Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

ATOM/336: Britannien verzichtet auf unabhängige Gutachter (SB)


Renaissance der Nuklearenergie in Großbritannien

Regierung schafft unabhängiges Beraterkomitee zur nuklearen Sicherheit ab


Die britische Regierung hat beschlossen, eine Reihe neuer Kernkraftwerke zu bauen, um die Energieversorgung des Landes in Zukunft zu gewährleisten. Dazu werden gegenwärtig die Weichen gestellt, und es kommt der Eindruck auf, als solle der künftige Betrieb der Meiler durch eine Umorganisation der Aufsichtsbehörden erleichtert werden - zu Lasten der Sicherheit. Diese Vermutung drängt sich auf, denn wie die Zeitung "The Guardian" (17.2.2009) berichtete, soll ein seit fast fünfzig Jahren bestehendes unabhängiges Beraterkomitee für Sicherheitsfragen abgeschafft werden.

Das Nuclear Safety Advisory Committee (NuSAC) setzt sich aus 19 Personen, die unter anderem aus der Wissenschaft, Wirtschaft und den Gewerkschaften stammen und für ihre Beratungstätigkeit nicht bezahlt werden, zusammen. NuSAC hat bislang der Health and Safety Executive (HSE) zugearbeitet, doch anscheinend glaubt die Regierung, daß der Rat des manchmal recht unbequemen Komitees nicht mehr benötigt wird. Jedenfalls ist in den Plänen des führenden Kernenergieberaters der britischen Regierung, des Ökonomen Tim Stone, kein Platz für die NuSAC oder eine Nachfolgeorganisation vorhanden. Stone empfiehlt zwar, das HSE umzustrukturieren und seinen Personalbestand zu erweitern, aber die Einrichtung eines Beraterkomitee hält er offenbar nicht für erforderlich.

Die Abschaffung NuSACs erfolgte still und leise. Im September vergangenen Jahres wurden die Mitglieder darüber in Kenntnis gesetzt, daß ihr nächstes Treffen gestrichen wurde. Im Oktober erfolgte die offizielle Auflösung des Komitees. "Die Art, wie wir behandelt wurden, war ehrlich gesagt schäbig", sagte ein ehemaliges NuSAC-Mitglied.

Laut dem "Guardian" zeigten sich die Mitglieder besorgt darüber, daß das Fehlen eines unabhängigen Ratschlags die Sicherheit der Anlagen gefährden könnte, insbesondere mit Blick auf die geplanten neuen Reaktoren. "Das war genau der richtige Zeitpunkt, um einen potentiellen Nörgler und Quertreiber in der Arbeit der 'brave new world' des Baus und der Aufsicht von Nuklearanlagen loszuwerden", zitiert die Zeitung ein namentlich nicht genanntes ehemaliges NuSAC-Mitglied.

In jüngster Zeit hatte das Komitee heftige Kritik insbesondere an den Mittelkürzungen für die Beseitigung von Nuklearabfall geäußert. In einem unveröffentlichten Bericht vom Juli 2008 warnt NuSAC, daß die Programme zum Umgang mit Nuklearabfall beim Abbau des riesigen Nuklearkomplexes Sellafield in Cumbria und anderer älterer Anlagen "erhebliche Unzuverlässigkeiten" erfahren hätten und daß Zweifel bleiben, ob den großen Gefahren angemessen begegnet werden könne.

Noch steht nicht fest, wie viele neue Kernkraftwerke Britannien bauen will, im Sommer vergangenen Jahres sprach Premierminister Gordon Brown von mindestens acht neuen Anlagen. Angesichts der teils schweren Störfälle in Großbritannien seit fünfzig Jahren und den Mengen an radioaktiven Partikeln, die von den Nuklearanlagen permanent an Luft und Wasser abgegeben werden - die Sedimente an radioaktiven Partikeln in der Irische See könnten wirtschaftlich bald abbauwürdig sein -, stellt jede Rücknahme von Sicherheitsmaßnahmen eine potentielle Gefahr dar, daß entgegen den Beteuerungen der Nuklearwirtschaft die radioaktiven Emissionen in Zukunft sogar noch zunehmen werden.

19. Februar 2009