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ATOM/335: Die Tage des Endlagers Yucca Mountain dürften gezählt sein (SB)


Neue US-Regierung bislang gegen Yucca Mountain als Endlager

US-Bürger nehmen den Konzernen einen erheblichen Teil der Kosten für die Lagerung von Nuklearabfall ab

Zig Milliarden Dollar vermutlich in den Sand gesetzt


Die Kernenergie sei klimafreundlich, behaupten ihre Lobbyisten und verweisen schelmisch auf den harmlosen Wasserdampf, der aus den Kühltürmen aufsteigt. Die Behauptung fällt allerdings in die gleiche Kategorie wie die, daß der Strom aus der Steckdose kommt. Denn an welcher Stelle der Infrastruktur der Kernenergienutzung auch immer man ansetzt, es wird Energie verbraucht. Das gilt insbesondere für den Abbau von uranhaltigem Gestein und der Anreicherung bis hin zur Produktion der Brennelemente. Aber auch in der Nachbereitung des Nuklearabfalls wird Energie verbraucht - und das, keineswegs ein Widerspruch, bereits im Vorwege.

Wohin mit dem radioaktiven Abfall, hatten kritische Stimmen zu Beginn des Nuklearzeitalters vor rund einem halben Jahrhundert gefragt. Das sehen wird dann schon, laßt schon mal loslegen, lautete die Antwort der Befürworter der Nukleartechnologie. Die war ursprünglich sogar damit beworben worden, daß künftig jeder Haushalt kostenlos Energie erhalten sollte, so billig sei sie herzustellen.

Inzwischen sollte Ernüchterung eingekehrt sein, doch die Nuklearwirtschaft hat sich als Trittbrettfahrer auf den Öko-Zug aufgeschwungen. Sie will ihrer Branche zu einem zweiten Frühling verhelfen, indem sie den Blick der Öffentlichkeit auf jene Kühltürme zu lenken versucht, ähnlich wie der gewiefte Autohändler seinem Kunden das tolle Stereoradio vorführt, während der Wagen selbst bei der nächsten Kurve auseinanderzufallen droht. So wie die Folgekosten solch einer Täuschung den einzelnen Autokäufer womöglich empfindlich treffen können, werden die Folgekosten der Nukleartechnologie der gesamten Gesellschaft schwer zu schaffen machen.

Ein typisches Beispiel liefert der Yucca Mountain im US-Bundesstaat Nevada. Er ähnelt in mancher Hinsicht dem (ehemaligen?) Endlagerstandort Gorleben in Deutschland. Das Endlager Yucca Mountain, vor über zwei Jahrzehnten beschlossen, hat mittlerweile neun Milliarden Dollar gekostet. Das Geld wurde nicht dafür ausgegeben, daß die Empfänger Däumchen drehen und vor ihrem Kamin Rauchringe in die Luft blasen, sondern damit sie das Vulkangebirge erkunden, Schächte anlegen oder erweitern, Bohrungen vornehmen, Straßen teeren, Zäune ziehen, Gutachten erstellen (und schönfärben), Erdbebenschäden ausbessern und vieles, vieles mehr - was eben so unternommen wird, um ein Endlagerprojekt in einer seismisch regen Region durchzubringen. Während dieser gut 20 Jahre wurden von allen Menschen, die mit dem Yucca-Mountain-Konzept befaßt waren, große Mengen Kohlendioxid produziert und ins Endlager namens Atmosphäre emittiert. Ins Bild gebracht, läßt die Summe der CO2-Emissionen den weißen Dampf aus den Kühltürmen schweflig gelb erscheinen.

Und die Geschichte geht weiter. Nach Einschätzung des für den Endlagerstandort zuständigen US-Energieministeriums muß der Zeitpunkt, ab dem Nuklearabfall in die Stollen eingefahren werden kann, erneut um Jahre verschoben werden. Zuletzt hatte es geheißen, daß die Arbeit im Jahr 2017 beginnen kann, aktuell wird von frühestens 2020 gesprochen. In der ursprünglichen Planung wurde von 1998 ausgegangen. [1]

Ganz und gar absurd wird es, wenn man berücksichtigt, daß die ursprünglich angegebene Füllmenge von über 70.000 Tonnen [2] gar nicht reicht, um den gesamten Nuklearabfall der USA aufzunehmen, aber daß - zumindest war dies früher so geplant - nur ein Endlagerstandort eingerichtet werden soll. Der Überhang könnte also an den Nuklearstandorten in entsprechend schwach gesicherten Zwischenlagern verbleiben, die damit faktisch zu Endlagern werden.

Die Betreiber der Kernkraftwerke der Vereinigten Staaten haben mehr als 25 Milliarden Dollar an den Nuclear Waste Fund der Regierung gezahlt, damit das Energieministerium das Endlager im Yucca Mountain einrichtet. Das Stichjahr lautet jedoch 1998. Aufgrund der Verzögerungen kommt das Ministerium für die zusätzlichen Lagerkosten der Kernkraftwerksbetreiber auf. Die im Jahre 2020 anstehende Summe der Lagerkosten beläuft sich auf elf Milliarden Dollar. [1] Das Geld wird selbstverständlich aus Steuergeldern finanziert, was bedeutet, daß die US-Bürger seit 1998 einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Lagerkosten für nuklearen Abfall der Konzerne bezahlen müssen.

Bislang haben alle US-Regierungen den Endlagerstandort Yucca Mountain am Leben gelassen, Präsident George W. Bush hat das Projekt sogar vorangetrieben. Unter Barack Obama droht Yucca Mountain als Endlagerstandort das Aus. Zwar sollte man sich nicht darauf verlassen, daß Politiker tatsächlich einhalten, was sie sagen, um gewählt zu werden, aber wenn man einmal annimmt, Obama stehe zu dem, was er verkündet hat, dann ist Yucca Mountain gestorben. Der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid aus Nevada, ist fest davon überzeugt, daß die Zeit für den Endlagerstandort Yucca Mountain abgelaufen ist. [3] Gewißheit wird es auf jeden Fall geben, wenn Obama im Laufe dieses Monats den Haushalt für 2010 vorstellt. Dann wird man sehen, ob und inwiefern das Energieministerium Geld zur Erschließung des Yucca Mountains als Endlager für radioaktiven Abfall aufrechterhält.


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Anmerkungen:

[1] "Transport plan puts Yucca back to 2020", World Nuclear News, 19. Januar 2009.
http://www.world-nuclear-news.org/newsarticle.aspx?id=24418

[2] Im einzelnen sind dies bislang 63.000 Tonnen Schwermetalle (tHM - tonnes of heavy metal) an kommerziell genutztem Kernbrennstoff, 2333 tHM aus Kernwaffenproduktion, Forschungsreaktoren, sonstigen Reaktoren und von nukleargetriebenen Schiffen und U-Booten sowie 4667 tHM aus der Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen aus der kommerziellen und militärischen Nutzung.
Im Jahr 2007 beschloss das Energieministerium, die Füllmenge auf 135.000 Tonnen nahezu zu verdoppeln.

[3] "Yucca mountain: Will Obama starve the beast? Reid thinks so", Las Vegas Sun, 13. Januar 2009.
http://www.lasvegassun.com/news/2009/jan/13/will-obama-starve-beast-reid -thinks-so/

17. Februar 2009