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RESSOURCEN/229: Fracking - Wirtschaftsinteressen stechen ... (SB)



Auf der Umweltversammlung der Vereinten Nationen haben nahezu alle Teilnehmerstaaten für eine internationale Konvention zur Begrenzung des Plastikmülls in den Meeren gestimmt. Gescheitert ist es am Nein der USA und ein paar anderer Staaten. Hintergrund: Die USA fördern große Mengen Erdgas mittels Fracking, und da das Erdgas als Energieträger auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig ist, haben sie eine umfangreiche Industrie aufgebaut, die aus dem Erdgas Plastikrohstoffe fertigt. Irgendwelche Einschränkungen der Produktion von Plastikpellets oder ihres Verbrauchs wäre schlecht fürs Geschäft. Daß Plastikmüll Mensch und Tier gesundheitlich schädigt, kümmert weder die "America First!"-Administration noch die Lobbyisten der Plastikindustrie.

Auf der 4. Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA 4) vom 11. bis 15. März 2019 haben die Delegationen zahlreiche globale Umweltfragen durchdekliniert, Vereinbarungen getroffen und Perspektiven entfaltet. Obschon mehrere Länder (Indien) bzw. Ländergruppen (Norwegen, Japan, Sri Lanka) Resolutionen zur Begrenzung des Plastikaufkommens in den Meeren eingebracht haben, kam kein entsprechendes Abkommen zustande. Den Vorschlägen zufolge sollte die Verwendung von Plastik auf den verschiedenen Stufen der Produktionskette reglementiert werden, berichtete die Internetseite Break Free From Plastic. [1]

Der Widerstand der Vereinigten Staaten gegen ein solches Abkommen hat damit zu tun, daß die petrochemische Industrie des Landes über 200 Milliarden Dollar investiert hat, um die Plastikproduktion weiter auszubauen. Das ist keine Politik, die erst mit der Trump-Regierung angefangen hätte, sondern ein strategisch langfristiges Projekt, das allerdings unter der jetzigen Regierung besonders rücksichtslos vorangetrieben wird.

Die USA haben das im vergangenen Jahrzehnt ausgewiesene Ziel, sich von der Erdöl- und Erdgaseinfuhr unabhängig zu machen, was sich hauptsächlich gegen die Golfstaaten gerichtet hat, erreicht. Mittels der Methode des Frackings, bei der unkonventionelle Lagerstätten, bildlich gesprochen, "ausgequetscht" werden, stiegen die USA sogar zum größten Erdölproduzenten der Welt auf. Dabei haben sie Rußland und Saudi-Arabien, bei denen die Vorkommen in konventionellen Lagerstätten vorliegen, die viel einfacher und kostengünstiger auszubeuten sind, da die Energieträger dort nicht in winzigen Poren und Spalten, sondern als relativ geschlossene Blase vorkommen, hinter sich gelassen.

Der Verhandlungsprozeß einer vor zwei Jahren bei UNEA-3 gegründeten Expertengruppe zum Thema Plastikmüll wird fortgesetzt. Doch bis zur nächsten Generalversammlung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ziehen zwei weitere Jahre ins Land, ehe die nächste Chance besteht, eine UN-Konvention gegen die Plastikvermüllung der Meere durchzusetzen. Dennoch zeigen sich manche Experten optimistisch. David Azoulay, Umweltgesundheitsdirektor des Center for International Environmental Law (CIEL), sagte laut der Internetseite Break Free From Plastic:

"Bei der UNEA-4 hat sich die große Mehrheit der Länder zusammengetan, um eine Vision für die Zukunft einer globalen Plastikregulierung zu entwickeln. Zu erleben, wie die USA, getrieben von den Interessen der Fracking- und petrochemischen Industrie, an der Spitze der Bemühungen stehen, diese Vision zu sabotieren, ist entmutigend. Doch der Hunger nach einer besseren weltweiten Plastikregulierung wächst, und auf der diesjährigen Umweltversammlung der Vereinten Nationen wurde die Kontinuität eines Prozesses sichergestellt, auf den in Zukunft die Länder ein globales Abkommen zum Stopp der Plastikverschmutzung aufbauen können."

Das Plastikmüllproblem ist vielschichtig und wäre sogar bei einer gemeinsamen Anstrengung aller Staaten nicht so einfach aus der Welt zu schaffen. Größere Plastikteile finden sich in den Mägen von Seevögeln und Meeressäugern; im Meer schwimmende Schleppnetze dienen als Falle für Meeresschildkröten und andere Tiere; auf den Ozeanen haben sich riesige Plastikkontinente gebildet. Im Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Erde, und auch auf dem Mount Everest, dem höchsten Punkt, findet sich Plastikmüll. Im Kot des Menschen wurde Mikroplastik nachgewiesen, ebenso im Blut von Tieren. Ob Honig, Bier oder Mineralwasser, Plastik ist in uns und um uns herum. Mikroplastik kann Krebs erzeugen und den Hormonhaushalt von Heranwachsenden stören. Bakterien, darunter auch Erreger, die Cholera auslösen, reisen auf Mikroplastik durch die Weltmeere, und möglicherweise tragen solche Reisenden Mitverantwortung für die Ausbreitung der Korallenbleiche.

In der Fachwelt wird darüber diskutiert, ob wir uns in der geologischen Epoche des Anthropozäns befinden. Die Plastikvermüllung der sich gegenwärtig bildenden geologischen Ablagerungsschicht weltweit rechtfertigt die Aussage, daß die Menschen die geologische Stufe "Plastozän" in Gang gesetzt haben. [2]

In der heutigen Zeit der globalisierten Produktionsverhältnisse betreffen Entscheidungen, die einzelne Staaten fällen, fast immer alle anderen auch. Umgekehrt wirken sich internationale Abkommen häufig auch auf einzelne Staaten aus, selbst wenn diese nicht direkt in ein Abkommen involviert sind. Am deutlichsten wird dies bei der Erderwärmung. Für Plastik, das in den Weltmeeren endet und sich dort in immer kleinere Teile zerlegt, gilt das letztlich auch. Die meisten Staaten, wie in diesem krassen Beispiel die USA, stellen ihre nationalen Wirtschaftsinteressen über das Gemeinwohl der Menschheit. Die Auseinandersetzung, die zu führen wäre, um den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, beschränkt sich bei weitem nicht auf einzelne Staaten, sondern richtet sich gegen eine fundamentale Einstellung, wonach Wirtschaften immer auf Profit ausgerichtet sein muß und Umweltschäden durch die Produktion externalisiert werden können, solange man dafür nicht belangt wird.

Jedem Staat ist es unbenommen, nationale Maßnahmen zur Vermeidung des Plastikaufkommens zu ergreifen und damit auch der auf Fracking gegründeten Plastikpelletproduktion der USA den ökonomischen Boden zu entziehen.


Fußnoten:

[1] https://www.breakfreefromplastic.org/2019/03/15/tyranny-of-the-minority-slows-international-progress-on-addressing-plastic-pollution/

[2] www.mikroplastik.de

18. März 2019


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