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KLIMA/643: CO2 - schneller als befürchtet ... (SB)



Vor 94 Millionen Jahren hat in den Weltmeeren ein drastischer Sauerstoffverlust stattgefunden, der zu einer starken Reduzierung an Meeresbewohnern führte. Als Hauptursachen des Rückgangs dieses lebenswichtigen Gases nimmt eine neuseeländisch-britische Forschergruppe die Zunahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre aufgrund von vermehrtem Vulkanismus sowie einem wachsenden Nährstoffeintrag in die Meere an.

Die Ergebnisse zeigen, wie empfindlich das Erdsystem auf umfangreiche CO2-Emissionen reagiert, ob sie nun durch vulkanische Vorgänge oder menschliche Aktivitäten produziert werden, zog Professor Tim Lenton von der Universität von Exeter einen Bogen zum menschengemachten Klimawandel [1]. Er ist als Klimamodellierer an einer aktuellen Studie im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) über das sogenannte Oceanic Anoxic Event 2 (Ozeanisches Anoxisches Ereignis 2 - OAE 2) beteiligt [2].

Lenton, Research Fellow Dr. Matthew Clarkson und Professor Claudine Stirling von der Abteilung für Chemie der Universität von Otago in Neuseeland war es in der Studie hauptsächlich darum gegangen, ihren innovativen Analyseansatz zu präsentieren und ihn auf den Sauerstoffverlust in den Ozeanen, der den neuen Erkenntnissen zufolge in zwei Phasen erfolgte und mit einer Million Jahre länger dauerte, als bisher angenommen, anzuwenden. Dabei nutzte die Forschergruppe natürliche Uranisotope in Sedimentgesteinen, anhand derer sie den früheren Sauerstoffgehalt bestimmten. Diese Sedimente wurden einst als Meeresboden abgelagert und bilden nun Landmassen, beispielsweise in den Untersuchungsgebieten in Südengland und Italien.

Der heutige CO2-Gehalt der Atmosphäre von 405 ppm (parts per million) liegt noch weit unter dem, den man für die erdgeschichtliche Kreidezeit annimmt (vier- bis sechsmal höher als heute). Vom Standpunkt der Forscher her spiegelte das OAE viel gravierendere Verhältnisse wieder als heute und erstreckte sich über einen längeren Zeitraum, als daß dieser auch nur annähernd mit heutigen Entwicklungen vergleichbar wäre. Dennoch helfe dieser Extremfall dabei, sich ein Bild davon zu machen, wie die Ozeane auf einen Anstieg der atmosphärischen CO2-Emissionen reagieren, sagte Stirling.

Der Studie zufolge hat sich das beschriebene Szenario über Hunderttausende von Jahren aufgebaut. Die Ozeane waren damals extrem warm und an Land fand eine starke Verwitterung statt, wodurch viele nährstoffhaltigen Erosionsprodukte ins Meer eingebracht wurden. Demnach waren zwischen 8 und 15 Prozent des Meeresbodens anoxisch, also sauerstofffrei. Heute sind es 0,3 Prozent.

Teils übereinstimmend mit, teils ergänzend zu Ausgangsfragestellung, Inhalt und Zielsetzung der Studie läßt sich feststellen, daß der Mensch gegenwärtig auf verschiedene Weise zum Sauerstoffrückgang im globalen Maßstab beiträgt:

- Das Verbrennen fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) erzeugt CO2-Emissionen. Da zwischen Meer und Atmosphäre ständig Austauschprozesse stattfinden, wandert das CO2 ins Meer und macht es saurer. Saures Wasser ist sauerstoffärmer.

- CO2 läßt in der oberen Atmosphäre eintreffendes Sonnenlicht hindurch, schirmt jedoch die Wärmerückstrahlung von der Erde ab. Abgesehen von der Landmasse werden auch die Meere wärmer. Dadurch binden sie weniger Sauerstoff.

- Bei der Massentierhaltung werden große Mengen an Exkrementen produziert, die entweder direkt in die Gewässer geleitet oder auf landwirtschaftliche Flächen ausbracht werden, so daß ein Teil davon mit dem Regen in die Gewässer geschwemmt wird. Auch durch die düngergestützte Intensivlandwirtschaft geraten Nährstoffe in die Gewässer und landen schließlich im Meer. Dort lassen sie Algenblüten entstehen, wodurch dem Wasser Sauerstoff entzogen wird. Beispielsweise entstehen vor der Mündung des Mississippi im Golf von Mexiko regelmäßig riesige "tote Zonen", in denen Meeresbewohner mangels Sauerstoff zugrunde gehen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat verglichen mit ihrer Einwohnerzahl einen relativ hohen Anteil an der beschriebenen globalen Negativentwicklung - negativ insofern, als daß die Lebensvoraussetzungen der Meeresbewohner zerstört werden, was wiederum schwerwiegende sozioökonomische Folgen für Milliarden Menschen hat.

Ein erheblicher Teil der Stromproduktion Deutschlands entfällt auf heimische Braunkohle und importierte Steinkohle, die zu den klimaschädlichsten Energieträgern überhaupt zählen. Außerdem hat die Europäische Kommission vor zwei Jahren Klage vor dem Gerichtshof der EU gegen Deutschland eingereicht, da es seit Jahren die Nitratrichtlinie verletzt. In der Landwirtschaft wird so viel gedüngt, daß Böden, Grundwasser und Gewässer übermäßig mit Nitrat belastet werden. Deshalb entstehen beispielsweise in der Ostsee regelmäßig Algenblüten und tote Zonen.

Was sich erdgeschichtlich in sehr langen Zeiträumen abgespielt hat - gemessen an der industriellen Entwicklung von rund 200 Jahren - läuft durch menschliches Zutun viel schneller ab. So lag der vorindustrielle CO2-Gehalt der Atmosphäre bei 270 ppm, heute ist er 135 ppm höher. Noch wirken die kreidezeitlichen Verhältnisse sehr, sehr fern, aber zukunftstauglich ist die vorherrschende menschliche Wirtschafts- und Produktionsweise gewiß nicht.

Wenn man bedenkt, daß die ursprüngliche Erdatmosphäre vor vier Milliarden Jahren keinerlei freien Sauerstoff besaß und mehr als zwei Milliarden Jahre von Kohlendioxid, Wasserdampf und anderen, uns abträglichen Gasen wie Methan dominiert war, sind wir Sauerstoffatmer eigentlich der erdgeschichtliche "Störfall". Aber vielleicht arbeiten wir ja gegenwärtig selbstaufopferungsbereit daran, diesen zu korrigieren. Jedenfalls heißt es in der internationalen Klimapolitik nicht nur "America First!", auch andere Staaten wie Deutschland stellen ihr nationales Interesse dem globalen Klimaschutz voran.


Fußnoten:

[1] https://www.exeter.ac.uk/news/featurednews/title_644231_en.html

[2] http://www.pnas.org/content/early/2018/02/27/1715278115

26. März 2018


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