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KLIMA/442: Globaler Wasserkreislauf gewinnt an Fahrt (SB)


Höherer Salzgehalt in größerer Meerestiefe

Forscher bestätigen Trend der Erderwärmung anhand seiner Folgen für die Ozeane


Zu den entscheidenden Fragen der Klimaforscher gehört es, Trends so frühzeitig wie möglich ausfindig zu machen und deren Folgen abzuschätzen. Hierbei wird allerdings das prinzipielle Problem nicht gelöst, daß die Forschung laufend im Hintertreffen ist, da stets nur Vergangenes bzw. bereits Eingetretenes gemessen werden kann. Das heißt, wenn die Erde wärmer wird, sagen die Forscher: "Vorsicht, die Erde erwärmt sich." Oder wenn das Ozonloch verschwindet und mehr zellzerstörende UV-Strahlung die Erdoberfläche erreicht, sagen sie: "Aufgepaßt, die Ozonschicht dünnt aus." Ungeachtet dieses fundamentalen Dilemmas macht es selbstverständlich einen großen Unterschied, ob nach dem Erkennen eines Trends rasch reagiert wird oder nicht. Die frühzeitige Prognose bietet die Chance, absehbare Folgewirkungen eindämmen zu können. Beim Schutz der Ozonschicht war es das Montrealer Abkommen, durch das die Herstellung ozonzerstörender Chemikalien, die in Kühlschränken, Haarsprays und anderen Produkten verwendet wurden, weltweit reduziert wurde.

Aber die wenigsten Trends lösen wie in diesem Beispiel eine vergleichsweise schnelle Antwort der Politik aus. Ein Gegenbeispiel ist die Erderwärmung, zu der die Emissionen von anthropogenen Treibhausgasen beitragen und die schon vor mehr als einem Jahrzehnt eingedämmt werden sollte. Das ist bis heute nicht gelungen. Im vergangenen Dezember waren die internationalen Klimaschutzverhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen auf der Kopenhagen-Konferenz kräftig vor die Wand gefahren - womit nicht behauptet werden soll, daß die Verhandlungen eine besonders hohe Geschwindigkeit besaßen oder daß das Kyoto-Protokoll überhaupt einem anderen Zwecke diente, als das vorherrschende kapitalistische Verwertungssystem auf den Klimaschutz anzuwenden.

Australische Forscher glauben nun, einem der zahlreichen Trends der Klimaentwicklung auf der Spur zu sein. Ihre aktuelle Analyse zur Entwicklung des Salzgehalts in verschiedenen Meerestiefen wirft keine neue Theorie zur Erderwärmung auf, aber sie bestätigt die Annahme, daß sich der globale Wasserkreislauf beschleunigt.

Das Forschergespann Paul Durack und Dr. Susan Wijffels von der australischen Forschungsorganisation CSIRO hat aus den letzten fünfzig Jahren Daten über den Salzgehalt der Ozeane in verschiedenen Meerestiefen ausgewertet und herausgefunden, daß der höhere Salzgehalt des Wassers, der als Folge der stärkeren Verdunstung im oberen, erwärmten Wasserbereich auftritt, inzwischen tiefere Schichten erreicht hat. Durack und Wijffels bezeichnen die Veränderungen der Salinität als groß. Das übe einen signifikanten Einfluß auf die Schichtung der Ozeane und ihre Dichte aus, schrieben sie. Das wiederum habe vor allem in den höheren Breiten, wo der Salzgehalt ein wichtiger dynamischer Faktor sei, Einfluß auf die Zirkulation. [1]

Die durchschnittliche Temperatur des Meerwassers ist seit 1950 um rund 0,4 Grad Celsius gestiegen. Auf den ersten Blick wirkt der Wert vernachlässigbar, aber abgesehen davon, daß sich aus einem Mittelwert keine Rückschlüsse auf mögliche Extreme ziehen lassen, sind 0,4 Grad in der Meeresforschung sehr wohl relevant. Die Ozeane reagieren sehr träge auf klimatische Veränderungen; befristete Trends spiegeln sich erst gar nicht in den Meerestemperaturen wider. Somit können 0,4 Grad Celsius als klarer Trend angesehen werden.

Die Forschergruppe hat mehr als 1,6 Millionen Profile zur Salinität, potentiellen Temperatur und neutralen Dichte aus historischen Archiven sowie dem internationalen Argo-Programm [2] aus dem Zeitraum 1950 bis 2008 ausgewertet. Dabei wurde darauf geachtet, die saisonalen Einflüsse und die durch das Klimaphänomen El Niño Southern Oscillation herauszurechnen. Nach Einschätzung Duracks, Doktorand am Quantitativen Meeresforschungsprogramm der Universität von Tasmanien, beweisen ihre Ergebnisse, die demnächst im "Journal of Climate" [3] veröffentlicht werden sollen, daß wärmegetriebene Veränderungen tiefer in die Ozeane hinabreichen als vermutet.

Wenn der globale Wasserkreislauf Fahrt aufnimmt, gilt das als Bestätigung dafür, daß die Erderwärmung sprichwörtlich umwälzende Veränderungen auslöst. Da sich die Menschen auf die gegebenen Bedingungen eingestellt haben, dürften solche Veränderungen eher negative Auswirkungen haben.

Andere Forscher rechnen damit, daß die Erderwärmung die Meeresschichten stabilisiert. In der aktuellen Studie wird dagegen die Erderwärmung mit einer Beschleunigung des Wasserkreislaufs und tief hinabreichenden Umwälzungen aufgrund des höheren Salzgehalts in Verbindung gebracht. Eine zuverlässige Prognose ist daher kaum zu treffen, da unklar bleibt, welche der beiden Kräfte sich durchsetzt. Eine zentrale Lebensvoraussetzung auf dem Planeten Erde, der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre, wird von der Meeresforschung geradezu stiefmütterlich behandelt, obgleich die Ozeane den wichtigsten Einzelfaktor darstellen, durch den Sauerstoff in die Erdatmosphäre gelangt. Die Wechselverhältnisse von Sauerstoffgehalt und Schichtung, Kohlendioxidaufnahme und Versauerung der Meere sollten von einer problembewußten Klimaforschung nicht vernachlässigt werden.


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Anmerkungen:

[1] "Ocean Salinities Show an Intensified Water Cycle; Large Salinity Changes Will Eventually Influence Ocean Circulation", Green Car Congress, 17. April 2010
http://www.favstocks.com/ocean-salinities-show-an-intensified-water-cycle-large-salinity-changes-will-eventually-influence-ocean-circulation/178868/

[2] Beim Argo-Programm werden mittels gegenwärtig 3255 Bojen (Stand: 18.4.2010) Salzgehalt und Temperatur der Ozeane in bis zu zwei Kilometern Tiefe registriert. Einige Bojen verfügen auch über Meßinstrumente zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts und anderer physikalischer Faktoren. Die Adresse der offizielle Website lautet: http://www.argo.ucsd.edu/index.html

[3] "Fifty-year Trends in Global Ocean Salinities and Their Relationship to Broad-Scale Warming", Paul Durack und Susan Wijffels, Journal of Climate (in Vorbereitung), doi: 10.1175/2010JCLI3377.1

19. April 2010