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KLIMA/649: CO2 - mehr als nur Anzeichen ... (SB)



In manchen Regionen der Arktis lagen die Temperaturen in diesem Jahr 17 Grad über dem langjährigen Monatsdurchschnitt. Damit setzt sich ein Erwärmungstrend fort, der in den letzten mehr als 30 Jahren, seit Beginn der regelmäßigen Satellitenfernerkundung, mit einem Verlust der arktischen Meereisfläche um etwa 30 Prozent einhergegangen ist. Das wird von der Wissenschaft inzwischen klar mit den anthropogenen Treibhausgasemissionen seit Beginn des Industriezeitalters in Verbindung gebracht [1].

Obgleich das Abschmelzen des im Meer schwimmenden Eises nicht zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beiträgt, folgt die Entwicklung in der Arktis einem weltweit zu beobachtenden Trend der Erwärmung und des Abschmelzens auch der landgebundenen Eismassen. Der Meeresspiegel steigt jedes Jahr um etwa drei Millimeter, mit einer Tendenz zur Beschleunigung.

Ein Teil des Anstiegs geht schlicht auf die physikalische Ausdehnung des sich erwärmenden Wassers zurück, ein anderer Teil jedoch sowohl auf den Rückzug der Hochgebirgsgletscher als auch das vermutlich nicht mehr umzukehrende Abschmelzen des Westantarktischen Eisschilds und nicht zuletzt die enormen Eismassenverluste von Grönland. Auch der riesige Eisschild der Ostantarktis ist womöglich nicht so stabil, wie die Wissenschaft noch bis vor wenigen Jahren fest angenommen hat.

Am Beispiel des diesjährigen Temperaturschwalls läßt sich gut veranschaulichen, weswegen die gegenwärtige klimatische Lage so prekär ist und dringend Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, damit das Aufheizen des Planeten verlangsamt und schließlich aufgehalten wird. Jener Anstieg von 17 Grad bringt die Temperaturen nämlich an die Null-Grad-Grenze - und darüber hinaus! Solange es friert, tut sich physikalisch nicht viel, doch beim Überschreiten dieser Grenze findet ein regelrechter Sprung statt, da Wasser seinen Aggregatzustand von fest zu flüssig ändert: Das Meereis schmilzt, daraufhin nimmt die Rückstrahlung der Arktis ab, da das reflektierende Weiß der Eisfläche der wärmeabsorbierenden, dunklen Wasserfläche weicht, und die im Meerwasser gespeicherte Wärme wird leichter an die Luft abgegeben.

An der Nordspitze Grönlands, am Kap Morris Jesup, das ungefähr auf 83 Grad nördlicher Breite liegt, stieg die Lufttemperatur zu irgendeinem Tageszeitpunkt im Monat Februar des Jahres 1997 nur einmal über den Gefrierpunkt. 2011 war dies schon fünfmal, 2017 siebenmal und in diesem Jahr bereits 59mal der Fall [2].

Die Entwicklung verläuft nicht stetig in die gleiche Richtung, es gibt auch schon mal kältere oder wärmere Jahre dazwischen, aber der Trend ist eindeutig. Vielleicht läßt sich die Bedeutung der aktuellen Meßergebnisse mit einem bildhaften Vergleich, einer Anleihe aus Literatur, Filmen oder Computerspielen, verdeutlichen: Solange der Drache im dauerhaft gefrorenen Grund fixiert bleibt, scheint die Gefahr für den Planeten gebannt. Doch plötzlich öffnet das Untier ein Auge und man weiß: Jetzt geht es los. Man hätte es nicht wecken dürfen. Es wäre besser gewesen, man hätte die Zeichen erkannt ...

Nun, der Unterhaltungswert der arktischen Erwärmung ist gegenüber solch einem Phantasieszenario gering bis nicht vorhanden. Die Lage ist ernst. Es besteht ein eklatantes Mißverhältnis zwischen dem, was an Klimaschutzmaßnahmen für Hunderte Millionen bis Milliarden Menschen dringend geboten wäre, da die Natursysteme außer Rand und Band geraten, und der völlig unzureichenden, schwerfälligen Antwort der Politik.

Oder gar ihrer Verweigerung. So läuft die Klimapolitik, wie sie die US-Regierung unter Donald Trump betreibt - Ausstieg aus dem Klimaabkommen von Paris, Austrocknen der wissenschaftlichen Erforschung des Klimawandels, ideologische Umerziehung der Heranwachsenden in Richtung Klimaskeptiker, Förderung der fossilen Energiewirtschaft, etc. - darauf hinaus, den Kindern und Kindeskindern eine Welt zu hinterlassen, wie sie am ehesten noch in ökodystopischen Zukunftsromanen geschildert wird.

Das Motto "America First!" ist dabei eine fulminante Täuschung der eigenen Wählerschaft. Es geht der Regierung ausschließlich um das Wohl der obersten Zehntausend. Diese Einstellung bekamen im vergangenen Jahr die Menschen auf Puerto Rico, das ein sogenanntes Außengebiet der USA ist, am eigenen Leib zu spüren. Nachdem die Karibikinsel von zwei Wirbelstürmen hintereinander getroffen und die Infrastruktur weitreichend zerstört wurde, so daß die Menschen dringend der Hilfe bedurften, reagierte die US-Administration zögerlich. Trump zeigte seine Verachtung gegenüber den Opfern, indem er bei einer Pressekonferenz auf der Insel wie ein Bananenverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt Rollen mit Haushaltspapiertüchern ins Publikum warf. Diese reichten nicht einmal, um die Tränen aufzusaugen, die die Menschen ob der Verluste ihrer Angehörigen vergossen haben, geschweige denn, daß damit die vom Sturm abgedeckten, regennassen Häuser hätten trockengelegt werden können.

Im globalen Klimagefüge kommt der Arktis eine besondere Rolle zu. An ihr läßt sich ablesen, wie es um den Planeten insgesamt bestellt ist, und zugleich stellt sie einen Motor für globale Veränderungen dar. Eine 17 Grad über dem Durchschnitt liegende Temperatur ist ein Alarmzeichen.


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/ycs54gnb

[2] https://insideclimatenews.org/news/08052018/arctic-heat-wave-climate-change-sea-ice-loss-amplification-north-pole

14. Mai 2018


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