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KLIMA/565: Climate Engineering - "Plan B" zum "Clean Power Plan" der USA? (SB)


Für US-Präsident Barack Obama gibt es keinen Plan B zum Klimaschutz - doch was ist mit den Republikanern?

"Vor dem Hintergrund der bereits heute absehbaren Folgen des Klimawandels und den nur sehr geringen Fortschritten in der internationalen Klimapolitik gewinnt die neue Möglichkeit einer gezielten Regulierung des globalen Klimas an Bedeutung."
(Planungsamt der Bundeswehr [1])


US-Präsident Barack Obama hat am Montag den "Clean Power Plan" [2] vorgestellt. Das wichtigste Ziel ist darin die Reduzierung der CO2-Emissionen aus dem Stromsektor bis 2030 um 32 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2005. In seiner halbstündigen Rede sagte Obama: "Wir haben nur ein Zuhause, einen Planeten. Es gibt keinen Plan B." [3]

Damit liefert er das entscheidende Stichwort, das in der Klimawissenschaft einen festen Platz eingenommen hat: "Plan B" steht synonym für gezielte Maßnahmen der Klimabeeinflussung, auch Geoengineering oder Climate Engineering genannt. Die Vorstellung dahinter lautet, daß die Wissenschaft einen Plan B erforscht haben sollte, falls die internationalen Maßnahmen zum Klimaschutz nicht reichen und die globale Erwärmung mit vermehrten Unwetterkatastrophen einhergeht.

Jüngste Meldungen lassen die Ahnung aufkommen, daß der Klimawandel bereits katastrophale Ausmaße erreicht hat: Der Nahe und Mittlere Osten leidet unter einer extremen Hitzewelle. In der irakischen Stadt Basra stiegen die Temperaturen acht Tage hintereinander auf 48,5 Grad Celsius. Am Montag "kühlte" es ab auf 43,4 Grad - seit inzwischen 37 Tagen werden diese hohen Temperaturen erreicht. [4]

Jüngst meldeten Forscher des World Glacier Monitoring Services unter der Leitung der Universität Zürich, daß der Gletscherschwund im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts einen historischen Rekordwert seit Beginn der Messungen vor 120 Jahren erreicht hat. Die Geschwindigkeit der weltweiten Gletscherschmelze sei "beispiellos". Zudem sind die Gletscher in verschiedenen Regionen der Welt stark aus dem Gleichgewicht geraten und werden laut Studienleiter Michael Zemp "weiterhin Eis verlieren, selbst ohne fortschreitenden Klimawandel". [5]

Dazu paßt die jüngste Warnung des ehemaligen leitenden Klimawissenschaftlers der US-Raumfahrtbehörde NASA, James Hansen. Er brachte gemeinsam mit 16 Co-Autorinnen und -autoren eine Studie heraus, derzufolge der Meeresspiegel weltweit bis zum Jahr 2050 um drei Meter steigen könnte. [6]

Solche Meldungen könnten dazu beitragen, daß eine zukünftige US-Regierung auf Plan B und damit auf Maßnahmen zurückgreift, die unter dem Titel Geoengineering oder Climate Engineering subsumiert werden.

Wenn Barack Obama, vergleichbar mit der inzwischen als Redewendung etablierten Aussage der früheren britischen Premierminister Maggie Thatcher, "there is no alternative", behauptet, daß es keinen Plan B gibt, dann könnte man seine Aussage so deuten, daß es für ihn und die Politik, für die er steht, keinen Plan B gibt. Für die oppositionellen Republikaner hingegen stellt sich die Lage ganz anders aus. Sollten sie die nächste Präsidentschaftswahl gewinnen, könnten sie den als Verordnung der Umweltbehörde EPA eingebrachten Clean Power Plan kurzerhand wieder streichen. Anders verhielte es sich, wenn er als Gesetz durchgebracht worden wäre. Aber das hat Obama gar nicht erst versucht, da dies die Zustimmung des Kongresses vorausgesetzt hätte, und dort haben die Republikaner die Mehrheit. Sie hätten den Clean Power Plan abgeschmettert.

Aber, wie gesagt, nicht die Zurücknahme des Clean Power Plans im Falle eines Wahlsieg der Republikaner macht den Plan B aus, sondern die Erwartung rechtskonservativer Kreise in den USA, daß mit Climate Engineering die globale Erwärmung viel wirksamer und auch kostengünstiger ausgebremst werden könnte als mit der Verringerung der CO2-Emissionen, wie es die Demokraten bevorzugen. Vor dieser politischen Entwicklung warnt seit einigen Jahren der australische Philosoph Prof. Clive Hamilton. [7]

Außerdem ist Climate Engineering natürlich ein hervorragendes Geschäftskonzept, je mehr die Not der Menschen weltweit wächst. Nahezu alle entsprechenden Ideen und Vorschläge werden als jahre- bis jahrzehntelange und damit äußerst profitträchtige Maßnahmen entworfen. Dazu gehört beispielsweise das Düngen der Ozeane mit Eisen, wodurch das oberflächennahe Algenwachstum angeregt würde, was wiederum die Aufnahme der Ozeane mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre erhöhte; die künstliche Wolkenbildung mit Hilfe von Schiffen, die Wasser zerstäuben, so daß die Sonneneinstrahlung reflektiert wird; das Ausbringen von Schwefelpartikeln in der Stratosphäre, was ebenfalls die Einstrahlung verringern würde.

Sollte eine US-Regierung auf Climate Engineering setzen, dürfte es ihr schwerfallen, für diese Idee die Weltgemeinschaft zu gewinnen - sofern sie das überhaupt anstrebt. Denn bisher haben sich die politischen Entscheidungsträger im Weißen Haus nicht darin hervorgetan, auf die Interessen von Nationen einzugehen, die sich ihrem Diktat verweigern. Da Obama und die Demokraten mit ihrer Klimaschutzpolitik nicht nur große Teile der Bevölkerung hinter sich haben, sondern auch zahlreiche Unternehmen der "green economy", könnten die Republikaner demnächst zu punkten versuchen und den vermeintlich besseren Klimaschutz propagieren: Climate Engineering.

Das Thema birgt enormen politischen Sprengstoff. Würde mit solchen Maßnahmen begonnen, käme bei jeder Klimakatastrophe, die aufträte, sofort der Verdacht auf, daß das etwas mit der gezielten Manipulation des Klimas zu tun hätte.

Was vielleicht sogar zuträfe. Das Abwenden von Naturkatastrophen durch Climate Engineering wird seinerseits Naturkatastrophen auslösen. Wenn beispielsweise aufgrund von Schwefelinjektionen in der Stratosphäre die Niederschlagsmenge in China verringert würde, es dort dann weniger regnet, Mißernten auftreten und Unruhen ausbrechen, wäre es vom Standpunkt Chinas aus möglicherweise ein Kriegsgrund, würde diese Maßnahme des Climate Engineerings nicht unverzüglich wieder eingestellt. Ob die USA, die erklärtermaßen Weltherrschaft beanspruchen - Stichworte hierzu sind "full spectrum dominance" und "U.S. Global Leadership Coalition" -, dann Rücksicht auf Chinas vitale Interessen nehmen, ist ungewiß.

Die potentiell konfliktauslösenden Varianten der gezielten, relativ kurzfristig wirksamen Klimabeeinflussungen sind vielfältig, und so ist Obama zu widersprechen: Es gibt einen Plan B, und dessen Verwirklichung wäre für große Teile der Menschheit womöglich verheerender als die Folgen des Klimawandels selbst.


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/kkt78f9

[2] https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2015/08/03/fact-sheet-president-obama-announce-historic-carbon-pollution-standards

[3] https://youtu.be/r4lTx56WBv0

[4] http://www.weather.com/news/news/iraq-iran-heat-middle-east-125-degrees

[5] http://www.ingentaconnect.com/content/igsoc/jog/pre-prints/content-ings_jog_15j017

[6] http://www.atmos-chem-phys-discuss.net/15/20059/2015/acpd-15-20059-2015.pdf

[7] http://www.nytimes.com/2015/02/12/opinion/the-risks-of-climate-engineering.html
und
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0153.html

4. August 2015


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