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KLIMA/639: Umwelt - ein Schelm, wer da nicht ... (SB)



Die US-Weltraumbehörde NASA hat angekündigt, daß sie ein Instrument zur präzisen Messung der Strahlungsbilanz der Erde nicht mehr weiterbauen läßt. [1] Angeblich soll das Projekt aufgrund technischer Schwierigkeiten gestrichen werden. Außerdem sei sowieso Ersatz vorhanden, wird behauptet. Allerdings wurde im vergangenen September mit Jim Bridenstine ausgerechnet eine Person als neuer Administrator der Weltraumbehörde nominiert, die als Kongreßabgeordneter für Oklahoma Anträge zur Streichung von Erdbeobachtungsprojekten der NASA gestellt und zudem die menschengemachte globale Erwärmung geleugnet hat. Das Aus für das sogenannte Radiation Budget Instrument (RBI) kommt offensichtlich in erster Linie aus politischen Gründen.

Seit über 30 Jahren mißt die NASA vom Weltraum aus, wieviel Strahlung die Erde absorbiert und wieviel sie reflektiert. Die eingehende Strahlung von der Sonne ist von kurzwelliger und die von der Erde ausgehende Strahlung langwelliger Natur. Anhand dieser Energiebilanz wird abgelesen, ob und inwiefern sich die Erde abkühlt oder aufheizt. Nach Angaben der NASA gibt es zur Zeit vier Satelliten im Orbit, die Sensoren an Bord haben, welche den Strahlungshaushalt messen. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit gering, daß es mit dem Ausfall des RBI zu einer Meßlücke kommen wird. Beispielsweise sei am 18. November 2017 an Bord des Satelliten Joint Polar Satellite System 1 (JPSS-1; heute NOAA-20 genannt) der Sensor CERES (Clouds and the Earth´s Radiant Energy System) ins All gebracht worden. Betreiberin ist die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA. RBI war für den zweiten Satelliten dieses Systems, JPSS-2, vorgesehen, der im November 2021 im Orbit ausgesetzt werden soll.

In den letzten beiden Jahren seien die Kosten zur Entwicklung des neuen Sensors RBI aufgrund technischer Probleme erheblich gewachsen, begründet die NASA ihre Entscheidung. Zwar hat Bridenstine noch nicht den Posten des NASA-Administrators inne, doch hat die Streichung des RBI-Projekts Geschmäckle. Hier stellt sich also die Frage, ob das Projekt auch dann eingestellt worden wäre, wenn statt eines erklärten Widersachers der wissenschaftlich begründeten Einschätzung, daß die menschengemachten Treibhausgasemissionen ausschlaggebend für die Erwärmung des Planeten sind, eine engagierte Klimaforscherin oder ein engagierter Klimaforscher für den Posten nominiert worden wäre.

Das RBI hätte dazu beitragen sollen, die Bedeutung von Wolken auf das Erdklima genauer zu bestimmen. Diese gehören zu den noch am wenigsten erforschten Phänomenen im Klimageschehen, da sie einer permanenten Veränderung unterliegen und ihre Bedeutung für den Strahlungshaushalt von einer Reihe von Faktoren abhängig ist. Wolken beeinflussen das tägliche Wetter, die mittelfristige Witterung und das langfristige Klima; ihr Verhalten ist äußerst komplex.

Wenn die NASA jetzt schreibt, daß es in den nächsten acht Jahren "wahrscheinlich zu keiner Lücke in den Daten" kommen wird, weil sich ja gegenwärtig "zwei relativ neue Instrumente" im Orbit befinden, so klingt das völlig anders als das, was die NASA noch vor wenigen Monaten zum RBI geschrieben hat. Dessen Aufgabe soll darin bestehen, die Kontinuität der Daten sicherzustellen, heißt es in einer Power-Point-Präsentation vom September 2017. [2]

Ist diese Aufgabe aus wissenschaftlicher Sicht auf einmal nicht mehr erforderlich, weil es technische Probleme bei der Verwirklichung des Konzepts sowie finanzielle Hürden gibt? Zweifellos sind aufgrund der erforderlichen komplexen Sensorik bei der Messung des Strahlungshaushalts immer wieder Schwierigkeiten aufgetreten. Bereits am 8. Juni 2015 hatte die NASA - ebenfalls aufgrund gestiegener Kosten und technischer Schwierigkeiten - vorübergehend den Bau des RBI durch die Firma Exelis, die zum RBI-Konstrukteur Harris Corporation gehört, gestoppt und eine Neuaufstellung angekündigt. [3]

Im Mai vergangenen Jahres wurde bekannt, daß die Regierung von US-Präsident Donald Trump beabsichtigt, die Finanzierung von fünf Erdbeobachtungsmissionen der NASA zu canceln, darunter auch die des RBI. NASA-Finanzchef Andrew Hunter erklärte bei einer Telekonferenz, es sei immer hart, eine Mission zu streichen, "aber das ist eine Sache der Prioritäten, und es handelt sich um eine budgetbedingte Entscheidung". [4]

Ebenfalls im vergangenen Jahr hatte zwar der US-Senat wiederum die finanzielle Förderung des RBI unter der Bedingung, daß keine weiteren Budgetüberschreitungen stattfinden, unterstützt, aber nach der jüngsten NASA-Meldung scheint das Projekt nun endgültig gestorben zu sein. Über ein Nachfolgemodell für weitere Satellitenmissionen (JPSS-3 und JPSS-4) zu spekulieren, ist zu diesem Zeitpunkt zu früh.

Weder Hunter noch andere NASA-Sprecher sagen unumwunden, was offensichtlich ist: "Budgetfragen" sind ausschließlich politische Fragen. Theoretisch wäre es möglich, daß sich Senat, Kongreß und das Weiße Haus darauf verständigten, die Gelder für die Klimaforschung mindestens zu verdoppeln oder zu verdreifachen, weil es für die Menschheit zur Zeit kaum Wichtigeres gibt, als die globale Erwärmung aufzuhalten. Damit wären dann die technischen Probleme bei der Verwirklichung des RBI-Konzepts noch nicht gelöst, aber vielleicht würden die Beteiligten aus der Forschung mehr Erfolge erzielen, weil sie von vornherein den Rahmen ihres Ansatzes größer wählen könnten.

Vom RBI allein hängt selbstverständlich nicht der Fortbestand der gesamten Klimaforschung der NASA ab, und diese hat kein Alleinstellungsmerkmal bei der Erdbeobachtung. Die Trump-Administration hat jedoch nicht zuletzt durch die Nominierung Bridenstines zum neuen NASA-Administrator die Weichen so gestellt, daß auch die Weltraumbehörde eine Politik des "America first!" betreibt, und mit "America" ist bekanntlich ausschließlich jenes eine Prozent gemeint, das den größeren Teil der Vermögenswerte der Vereinigten Staaten sein eigen nennt.

Die vom Klimawandel Betroffenen haben hingegen in Washington keine Lobby, das mußte im vergangenen Jahr die Bevölkerung der mit den USA assoziierten Karibikinsel Puerto Rico auf bittere Weise erfahren. Voller Verachtung für die von einem verheerenden Hurrikan heimgesuchten Menschen hat Trump bei einem Besuch der Insel als vorgebliches Zeichen des guten Willens ein paar billige Papiertuchrollen in die Menge geworfen. Diese verächtliche Geste bringt dieselbe Einstellung gegenüber Menschen in Not zum Ausdruck, wie sie bei der Ausrichtung der Ministerien und Behörden beim Abschied vom Klimaschutz zum Tragen kommt. Wenn der Meeresspiegel steigt und die Unwetter zunehmen, wissen die Wohlhabenden ihr Schäflein rechtzeitig ins Trockene zu bringen, wohingegen die Ärmeren die volle Wucht der Klimawandelfolgen zu spüren bekommen.


Fußnoten:

[1] https://www.nasa.gov/feature/nasa-cancels-earth-science-sensor-set-for-2021-launch

[2] https://ceres.larc.nasa.gov/documents/STM/2017-09/3b_Barki_RBI_Status_STM_GSFC_170926.pdf

[3] http://spacenews.com/nasa-tells-exelis-to-stop-work-on-jpss-2-instrument/

[4] https://www.space.com/36989-nasa-budget-cancels-five-earth-science-missions.html

29. Januar 2018


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