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STANDPUNKT/100: Ostermärsche - Warum wir gegen die Atomkraft demonstrieren (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands, Bundesvorstand - 22. April 2011

Ostermärsche: Warum wir gegen die Atomkraft demonstrieren

Forderung nach nuklearer Abrüstung gilt für die militärische und die zivile Nutzung


Berlin, 22. April 2011 - 25 Jahre nach dem GAU von Tschernobyl wird der Ostermontag zum bundesweiten Tschernobyl-Aktionstag. "Die Nutzung der Kernkraft begann in unserem Land. Und wir werden alles tun, dass sie schnell wieder enden wird - in unserem Land und mit dem erfolgreichen Beispiel dann auch überall. Denn wir haben eine besondere Verantwortung für den Ausstieg aus dieser lebensfeindlichen Energie, und das nicht erst nach Hiroshima und Nagasaki, nach Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima", erklärt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller den besonderen Charakter der diesjährigen Ostermärsche. Am 25. April 2011 werden an vielen Standorten von Atomkraftwerken und Atommüll-Zwischenlagern Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Atomkraft organisiert.

Alle Aktionen des Tschernobyl-Aktionstages: www.tschernobyl25.de

Die Atomkraft, "die schwarze Wolke", wie der Lyriker Erich Fried sie nannte, ist ein Meister des Todes aus Deutschland. So charakterisierte Paul Celan unser Land wegen des Holocaust. Die erste Kernspaltung gelang nach Vorarbeit von Lisa Meitner im Dezember 1938 Otto Hahn und Fritz Strassmann im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. Sie leitete eine ganz neue Dimension von Gewalt ein, den atomaren Holocaust. Nicht nur Hiroshima und Nagasaki, auch Tschernobyl und jetzt Fukushima wurden zu Orten großer politischer und moralischer Katastrophen.

Wir haben eine besondere Geschichte und eine besondere Verantwortung

Die NaturFreunde, die zu den Hauptorganisatoren der Anti-Atom-Demonstrationen der letzten Monate gehören, beteiligen sich seit vielen Jahren auch an den Ostermärschen und werben so für Frieden und nukleare Abrüstung. Seit den 70er und 80er Jahren ist in Deutschland der Widerstand gegen Aufrüstung und Atomenergie eng miteinander verzahnt. Das ist eine Erklärung dafür, warum sich in unserem Land, das in der zweigeteilten Welt von der Atombombe besonders bedroht war, so viele Menschen für Abrüsten und Abschalten einsetzen. Wir haben eine besondere Geschichte und eine besondere Verantwortung, wie Erich Fried sie beschrieb: "Die Wolke darf gar nicht erst steigen. Und steigt sie, so hat auch dein Schweigen ihr Gewalt verliehen."

Eine fatale Mischung aus menschlicher Dummheit und technischem Größenwahn

Die Geschichte der Atomkraft ist eine fatale Mischung aus menschlicher Dummheit und technischem Größenwahn, aus militärischer Macht und wirtschaftlichen Interessen. Zusammen mit dem ungarischen Wissenschaftler Léo Szilárd warnte Albert Einstein bereits im August 1939 in einem Brief an US-Präsident Franklin D. Roosevelt vor einer "Bombe neuer Zerstörungskraft". Nach Hitlers Überfall auf Polen begann dann ein Wettlauf der Besessenen. Bei den einen, um den Krieg zu gewinnen, bei den anderen, um ihn zu beenden.

Auch um von der furchtbaren Zerstörungskraft der Atombombe abzulenken, kündigte US-Präsident Dwight D. Eisenhower am 8. Dezember 1953 vor den UN das Programm "Atoms for Peace" an: "Amerika will Vereinbarungen, keine Kriege zwischen den Nationen, [à] um den Weg zu finden, mit dem der wundersame Erfindungsreichtum der Menschen nicht dem Tod gewidmet, sondern dem Leben geweiht wird." Tatsächlich steckt in einem Hühnerei Uran 235 so viel Energie wie in 65 Tanklastern Öl oder fast 100 Güterwaggons mit je 30 Tonnen Steinkohle.

Deutschland muss die Atomkraftwerke abschalten

Bei diesen Visionen wurden aber die Gefahren verdrängt. Obwohl der Entsorgungsnachweis für Atommüll eine zentrale Grundlage für die Genehmigung von Atomkraftwerken ist, wurde er seit mehr als 50 Jahren nirgendwo erbracht. Und der Größte Anzunehmende Unfall (GAU), die Kernschmelze, die als "hypothetisches Restrisiko" abgetan wurde, ist innerhalb nur eines Vierteljahrhunderts zweimal eingetreten. Ob Atome für den Krieg oder Atome für den Frieden: An ihrem lebensfeindlichen Charakter ändert sich nichts.

Jetzt tragen wir die Auseinandersetzung um die Abschaltung der Atomkraftwerke an die AKW-Standorte und fordern neben der atomaren Abrüstung auch die Stilllegung aller Atomanlagen - und zwar sofort. Das ist keine utopische Forderung, sondere eine der politischen Vernunft: Die alternativen Erzeugungskapazitäten sind da. Und die Umsetzung der Forderung ist möglich, wenn wir Ausstieg und Umbau miteinander verbinden und nicht länger darauf setzen, die AKW-Laufzeiten zu verlängern.

Deutschland muss seiner Verantwortung endlich nachkommen und die Atomkraftwerke abschalten.


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Quelle:
Presseinformation vom 22.04.2011
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2011