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ATOM/360: Bezichtigungskarussel - Merkel fordert Sanktionen gegen Iran (SB)


Anfangsverdacht, hier wie da ...

Wer ist ein "Schurkenstaat" und wer zählt zu den "Guten"?


Der Islamischen Republik Iran wird von Deutschland und anderen Staaten vorgeworfen, sie strebe nach der Atombombe. Begründet wird dieser Verdacht mit der angeblich unzureichenden Zusammenarbeit des Landes mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), was eine Verletzung des Atomwaffensperrvertrags darstelle, und angeblichen Beweisen, die dem UN-Sicherheitsrat vorliegen. Am Rande des Atomgipfels, der diese Woche in Washington abgehalten wurde, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel die rasche Verhängung von härteren Sanktionen gegen Iran. Dessen Regierung beteuert unablässig, es strebe nicht den Bau einer Atombombe an, ihr Nuklearprogramm sei rein zivil. Die Urananreicherung diene ausschließlich dem Zweck der Herstellung von Brennmaterial für Kernkraftwerke. (Hierfür sind Anreicherungsgrade von drei bis fünf Prozent erforderlich, für Kernwaffen, die eine nukleare Kettenreaktion auslösen, muß der Reinheitsgrad mindestens 85 Prozent betragen.)

Ist der Regierung Irans zu glauben? Ist irgendeiner anderen Regierung, die Atomenergie beaufsichtigt, zu trauen? Im folgenden beschreiben wir einen Staat, gegen den keine Sanktionen im Gespräch sind, obgleich es bis in die jüngere Geschichte hinein Irritationen hinsichtlich seiner nuklearen Ambitionen gab. Jener Staat betreibt den weltweit einzigen Forschungsreaktor, der mit hochangreichertem Uran (> 20 % Anreicherung) betrieben wird. Die Regierung beteuert, daß das radioaktive Material ausschließlich für friedliche Zwecke verwendet wird, beispielsweise als Neutronenquelle für Forschungen in Medizin, Physik und Materialwissenschaften. Die US-Regierung hat allerdings ihre ernsthaften Bedenken geäußert, als im Jahr 2004 der im Süden des Landes stehende und einer Universität zugeordnete Forschungsreaktor in Betrieb ging, und sie hat unter anderem an die zuständige Landesregierung appelliert, von dem Vorhaben abzulassen. Doch die seit Jahrzehnten mit großer Mehrheit alleinregierende Partei, die sich bereits durch ihre Namensgebung zur Religiosität bekennt und dessen langjähriger Vorsitzender eindeutig nach der Atombombe gegriffen hat, beharrte auf ihr Recht, einen solchen Forschungsreaktor in Betrieb nehmen zu dürfen. Damit hat sie sich auch gegen das fortschrittlicher denkende Volk gestellt, das viel eher bereit war, westlichen Werten zu folgen, und versucht hat, Bau und Inbetriebnahme des Reaktors mit demokratischen Mitteln zu verhindern.

Auffällig geworden ist jener Staat in der jüngeren Geschichte durch mysteriöse Vorfälle im Zusammenhang mit dem weltweit deutlichsten Leukämie-Cluster bei Kindern. Typischerweise entsteht Leukämie durch radioaktive Verstrahlungen. Möglicherweise wird jenes Land von einem teils geheimen nukleartechnologischen Netzwerk durchzogen, denn jener Cluster trat nicht im Süden beim oben genannten Forschungsreaktor auf, sondern im Norden in der Nähe zweier weiterer Nukleareinrichtungen. Eine von beiden, die über einen Forschungsreaktor verfügt, wurde elf Jahre nach dem Sieg der internationalen Gemeinschaft über ein Terrorregime, das mit dem Bau einer Atombombe liebäugelt hat, gegründet und hat an Atomantrieben geforscht.

Angeblich wurden die Forschungen eingestellt, doch ließ ein Vorfall aus dem Jahr 1986 aufhorchen. Damals berichteten mehrere Zeugen unabhängig voneinander, es habe auf dem Gelände der Forschungsanlage ein merkwürdiges gelb-bläuliches, rauchloses Feuer gegeben, das sie so noch nie gesehen hätten. Zunächst wurde dem Vorfall seitens der Öffentlichkeit keine weitere Beachtung geschenkt, aber da bei einem in der Nähe stehenden Kernkraftwerk erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen wurden, die eigene Anlage dafür jedoch nicht in Frage kam, zugleich aber immer mehr Kinder in der Region an Leukämie erkrankten, kam der Verdacht auf, daß es auf dem Gelände der anderen Nukleareinrichtung bzw. in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu einem Unfall mit Freisetzung radioaktiven Materials gekommen war.

Fünf Jahre darauf wurde ausgerechnet der Aktenschrank mit den Einsatzprotokollen der örtlichen Feuerwehr, die zu dem Brand bei der Nukleareinrichtung gerufen worden war und womöglich näheren Aufschluß über den Vorfall hätte liefern können, unter mysteriösen Umständen Opfer eines Feuers - rechtzeitig bevor eine Untersuchungskommission Zugriff auf die Informationen nehmen konnte. Das sorgte für den Verdacht, daß das Land Nuklearforschung betrieb und dies zu verschleiern versuchte. Zumal, das sollte nicht unerwähnt bleiben, eine von der Landesregierung eingesetzte Untersuchungskommission zum Leukämie-Cluster (eine von mehreren Kommissionen, die sich mit dem Thema befaßt hat) ihre Arbeit mit dem Ergebnis beendete, daß sechs der acht Experten der Kommission ihre Unzufriedenheit über die Zusammenarbeit mit der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck brachten und aus Protest ihre Tätigkeit aufkündigten. Man wolle künftig mit Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, lautete das für die Landesregierung vernichtende Urteil jener Nuklearfachleute.

Eben solch eine Nichtregierungsorganisation hatte Bodenproben aus der Region bei einem unabhängigen Institut im Ausland - die heimischen Institute hatten den Auftrag abgelehnt - prüfen lassen. Es fand heraus, daß die Bodenproben PACs (Plutonium, Americium, Curium) enthielten, wie sie weder vom normalen Betrieb eines Kernkraftwerks noch von oberirdischen Atombombentests der sechziger Jahre noch von der Havarie des Tschernobyl-Reaktors 1986 hätten freigesetzt werden können. Eine mögliche Erklärung lautet, daß die PACs im Rahmen von Versuchen, Mini-Nukes - kleindimensionierte Atombomben - herzustellen, entstanden sind. Dieser Vermutung widersprachen andere Wissenschaftler, typischerweise aus dem Land, in dem diese Vorfälle geschehen sind.

Bis heute reißt die Serie an Leukämie-Erkrankungen nicht ab. Die Behörden mauern, nachdem sie verschiedentlich Untersuchungskommissionen eingesetzt hatten, deren Arbeit entweder behindert wurde, sobald sie unbequeme Fragen stellte, oder die auf Abwege geführt wurde, so daß am Ende niemand etwas Genaues wußte und der Cluster als womöglich zufällig eingeschätzt wurde. Abschließend sei noch erwähnt, daß Wissenschaftler jenes Landes in der Nuklearforschung tätig sind und regelmäßig Artikel in den entsprechenden Fachpublikationen über Themen, die mit dem Bau der Atombombe zu tun haben, platzieren.

Sind nicht all das ausreichend Gründe für einen Anfangsverdacht gegen jenen Staat, die sich qualitativ nicht vom Anfangsverdacht gegen den Iran unterscheiden? Der Vollständigkeit halber sei hier der Name jenes Staates genannt, auch wenn er auf der Hand liegt: Deutschland.

14. April 2010