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KLIMA/652: Salzsturm - unerwartet ... (SB)




Sechs rostige Schiffsruinen nebeneinander auf dem wüstenartigen Seeboden - Foto: Anton Ruiter, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]

Aralsee, in der Nähe der ehemaligen Hafenstadt Mo'ynoq, die nun Dutzende Kilometer vom Ufer entfernt liegt.
Foto: Anton Ruiter, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]

Ende Mai wurden die Länder Usbekistan und Turkmenistan von einem Salzsturm getroffen, ein Phänomen, das anscheinend mit dieser Heftigkeit in dieser Region noch nicht aufgetreten ist. Jedenfalls berichtete der 80jährige Temirek Bobo aus dem Bezirk Takhiatash in der autonomen usbekischen Republik Karakalpakistan gegenüber Uzbek Service RFE/RL, es sei das erste Mal, daß er einen so heftigen Sturm erlebt hat: "Daß der Wind Sand mit sich bringt, kenne ich, doch Salz war für mich das erste Mal. Den ganzen Tag fiel Salz herunter. Man konnte die Sonne nicht mehr erkennen." [1]

Tatsächlich hielt der Salzsturm, für den Spitzengeschwindigkeiten von über 20 Metern pro Sekunde angegeben wurden, sogar drei Tage an und endete am 29. Mai. Das Salz, das er mit sich brachte, stammte vom rund 100 Kilometer entfernten, knochentrockenen Grund des einst viertgrößten Sees der Welt, des Aralsees. Der ist inzwischen nur noch ein Schatten seiner selbst. Die übermäßige Entnahme von Wasser aus seinen beiden Hauptzuflüssen Amudarya und Syrdarya zur Bewässerung der in ihrem Oberlauf aufblühenden Baumwollplantagen und anderer landwirtschaftlicher Flächen ließ den Aralsee seit den 1960er Jahren nach und nach bis auf einen Restsee schrumpfen. Eine allgemeine Erwärmung der Region sowie verringerte Niederschläge trugen das Ihre zu dieser Entwicklung bei. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Gletscher, von deren Schmelzwassern jene beiden Flüsse zu rund zehn Prozent gespeist werden, um ein Drittel geschrumpft. Manche Klimaprojektionen sagen für diese Region einen Temperaturanstieg von sieben Grad voraus, wenn die Welt im Durchschnitt vier Grad wärmer wird.

Gänzlich unbekannt ist den Menschen in der Nähe Aralsees die Verfrachtung von Salzstaub durch Wind nicht. Diesmal jedoch war der Sturm besonders heftig, anhaltend und hat das Salz in weit entfernte Gebiete getragen. Die Landwirtschaft der Anrainerstaaten leidet schwer darunter, wenn sich das Salz als weißer Belag auf Boden und Pflanzen absetzt und die Pflanzen verdorren. Anders als Sand, der sogar zur Düngung der Böden beitragen kann, sorgt Salz zu ihrer Austrocknung und Verkrustung. Selbst Straßen und Gebäuden schadet das Salz.

Von jenem Salzsturm wurden abgesehen von Karakalpakistan auch die usbekische Provinz Khorezm (Xorazm) und die turkmenische Provinz Dashoguz (Daschogus) getroffen. Die usbekische Provinzhauptstadt Nukus war sogar komplett mit Salz bedeckt.

Salzstürme können bei Menschen schwere Atemprobleme auslösen. Die Rate an Speiseröhrenkrebs dieser Region zählt bereits zu den höchsten weltweit. Sollte zukünftig häufiger Salz vom Aralsee herüberwehen, wird dies die Erkrankungsgefahr von Millionen Menschen verstärken. Dabei sind viele von ihnen bereits vorbelastet, wie die Organisation Ärzte ohne Grenzen in einer umfassenden Bestandsaufnahme festgestellt hat [2]. Die Staub- und Salzstürme enthalten noch aus den Sowjetzeiten Umweltschadstoffe, die mit Pestiziden und Dünger hierverfrachtet wurden. So haben sich beispielsweise Dioxine, DDT sowie andere langlebige, organische Schadstoffe am Seeboden abgesetzt.

Das Verschwinden des Aralsees hat das Klima einer Region verändert, die größer ist als Europa. Hatte einst die hohe Verdunstungsrate der Wasserfläche zur Wolkenbildung beigetragen, so daß es häufiger regnete, herrscht nun Dauerdürre vor. In Karakalpakistan und Xorazm hat es seit über einen Monat nicht mehr geregnet. Dabei steht der Sommer noch bevor. Das ist die Zeit, in der es hier fast gar nicht regnet, sagte die Journalistin Lola Kallykhanova aus Nukus gegenüber Eurasianet [3].

Der Aralsee hat sich schon vor vielen Jahren in einen nördlichen und einen südlichen Teil aufgespalten. Seit 2007 haben Schutzmaßnahmen den Schrumpfungsprozeß des nördlichen Sees gestoppt und dort einen gegenläufigen Trend eingeleitet. Der südliche Aralsee verschwindet jedoch mehr und mehr.

Die Klimaforschung rechnet damit, daß in Folge der globalen Erwärmung Gebiete entstehen, in denen sich die Umwelt so verändert, daß sie unbewohnbar werden. Möglicherweise zählt die Region rund um den südlichen Aralsee zu den ersten Anwärtern, in denen dieser Fall eintritt. Viele vor allem junge Menschen ziehen bereits fort, teils suchen sie Arbeit in Kasachstan und Rußland. Nicht nur aus klimatischen Gründen, doch werden die sozioökonomischen Verhältnisse gerade in solchen extremen Umweltregionen stark vom Klima beeinflußt.


Zwei Satellitenaufnahmen im Vergleich - Bild: NASA

Der Aralsee ist zwischen 1989 (links) und 2008 (rechts) stark geschrumpft.
Bild: NASA


Fußnoten:


[1] https://www.rferl.org/a/toxic-aral-sea-salt-storm-sweeps-over-parts-of-uzbekistan-turkmenistan/29257503.html

[2] https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/sites/germany/files/attachments/2003-04-karakalpakstan-report-population-in-danger.pdf

[3] https://eurasianet.org/s/uzbekistan-assailed-by-cataclysmic-sand-and-salt-storm


31. Mai 2018


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