßte Dr. Schmidt wie folgt zusammen: Durch Reflexion der Sonneneinstrahlung, wird die Erde insgesamt trockener, die Niederschlagsmenge geht besonders über großen Kontinenten wie Nordamerika, Nordeurasien und Zentral Südamerika zurück. Die Meere würden stärker abgekühlt als die Landflächen. Darüber hinaus würde die Reduktion der Solarkonstanten nicht ausreichen, um allein gegen die Aufheizung durch den Treibhauseffekt anzukommen.

Obwohl diese Ergebnisse mit Absicht nur als "robuste" Aussagen, also relativ sicher, aber nicht wirklich gesichert, bezeichnet werden, und sich auf Daten aus der bereits beschriebenen Vulkanforschung gründen, die wiederum nur Simulationen, d.h. aus begrenzt aussagefähigen und zum größten Teil geschätzten Daten stammen, will das IMPLICC (kurz für: Implications and risks of engineering solar radiation to limit climate change) vor allem drei Strategien weiterverfolgen, um die konstante Sonneneinstrahlung abzuschwächen.

a) Weltraumreflektoren, die zwischen Erde und Sonne plaziert werden sollen;
b) Schwefel- bzw. Sulfataerosolinjektionen in die Stratophäre; und schließlich
c) Manipulation von niedrigen Wolken über dem Meer durch zusätzliches Einbringen von Salzen als Kondensationskeimen

Dr. Schmidt sprach in seinem Vortrag vor allem über die Möglichkeit der direkten Spiegelung, mit der es allerdings bisher noch keine praktischen Erfahrungen gibt.

Die ständige, gleichwohl banale Frage, die jeden Wissenschaftler antreibt, dem die Einschränkungen seiner technischen Analysemöglichkeiten bewußt sind, ist wohl: "Habe ich auch wirklich an alles gedacht?" Niemand kann 80.000 Jahre oder mehr in die Vergangenheit blicken und ebensowenig in die Zukunft, ohne von den gegenwärtigen Verhältnissen und den eigenen Erfahrungen auszugehen und zu abstrahieren. Diese Vorgehensweise ist naturgemäß anfällig für Auslassungen. Auch das und sicher das Bewußtsein über die Verantwortung für zukünftige Entscheidungen waren Beweggründe, in einem Kreis von Menschen, die ihre Augen nicht vor drohenden Gefahren für diese Welt verschließen, alle diese Fragen zunächst einmal gemeinsam zu stellen.

Technische Manipulationen versprechen auf der gleichen lückenhaften Basis schnelle und unkomplizierte Lösungen und Antworten auf die Klima- und Umweltprobleme dieser Welt. Mit ihrer Erforschung vermeidet man allerdings, sich mit der Beseitigung der eigentlichen Ursachen zu beschäftigen und weitere grundlegende Fragen zu stellen. Und das ist angesichts der u.a. im Panel II angesprochenen, geringfügigen Impulse oder Anstöße kleinster Teilchen, die ungewollt und unerforscht aus dem menschlichen Tun entspringen, dann aber doch ungeahnte Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen, möglicherweise sogar höchst kontraproduktiv.


Erläuterungen:

[1] Zur Veröffentlichung freigegeben unter folgender Angabe: This image was originally posted to Flickr by Reporter Free Lance at http://flickr.com/photos/60520657@N04/5815724662. It was reviewed on 20:16, 14 June 2011 (UTC) by the FlickreviewR robot and confirmed to be licensed under the terms of the cc-by-2.0.

[2] "Ruß in der Stratosphäre - Weltraumtourismus wird Klima verändern SpaceShipTwo: Rußschleuder in der Stratosphäre", Spiegel Online 25. Oktober 2010, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,72511

24. August 2011