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KLIMA/744: Grüner Kapitalismus - Vampirphilanthrop ... (SB)



Vorgeblich in Sorge, daß Kohlekraftwerke klimaschädlich sind, hat der britische Milliardär und Hedgefonds-Manager Chris Hohn eine Reihe von Zentralbanken angeschrieben und diese aufgefordert, sich aus der Finanzierung des fossilen Energieträgers Kohle zurückzuziehen. [1] Gleichzeitig warnt er jedoch vor einem plötzlichen Wertverlust von Kohlekraftwerken aufgrund politischer Entscheidungen. [2] Das legt die Vermutung nahe, daß er als Finanzjongleur die Fäden in der Hand behalten, bzw. sicherstellen will, daß seine Branche auch nach der Transformation der Gesellschaft in Richtung grüner Kapitalismus weiterhin starken Einfluß ausüben wird. Daß sein Vermögen nicht zuletzt mit der Förderung von klimaschädlichen Technologien zustande kam und er weiterhin daran verdient, übersieht Hohn ebenso wie, daß die von ihm betriebene Bereicherung auf der Basis von Verarmung beruht, die andere zu erleiden haben.

Die Möglichkeit zur Reichtumsanhäufung war auch die zwingende Voraussetzung dafür, daß Hohn schon viele hundert Millionen Euro an Kinderhilfs- und Klimaschutzorganisationen spenden konnte. Deswegen wird er nun als Philanthrop bezeichnet - eine ideologische, die vorherrschende gesellschaftliche Raubordnung verschleiernde Charakterisierung, die immer nur auf besonders wohlhabende Menschen angewendet wird und nicht etwa auf einen Menschen, der beispielsweise von Hartz-IV lebt und seinen gesamten Besitz mit anderen teilt.

Im Dezember vergangenen Jahres hatte der Hedgefonds-Manager eine Reihe von Unternehmen wie Airbus, Moody´s und Charter Communications aufgefordert, ihre CO₂-Bilanz offenzulegen. Andernfalls werde er sich gegen sie stellen, drohte er. [3] Diese offensive Art, seine Interessen durchzusetzen, wird in der Welt der Investoren "aktivistisch" genannt. Dafür wird Hohn von seinen Gegnern gefürchtet ... und von seinesgleichen anerkannt.

Als Chef des von ihm gründeten Hedgefonds TCI (The Children's Investment Fund) hat Hohn in zahlreichen Unternehmen Aktienpakete erworben und kann auf den Aktionärsversammlungen entsprechend Druck ausüben. Vergangenes Jahr hatte er noch den weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock des "Greenwashings" bezichtigt, weil dieser keine CO₂-Bilanz einfordere. Ein Vorwurf, der inzwischen vom Tisch sein dürfte, denn im Januar dieses Jahres hat auch BlackRock-Chef Larry Fink in einem offenen Brief die Unternehmensleitungen aufgefordert, sich stärker für den Klimaschutz zu engagieren, und damit gedroht, bei Aktionärsversammlungen das Management nicht zu entlasten. [4]

Mit einem verwalteten Vermögen in Höhe von 28 Mrd. Dollar ist TCI ein Winzling gegenüber Finks BlackRock, das ein Vermögen in Höhe von rund 7.000 Mrd. Dollar unter seinen Fittichen hat. Beide haben von Technologien profitiert, die maßgeblich zur globalen Erwärmung beitragen. Laut Bloomberg [5] war TCI an großen indischen Kohleverstromern beteiligt und hält auch heute noch Anteile an Eisenbahngesellschaften wie Canadian Pacific Railway Ltd., die Diesel verbrennt und fossile Energieträger wie zum Beispiel Ölsande transportiert. Zum Portfolio von TCI gehört auch Ferrovial SA, ein in Madrid ansässiger Konzern, der unter anderem den Londoner Flughafen Heathrow betreibt.

Hohn, alleiniger Aktieninhaber von TCI, hat sich im vergangenen Jahr ein Gehalt von umgerechnet knapp 230 Mio. Euro ausbezahlt. Das sind 629.260 Euro pro Tag oder in jeder Sekunde über 7 Euro. Luke Hildyard, der eine Kampagne für höhere Steuern für Spitzenverdiener betreibt, kommentiert dies im "Guardian" mit den Worten: "Man muß nicht das gesamte System abschaffen oder irgendwas gegen Sir Chris Hohn persönlich haben, um nicht damit einverstanden zu sein, daß eine einzelne Person 200 Millionen brit. Pfund in einem Land scheffelt, in dem einfache Arbeiter die längste Zeitspanne an Lohnstagnation seit den Napoleonischen Kriegen erdulden und in Rekordzahlen die Tafeln aufsuchen, um ihre Familien zu ernähren." [6]

Man muß nicht "das gesamte System" abschaffen, wie Hildyard sagt, aber warum sollte man das nicht tun? Kapitalismus bleibt Kapitalismus bleibt Kapitalismus, in welche Farbe er auch immer getüncht wird. Solange jenes kapitalistische System Menschen hervorbringt, die, würden sie sich nach einer Flasche mit Dosenpfand bücken, allein dabei schon rund 35 Euro verdient haben, während andere möglicherweise mit ihren Artgenossen darüber in Streit geraten, wer die Dose zuerst gefunden und Anspruch auf 0,25 Eurocent hat, wird dieses System auch dann noch Mangel und Not produzieren, wenn die Reichen höher besteuert werden als bisher. Wobei der Begriff "System" davon ablenkt, daß hinter allen politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Prozessen Interessen stecken, die sich durchsetzen, während andere Interessen unterdrückt werden.

50.000 brit. Pfund hat Hohn der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion gespendet und ihr über eine Stiftung nochmal 150.000 brit. Pfund zukommen lassen. Er unterstützt diese Klimaschutzorganisation laut dem "Guardian", "weil die Menschheit mit dem Klimawandel die Welt fortgesetzt zerstört und es angesichts dieser Tatsache dringend geboten ist, aufzuwachen".

Aufwachen klingt gut, aber soll wohl nur so weit gehen, wie es Hohn und seinesgleichen goutieren. Dessen "Menschenfreundlichkeit" hat ihm 2014 den Ritterschlag eingebracht. Seitdem darf er sich Sir Christopher Hohn nennen. Adel verpflichtet.


Fußnoten:

[1] https://ciff.org/news/ciff-calls-leading-banks-and-regulators-end-coal-finance/

[2] https://ciff.org/documents/873/CIFF_letter_to_Mark_Carney_270220.pdf

[3] https://www.ft.com/content/dde5e4d4-140f-11ea-9ee4-11f260415385

[4] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-739.html

[5] https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-01-22/the-world-s-most-profitable-hedge-fund-is-now-a-climate-radical

[6] Übersetzt nach:
https://www.theguardian.com/business/2019/dec/04/hedge-fund-boss-pays-himself-200m-despite-funds-profits-falling

4. März 2020


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