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KLIMA/719: CO2 - Scheinregulationen ... (SB)



Um eine weitere globale Erwärmung mit katastrophalen Folgen für die Lebensbereiche der Mehrheit der Menschen zu vermeiden, hat die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 2015 das Übereinkommen von Paris beschlossen. Im Mittelpunkt der Maßnahmen steht die Verringerung menschengemachter Emissionen, die den Planeten samt seiner Lufthülle mehr als bisher in ein Treibhaus verwandeln, indem sie die Wärmerückstrahlung von der Erde verringern.

Die Reduzierung der menschengemachten Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO₂) steht folgerichtig im Mittelpunkt der Klimaschutzbemühungen. So hat das Klimakabinett der Bundesregierung vereinbart, daß CO₂-Emissionen etwas kosten sollen. Im Jahr 2021 wird der Preis 10 Euro pro Tonne CO₂ betragen und sich Jahr für Jahr bis auf 35 Euro pro Tonne CO₂ verteuern.

CO₂ ist ein Gas, das für sich genommen bei weitem nicht den stärksten Treibhauseffekt unter allen menschenverursachten Emissionen bewirkt, wohl aber aufgrund seiner schieren Menge. Es entsteht vor allem beim Verbrennen fossiler Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle, auf deren ausgiebige Nutzung seit rund 150 Jahren die gesamte Industrialisierung beruht.

Das vor kurzem beschlossene Klimaschutzpaket der Bundesregierung erweist sich in mancher Hinsicht als Luftnummer oder, wenn man es etwas diplomatischer und mit den Worten von Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau von der TU Dortmund formulieren will: "Die Beschlussfassung erfordert eine erneute Diskussion." [1]

Die Bundesregierung vermeidet es nicht nur, die sich vergrößernde Einkommensschere zwischen Arm und Reich in Angriff zu nehmen, sondern sie belastet sogar die Armen und entlastet die Reichen. Laut Holz-Rau hat das Klimakabinett bei der Festlegung des Spritpreises einen methodischen Fehler begangen und den Inflationsausgleich vernachlässigt. Die anvisierte Verteuerung von Benzin und Diesel um 10 Cent pro Liter bis zum Jahr 2025 würde durch die zu erwartende Inflation bis dahin nahezu ausgeglichen. Außerdem werde durch die Erhöhung der Pendlerpauschale im Jahr 2025 für wohlhabendere Pendler, für die ein Grenzsteuersatz von 45 Prozent gilt und die 100 Kilometer zur Arbeit zurücklegen, das Autofahren um 279 Euro pro Jahr billiger, heißt es in dem von Holz-Rau verfaßten Artikel "CO₂-Bepreisung und Entfernungspauschale - Die eingebildete Steuererhöhung". Darin wird allein die Preisentwicklung von Benzin und nicht die von Diesel analysiert. 15 Professorinnen und Professoren haben den Artikel, der im November im Fachblatt "Internationales Verkehrswesen" publiziert werden soll und schon jetzt online verfügbar ist, unterzeichnet.

Wenn die Benzinpreise steigen, hat das den Effekt, daß der Verbrauch verringert wird. Vor allem Menschen mit geringerem Einkommen werden genötigt, auf andere Verkehrsträger auszuweichen oder sich weniger von A nach B zu bewegen. Dieser Lenkungseffekt ist von der Regierung erwünscht, und sie behauptet, sie wolle für einen sozialen Ausgleich sorgen, beispielsweise indem sie die Pendlerpauschale anhebt. Wobei der Lenkungseffekt natürlich auch darin bestehen könnte, daß Menschen auf Elektrofahrzeuge umsatteln oder sich ein verbrauchsärmeres Auto anschaffen.

Sieht man an dieser Stelle einmal davon ab, daß selbst 35 Euro pro Tonne CO₂ kaum Lenkungseffekt haben - das Bundesumweltamt beispielsweise veranschlagt einen Preis von 180 Euro -, würde sich unter Berücksichtigung der Inflation und damit auch der Steigerung der Einkommen rechnerisch der Preis für Benzin nicht um 10, sondern nur um 2,55 Cent pro Liter im Jahr 2025 erhöhen. Das bewegt sich also noch innerhalb der täglichen Schwankungsbreite der Benzinpreise.

Die korrigierte Preisentwicklung hat unter anderem damit zu tun, daß es sich bei der Energiesteuer, die mit 65,45 Cent pro Liter Benzin (ohne Mehrwertsteuer) einen hohen Anteil am Benzinpreis hat, um eine fixe Steuer handelt. Sie wird nicht inflationsbereinigt. Das bedeutet, daß der Anteil der 2003 eingeführten Energiesteuer real um inzwischen 20 Prozent, gegenüber den Einkommen sogar um 26 Prozent gesunken ist. Am Ende heben sich die Lenkungseffekte aus neuer CO₂-Abgabe und Inflationsverluste der Energiesteuer weitgehend auf. Holz-Rau bewertet den Beschluß des Klimakabinetts und die Darstellung des Ergebnisses in den Medien mit nüchternen Worten so:

"Der Beschluss und seine Kommunikation führen zu einer eingebildeten Mehrbelastung, die mangels Inflations- und Einkommensbereinigung deutlich höher erscheint als sie ist. Der Beschluss zur CO₂-Bepreisung gibt keinen Anreiz zur CO₂-Einsparung und keine Begründung für eine Kompensation."

Bei Entscheidungen, die Lenkungseffekte auslösen sollen, ist es unverzichtbar, daß die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger genau analysieren, welche Einflußfaktoren beispielsweise im Jahr 2025 vorherrschen. Beim Klimaschutz hat die Bundesregierung völlig versagt. Sogar die High-Level Commission on Carbon Prices, die 2017 auf dem Klimagipfel von Marrakesch gegründet wurde und von der Weltbank unterstützt wird, empfiehlt einen CO₂-Einstiegspreis von 40 bis 80 Dollar und dessen Einführung bis 2020. [2]

Abschließend sei angemerkt, daß eine bloße Bepreisung der CO₂-Emissionen wahrscheinlich entweder gar nicht schnell genug wäre, um die bevorstehenden klimatischen Veränderungen noch zu stoppen, oder binnen kürzester Zeit der Preis so drastisch steigen müßte, daß das wiederum weitreichende gesellschaftliche Umbrüche (Verarmung, Hunger, etc.) mit hohen Verlusten an Menschenleben auslösen dürfte. Es sei denn, die Menschheit würde die soziale Frage der Klimafrage voranstellen und alle politische Entscheidungen danach ausrichten, daß kein Mensch auf der Strecke bleibt. Doch woher sollte der Impuls dazu kommen?


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/yy5ele4a

[2] tinyurl.com/y65k7enq

21. Oktober 2019


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