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KLIMA/292: Antiterrorgesetze gegen britische Klimaschützer (SB)


Protestlager am Londoner Flughafen Heathrow eingerichtet

Polizei plant hartes Vorgehen auf der Basis der Antiterrorgesetzgebung gegen Protestierer


In Großbritannien hat sich eine Koalition aus zahlreichen Umwelt- und Klimaschutzgruppen sowie Bürgerinitiativen zur Dachorganisation "Airport Watch" zusammengeschlossen, um allgemein gegen die Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs und konkret gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn am Londoner Flughafen Heathrow zu protestieren. Zwei Tage früher als gedacht, haben sie am heutigen Montagmorgen ein Protestlager auf dem vorgesehenen Baugelände bei Heathrow aufgeschlagen.

Der Protest hatte im Vorfeld für einigen Wirbel gesorgt, denn der Flughafenbetreiber hatte versucht, eine gerichtliche Verfügung gegen die Demonstranten zu erwirken. Zudem wurde bekannt, daß die Polizisten, die zur Bewachung des Flughafengeländes abgestellt werden sollten, die Anweisung erhalten haben, die Möglichkeiten, die ihnen die Antiterrorgesetze einräumen, auszuschöpfen.

Es ist zwar keine wirkliche Neuigkeit, daß die Antiterrorismuskampagne mitsamt ihrer massiven Verschärfung der Gesetze in zahlreichen Ländern keineswegs allein zur Eindämmung eines verschwindend kleinen Kreises von sogenannten islamischen Fundamentalisten dienen sollte (von denen im übrigen auffällig viele teils sehr enge Verbindungen zu Geheimdienstkreisen unterhielten), aber daß jetzt auch Klimaschützer, die lediglich ihr verbrieftes Recht, demonstrieren zu dürfen, in Anspruch nehmen, in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, stellt einen weiteren Qualitätssprung auf dem Weg in den totalen Sicherheitsstaats dar.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA verlegten sich einige Staaten darauf, ihre heimischen Rebellenorganisationen als Terroristen zu brandmarken und sie nach entsprechend schärferen Antiterrorgesetzen abzuurteilen. In den USA wurden radikale Tier- und Naturschützer als "gefährlichste heimische Terrorbewegung" bezeichnet; inzwischen wurden die ersten, die man gefaßt hat, mit langjährigen Haftstrafen belegt. Dem britischen "Ufo-Hacker" Gary McKinnon droht nicht nur die Auslieferung an die USA, sondern auch eine lebenslängliche Haftstrafe aufgrund der Terrorismusgesetze. Und in Deutschland sitzen vier Personen in Untersuchungshaft, die nach Paragraph StGb 129a beschuldigt werden, der terroristischen Vereinigung Militante Gruppe (mg) anzugehören. Konkret wird dreien von ihnen versuchte Brandstiftung vorgeworfen, dem vierten, dem Berliner Universitätsdozenten Andrej H., lediglich, für Schriften der mg verantwortlich zu sein, da in ihnen ähnliche Wörter verwendet wurden wie in seinen Abhandlungen.

Nun werden also auch die britischen Klimaschützer nach den scharfen Terrorismusgesetzen verfolgt. Obwohl der Versuch der British Airports Authority (BAA), die für den Flughafen Heathrow verantwortlich ist, abgewehrt wurde und sich das Hohe Gericht in London weitgehend für die Bewahrung des Demonstrationsrechts aussprach, muß der Vorgang als brisant angesehen werden, weil die Erfolgschancen der BAA gar nicht so schlecht standen. Hätte sich deren berüchtigter Anwalt Timothy Lawson-Cruttenden mit seinen zahlreichen Detailforderungen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts durchgesetzt, hätte die Polizei die Mitglieder aller zur Dachorganisation "Airport Action" zusammengeschlossenen Klimaschutzgruppen, die zusammen rund fünf Millionen Mitglieder zählen, bereits dann verhaften dürfen, wenn sie sich beispielsweise per U-Bahn in Richtung Heathrow bewegt hätten, ohne dies 24 Stunden vorher anzukündigen. Es hätte also nicht einmal ihre Absicht sein müssen, an den Protesten teilzunehmen. Aber selbst wenn, stellt ein solcher Passus in der britischen Terrorismusgesetzgebung eine scharfe Einschränkungen des Demonstrationsrechts dar.

Bei all dem verständlichen Jubel der Protestierer über "ihren" Sieg vor dem Hohen Gericht wird allerdings vergessen, daß es einer Beschwerde des Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone gegen den BAA-Antrag stattgab. Der "rote Ken" ist für seine liberale Haltung bekannt - was wäre aber, wenn die britische Hauptstadt eines Tages von einem konservativen Vertreter der britischen High Society regiert wird?

Im übrigen hat das Gericht eindeutig versucht, einen Keil in die Klimaschutzbewegung zu treiben, indem es drei namentlich bekannte Personen und der als radikal angesehenen Gruppe "Plane Stupid" verbot, sich an dem Protestlager zu beteiligen. Die Organisation hat daraus die Konsequenz gezogen und statt dessen ein Protestcamp auf einem Lastkahn auf dem nordwalisischen Fluß Dee eingerichtet, auf dem ein Flugzeugflügel für den Airbus A 380 nach Toulouse befördert werden sollte.

Desweiteren hat die Polizei eine Frau für 30 Stunden in Haft genommen, die lediglich mit dem Fahrrad am Flughafengelände von Heathrow vorbeigefahren ist. Solch willkürliche Vorgehen der Polizisten deckt sich mit dem Auftrag, den die Beamten im Vorfeld erhalten hatten. In der vergangenen Woche sagte ein leitender Polizist bei der Anhörung vor dem Hohen Gericht, daß die Polizei von der Regierung angewiesen worden sei, von den rechtlichen Möglichkeiten, die ihnen das Terrorism Act 2000 biete, reichlich Gebrauch zu machen. Dazu zählen verdachtsunabhängige Kontrolle von Fahrzeugen und Personen. Auch wurden die Beamten darauf eingestimmt, "hart" gegen die Protestierer vorzugehen, wie es die Antiterrorgesetzgebung erlaube.

Von weitreichender Bedeutung für die Zukunft dürfte sich die Begründung der Polizei für die Durchführung restriktiver Maßnahmen gewesen sein: Die Beamten würden wegen der vielen Demonstranten am Flughafen davon abgehalten, terroristische Gefahren abzuwehren. Mit diesem Argument wird ein willkürlicher Zusammenhang zwischen möglichen Anschlägen und Protestierern gezogen. Sollte es tatsächlich zu einem Anschlag kommen, hätte man bereits einen Sündenbock gefunden, dem zwar nicht die Tat, aber die Verhinderung der Verhinderung der Tat zur Last gelegt werden könnte.

Inzwischen haben bereits Dutzende Polizisten das von rund 250 Protestierern aufgebaute Zeltlager durchkämmt und mit den Organisatoren ausgehandelt, daß vier Beamten ständig präsent sein dürfen. Big Brother is watching you. Ähnliche Pseudo-Kooperationen der Polizei mit Demonstranten hatte es Anfang Juni beim G8-Gipfel in Heiligendamm gegeben. Die Lage eskalierte zeitweilig dennoch, und bis heute ist unklar, wieviele schwarz gekleidete und vermummte Aufwiegler die Polizei über die bereits enttarnten hinaus eingesetzt hatte, um sich einen Vorwand zu verschaffen, hart gegen die Protestierer vorzugehen.

Dem Bewohnern des Camp for Climate Change beim Flughafen Heathrow und ihren Unterstützern drohen ähnliche Repressionen, wie sie hierzulande etliche G8-Protestierer erleiden mußten: Sie wurden festgenommen, in Drahtkäfige gesteckt und ihnen wurde das Recht auf einen anwaltlichen Schutz verweigert. Die britischen Klimaschützer müssen erfahren, daß es gefährlich werden kann, die vorgegebenen Bahnen des Klimaschutzes (Ökosteuer, Ablaßbriefe für CO2-Emissionen, etc.) zu verlassen, um ein in seinen Ausmaßen kaum zu erfassenden Problem wie das der Erderwärmung in Angriff zu nehmen.

13. August 2007