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KLIMA/697: Erderwärmung - Meeresspiegelanstieg jetzt ... (SB)



Dem jüngsten Statusbericht 2018 der Weltorganisation für Meteorologie, WMO, zufolge schreitet die globale Erwärmung weiter voran [1]. Ein deutliches Indiz dafür bildet der durchschnittliche globale Meeresspiegel, der um 3,7 Millimeter innerhalb eines Jahres gestiegen ist. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Es wird vermutet, daß die Gletscherschmelze in der Ostantarktis, deren Geschwindigkeit sich in den letzten vierzig Jahren versechsfacht [2] hat, nachdem der Eisschild lange Zeit als stabil galt, inzwischen zunehmend mehr zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt. Auch wenn die Schmelze ostantarktischer Gletscher von einem relativ niedrigen Niveau gestartet ist (im Unterschied zu den Gletschern der Westantarktis, deren Abschmelzen wohl schon einen Kippunkt überschritten hat) , kommt dieser Region eine wachsende globale Bedeutung zu. Wenn schon die kältesten Regionen der Erde anfangen, den Anstieg des Meeresspiegel anzutreiben, muß es um den Planeten schlecht bestellt sein.

Die Meßergebnisse der WMO sind ein weiterer Hinweis darauf, daß die globale Erwärmung schon tief "im System" steckt und daß bei einer Fortsetzung der Trends der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts weltweit deutlich über einen, womöglich sogar mehrere Meter steigen könnte. Das wird zwar so nicht von der WMO, wohl aber unter anderem vom früheren Chefwissenschaftler der US-Weltraumbehörde NASA, James Hansen, und andere renommierten Forscherinnen und Forschern angenommen. [3]

Vor vier Jahren schrieben sie im Journal "Atmospheric Chemistry and Physics Discussions", es gebe Hinweise auf einen Meeresspiegelanstieg von fünf bis neun Metern in erdgeschichtlich früheren Zeiten, als die globale Durchschnittstemperatur nicht mal ein Grad Celsius höher war als heute. Die gegenwärtigen Trends bei den menschengemachten Treibhausgasemissionen lassen jedoch eine vier Grad wärmere Welt noch in diesem Jahrhundert erwarten. Das spricht für das von Hansen et al. beschriebene Szenario.

Wie sagte es noch die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg bei ihrer Rede im Januar 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: Ich will, daß ihr in Panik geratet! Oder, in der etwas längeren Version, zitiert nach dem Deutschlandfunk:

"Die Erwachsenen sagen immer, wir müssen den jungen Menschen Hoffnung machen, aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich möchte nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich möchte, dass ihr in Panik geratet. Ihr sollt die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre. Und ich möchte, dass ihr handelt. Dass ihr so handelt wie in einer Krise. Ich möchte, dass ihr so handelt, als wenn unser Haus brennen würde. Denn es brennt bereits." [4]

Warum sollte beispielsweise ein halber Millimeter, die der Meeresspiegel von 2017 bis 2018 zusätzlich(!) zum Durchschnitt der rund 25 Jahre zuvor (3,15 mm) jährlich gestiegen ist, Anlaß sein, sich Sorgen zu machen? Das ergibt sich aus dem Verlauf der mathematischen Kurve, die man in einem Diagramm zum Meeresspiegelanstieg seit Beginn des Industriezeitalters, das zugleich Beginn der verstärkten Emissionen von anthropogenen Treibhausgasen vor allem aus der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas ist, ziehen kann. Der Meeresspiegel steigt nicht nur an, es steigt beschleunigt an. Jene 3,7 mm aber, von denen die WMO berichtet, könnten der Beginn einer beschleunigten Beschleunigung sein.

Sollte die Kurve einen exponentiellen Verlauf annehmen, hätte die Menschheit schon recht bald ein schwerwiegendes Problem. Denn dann wären Dutzende Millionen Menschen noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gezwungen, niedrig gelegene Küstenbereiche zu verlassen. Städte wie Shanghai, Lagos, Singapur, London, New York könnten zwar theoretisch durch milliardenschwere Baumaßnahmen den Rückzug eine Zeitlang aufhalten, aber wer möchte schon dauerhaft beispielsweise hinter einer mehrere Meter hohen Spundwand leben, gegen die von der anderen Seite die Meereswellen schlagen?

Es ist fraglich, ob sich Länder wie Bangladesh, Tuvalu, Kiribati, Marshall-Inseln und Malediven in Zukunft ausreichend vor dem Meer schützen können. Die reichen Staaten haben zwar Unterstützung zugesagt, aber solche Zusagen könnten das Papier nicht wert sein, auf dem sie festgehalten sind, wenn man bedenkt, welche internationalen Verträge in den letzten Jahren bereits gekippt wurden.

Die verheerenden Überschwemmungen in Mosambik, Simbabwe und Malawi durch den Hurrikan Idai im März 2019 bieten einen bitteren Ausblick, was noch häufiger und in weiteren Weltregionen zu erwarten ist, wenn das Volumen der Ozeane in Folge sowohl ihrer physikalischen Ausdehnung aufgrund der Erwärmung als auch des Wassereintrags durch die Gletscherschmelze zunimmt. In Verbindung mit Stürmen werden Millimeter oder Zentimeter schnell zu Dezimetern bis Metern, welche die Sturmfluten ansteigen. Dabei kommen manchmal mehrere Faktoren zusammen. In Südostafrika hat der Wirbelsturm erstens die normale Flut auf die Küste und darüber hinaus tief ins Landesinnere gedrückt, zweitens ließ er gewaltige Wassermassen herabprasseln und drittens schwollen die Flüsse vor allem im Küstenstaat Mosambik weiter an, weil nach einigen Tagen das Wasser aus dem höher gelegenen Landesinnern sich in Richtung Küste bewegte. Je höher der Meeresspiegel sowieso schon ist, desto gewaltiger werden die Überschwemmungen bei einem solchen Wirbelsturm sein. Die Angabe der WMO eines 3,7 mm starken Meeresspiegelanstiegs ist ein weiterer Alarmruf, daß die bisherigen Klimaschutzzusagen, geschweige denn die ergriffenen Maßnahmen nie und nimmer genügen, um massive Verluste vor allem von denen, die nicht das Privileg haben, sich vor den Klimawandelfolgen in Sicherheit zu bringen, abzuwenden.


Fußnoten:

[1] https://library.wmo.int/index.php?lvl=notice_display&id=20799#.XKINCXUzYW0

[2] https://www.pnas.org/content/pnas/116/4/1095.full.pdf

[3] https://www.atmos-chem-phys-discuss.net/15/20059/2015/acpd-15-20059-2015.pdf

[4] https://www.deutschlandfunk.de/weltwirtschaftsforum-davos-klimaaktivistin-greta-thunberg.769.de.html?dram:article_id=439368

1. April 2019


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