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KLIMA/585: CO2-Anstieg gibt Gas - COP 21 erweist sich mehr denn je als Farce (SB)


Keeling-Kurve im steilen Anstieg

CO2-Gehalt der Atmosphäre läßt bereits Schwelle von 400 ppm zurück


Die Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre wird als wichtigste Meßgröße des Klimawandels angesehen. Denn CO2 besitzt die Eigenschaft, die von der Erdoberfläche in Richtung Weltall reflektierte Sonneneinstrahlung aufzuhalten; dadurch wird die untere Atmosphäre erwärmt. Zudem existiert ein von der Wissenschaft als gesichert angesehener Zusammenhang zwischen der allgemeinen Erderwärmung und der Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Das gilt sowohl für den Zeitraum seit Beginn der regelmäßigen CO2-Messungen ab 1958 durch Charles David Keeling (Scripps Institution of Oceanography) auf dem auf Hawaii gelegenen Vulkan Mauna Loa als auch für die Rekonstruktion früherer Klimate durch sogenannte Proxydaten, die u.a. aus Baumringen, Eisbohrkernen und Sedimentablagerungen hergeleitet werden.

Die Meßstation, die in 3.400 Meter Höhe fernab industrieller und urbaner Emissionen auf der am äquatorialen Pazifik gelegenen Vulkaninsel errichtet wurde, ist bis heute als Zentrum der weltweiten CO2-Messungen anerkannt, wenngleich es in der Wissenschaft unstrittig ist, daß sich erstens das CO2 nicht gleichmäßig in der Atmosphäre verteilt - andere Stationen verzeichnen andere Meßergebnisse - und daß CO2 nicht das einzige Treibhausgas ist. Beispielsweise sind Methan (CH4), Lachgas (N2O), wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3) noch wirksamere Treibhausgase. Ihr Atmosphärenanteil ist allerdings erheblich geringer als der des CO2, so daß das Hauptaugenmerk im Bemühen, die globale Erwärmung zu bremsen, auf der Reduktion von CO2-Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern (Erdöl, Erdgas, Kohle) liegt.

Wenn also nun der atmosphärische CO2-Gehalt die wichtigste Kennziffer für das Voranschreiten des Klimawandels ist, so könnte man den Wert 400 ppm (ppm = parts per million) als einen wichtigen Schwellenwert bezeichnen. Er bedeutet, daß sich in einer Million Teilchen der Atmosphäre 400 Teilchen CO2 befinden (jahreszeitlich bedingte Schwankungen sind dabei berücksichtigt).

Am 21. Februar 2016 wurde auf Mauna Loa eine CO2-Konzentration von 405,94 ppm gemessen. Das ist der höchste jemals an dieser Station registrierte Wert! [1] Offenbar erfährt die CO2-Zunahme in jüngster Zeit sogar noch eine Beschleunigung, und damit ist nicht die von dem Forscher Ralph Keeling (dem Sohn von Charles David Keeling) bekanntgegebene Kalibrierung der Messungen auf Mauna Loa gemeint. Die hatte seit April vergangenen Jahres für eine plötzliche Konzentrationszunahme des CO2 um 0,4 ppm gesorgt. [2]

Der CO2-Gehalt nimmt beschleunigt zu, grob gesagt um drei statt zwei ppm pro Jahr; die sogenannte Keeling-Kurve befindet sich in einem stärker werdenden Anstieg. Das muß nicht so bleiben, es gibt viele Einflüsse, die ihn wieder "nur" linear verlaufen lassen können, aber alles in allem befindet sich die Erde anscheinend in einer jener Phasen, in denen der CO2-Gehalt - erstmals menschengemacht - und die globale Durchschnittstemperatur rasant zulegen.

Nach allem, was die Wissenschaft weiß, lag die CO2-Konzentration in den letzten drei Millionen Jahren nicht so hoch wie heute. Dementsprechend muß man damit rechnen, daß die globale Durchschnittstemperatur dieser Entwicklung folgen wird - mit beispiellosen Folgen für die Menschheit. Das besonders Gefährliche an dieser Entwicklung besteht darin, daß niemand weiß, wann irgendwelche Schwellenwerte überschritten werden, ab denen sich selbst verstärkende Dynamiken in Gang gesetzt werden, die durch keinerlei Maßnahmen mehr aufzuhalten sind. Typisches Beispiel dafür ist der erwärmungsbedingte Rückgang der arktischen Meereisfläche und damit ihrer - verglichen mit dem offenen Meer - hohe Rückstrahleigenschaft, Albedo genannt.

Der durch den CO2-Anstieg zum Ausdruck gebrachte Klimatrend trifft auf Voraussetzungen, die hinsichtlich des Lebens und Überlebens eines erheblichen Teils der Menschheit und ihrer Mitwelt alles andere als günstig erscheinen. Beispielsweise sind etwa 30 Prozent der globalen Landfläche, auf denen rund 3,2 Milliarden Menschen leben, von signifikanter Bodendegradation betroffen, heißt es in einer kürzlich erschienenen Studie. [3] Ein guter Boden ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für die Nahrungsproduktion und angesichts von gegenwärtig rund 800 Millionen Hungernden und zwei Milliarden Mangelernährten (Stichwort: versteckter Hunger) könnte man beinahe jeden weiteren Verlust an Boden in einen Verlust an Menschenleben umrechnen.

Eine andere Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde, betrifft die Wasserverfügbarkeit, also eine weitere sehr wichtige Überlebensvoraussetzung. Demnach leben vier Milliarden Menschen, das sind fast zwei Drittel der Menschheit, in Regionen, in denen sie durchschnittlich jedes Jahr einen Monat lang extremer Wasserarmut ausgesetzt sind. [4]

Nimmt man zu diesen beiden Studien jetzt noch die eindringlichen Warnungen seitens der Wissenschaft hinzu, daß die Gletscher schwinden und die beiden größten Eisschilde der Erde, auf Grönland und in der Antarktis, offenbar nicht so stabil sind, wie man es noch bis in die Nuller Jahre hinein gedacht hat, und in diesem Jahrhundert der globale Meeresspiegel um einen Meter und mehr steigen könnte - er steigt zur Zeit so schnell wie in den letzten 3.000 Jahren nicht [5], was dazu paßt, daß sich die Ozeane in den letzten beiden Jahrzehnten besonders schnell aufgeheizt haben [6] - wird die Bedeutung des ansonsten abstrakten Werts 405,94 ppm für den CO2-Gehalt der Atmosphäre greifbarer.

Was die Wissenschaft da im Nachvollzug längst stattgefundener und daher nicht mehr rückgängig zu machender Vorgänge festgestellt hat, wird nicht folgenlos für die menschliche Gesellschaft bleiben. Wer vor diesem Hintergrund glaubt, es sich leisten zu können, ein internationales Klimaschutzabkommen zu verabschieden, ohne die CO2-Produzenten des Flug- und Schiffsverkehr in die Verantwortung zu nehmen, wie im Dezember 2015 auf der COP 21 mit der Verabschiedung des Abkommens von Paris [7], spielt mit dem Feuer und läuft Gefahr, sich selbst zu verbrennen ...


Fußnoten:

[1] https://scripps.ucsd.edu/programs/keelingcurve/

[2] https://scripps.ucsd.edu/programs/keelingcurve/2015/11/09/measurement-note-an-adjustment-to-the-record/

[3] http://www.springer.com/de/book/9783319191676

[4] http://advances.sciencemag.org/content/2/2/e1500323

[5] http://www.pnas.org/content/early/2016/02/17/1517056113.full.pdf

[6] http://palgrave.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate2915.html

[7] http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09r01.pdf

23. Februar 2016


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