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ATOM/313: Vertuschung von Unfällen in Zeiten des Terrorkriegs (SB)


Unfall in US-Uranfabrik jahrelang vertuscht

Gelbe Flüssigkeit rann unter dem Türschlitz durch


In einer Nuklearfabrik der USA war es vor einigen Jahren zu einem brisanten Unfall mit hochradioaktivem Strahlenmaterial gekommen. Weil die Nukleare Aufsichtsbehörde der USA seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sämtliche Daten über den Umgang mit solchen Strahlenstoffen unter Verschluß hält, wurde der brisante Vorfall verschwiegen.

Seit über drei Jahren wird in den USA im Namen der Nationalen Sicherheit alles unter den Tisch gekehrt, was mit dem Umgang mit hochangreichertem Uran zu tun hat. Mehr als 1740 Dokumente seien aus öffentlichen Archiven herausgenommen und mit dem Stempel "Official Use Only" (Nur für internen Gebrauch) versehen worden, meldete die Nachrichtenagentur AP (20.8.2007).

Erst im vergangenen Monat hatte die Nuclear Regulatory Commission (NRC) im Zuge einer behördlichen Anweisung an das Unternehmen Nuclear Fuel Services Inc., das eine Uranfabrik in Erwin, rund 180 Kilometer nördlich von Knoxville im Bundesstaat Tennessee, betreibt, über mehrere Verletzungen der Sicherheit berichtet. Die NRC hatte das Unternehmen, das seit den sechziger Jahren die nuklearbetriebenen Kriegsschiffe der USA mit Uranbrennstoff beliefert und inzwischen auch die Bestände an waffenfähigem Uran in Nuklearbrennstoff für konventionelle Reaktoren umwandelt, aufgefordert, sicherheitstechnische Verbesserungen bei der Fertigung vorzunehmen.

Von 2005 an war es in der Anlage zu neun Sicherheitsverletzungen bzw. fehlgeschlagenen Tests gekommen, wobei einer der Vorfälle besonders brisant war. Demnach waren 35 Liter einer hochangereicherten Uranlösung aus einem Verbindungsrohr in einen geschützten Handschuhkasten und von dort auf den Boden geflossen. Als ein Aufseher den Vorfall bemerkte, dürfte er sich wie in einem schlechten Film vorgekommen sein, denn er bemerkte, wie eine strahlendgelbe Flüssigkeit unter einen Türschlitz auf einen Flur floß. Der Vorfall ereignete sich in jenem Teil der Fabrik, in dem nicht fürs Militär produziert wurde.

Die nukleare Regulierungskommission kam nach eingehender Prüfung der Umstände und Örtlichkeiten zu dem prekären Schluß, daß es zwei Bereiche gegeben habe, in denen sich die hochangereicherte Substanz hätte sammeln und eine unkontrollierte nukleare Kettenreaktion auslösen können. Zum einen jener Handschuhkasten, zum anderen ein Aufzugschacht. Wahrscheinlich wäre mindestens einer der Arbeiter einer so hohen Strahlendosis ausgesetzt worden, daß er schwer erkrankt oder sogar gestorben wäre, vermutete die NRC.

Man wolle zwar keine sicherheitsrelevanten Informationen herausgeben, die einem Terroristen nutzen könnten, erklärte NRC-Leiter Edward McGaffin Jr. laut einer von AP zitierten Abschrift eines nichtöffentlichen Treffens vom 30. Mai dieses Jahres, aber das sei etwas völlig anderes als ein Vorfall, bei dem ein Arbeiter in der Fabrik hätte getötet werden können. Auch Luis Reyes, Direktor für Operationen bei der NRC, bezeichnete die Geheimhaltung als übertrieben. Das Pendel sei zu weit geschwungen. Man dürfe jetzt nicht ins andere Extrem verfallen, sondern müsse auf einen vernünftigen Mittelweg zurückkommen. Zwei demokratische Abgeordnete aus Michigan stoßen in die gleiche Kerbe. Sie kritisieren die NRC und verlangen, daß sie künftig etwas freizügiger mit Informationen umgeht.

Regierungsbehörden der USA haben umfangreiche Datenbestände, die früher frei zugänglich waren, der Öffentlichkeit entzogen. In diesem speziellen Fall sollte nicht nur die beteiligte Firma dafür dankbar sein, sondern auch die gesamte Nuklearwirtschaft. Hat doch die US-Regierung geplant, nach Jahrzehnten der Zurückhaltung neue Kernkraftwerke zu bauen. Mit vermehrtem Widerstand seitens der Bevölkerung wäre jedoch fest zu rechnen, sollten häufiger Berichte über Unfälle mit Strahlenmaterial an die Öffentlichkeit dringen.

24. August 2007