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SCHUTZGEBIET/770: Naturreservat Donaudelta - Nur auf dem Papier ein geschütztes Gebiet? (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 176 - Oktober/November 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Naturreservat Donaudelta
Nur auf dem Papier ein geschütztes Gebiet?

von Volker Voss



Dem Besucher des Donaudeltas in Rumänien bietet sich eine einzigartige, faszinierende Naturlandschaft, ein Biosphäre-Naturreservat, das seit 1996 zum UNESCO Weltnaturerbe zählt. Mit über 7.000 Pflanzen und Tierarten sowie 30 Ökosystemen ist es das drittgrößte Bioreservat der Erde und größtes Schilfrohrgebiet. "Allerdings ist es nur auf dem Papier ein geschütztes Gebiet", gibt Dan Barbulescu, Geschäftsführer der Umweltorganisation Asociatia SALVATI DUNAREA SI DELTA / Gesellschaft zur Rettung des Donau Deltas, mit Sitz in Bukarest, zu bedenken. "Es ist das schönste Gebiet in Europa, ein Paradies, doch es verkommt immer mehr", warnt er. Es gibt kein Abfallentsorgungssystem. Dementsprechend ist auch die Wasserverschmutzung im Donaudelta. "Wir hoffen auf die EU und entsprechende Investitionen", sagt er. "Wir Umweltschützer allein können diese Probleme nicht lösen, dafür sind in erster Linie die entsprechenden Ministerien zuständig. Wir werden als NGO diesen Problemen jedoch entschieden entgegentreten", bekräftigt er. Dabei wird eng mit anderen NGOs zusammengearbeitet. Etwa 70 NGOs und Umweltorganisationen gibt es in Rumänien.

Es gebe durchaus konstruktive und offene Gespräche mit den zuständigen Behörden, auch über die Renaturierung des Donaudeltas. Gut sei oft die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden. Leider gebe es noch zu wenige für den Umweltschutz ausgebildete Fachkräfte in den Verwaltungen. Auch mangelt es an den notwendigen finanziellen Mitteln. "Meist wird zu kurzfristig von nur einem Tag zum anderen gedacht. Hier ist Langzeitdenken gefragt", mahnt Dan Barbulescu an. Bemängelt wird, dass die Regierung zu viel Gewicht auf Wasserkraft legt. Anstatt große Wasserkraftwerke, gegen die es bereits regional Proteste gab, zu fördern, solle in erster Linie die umweltschonende Windkraft, die auf dem Land den höchsten Anteil an Energie liefert, Vorrang haben. Ebenso bietet das Klima in Rumänien ausgezeichnete Möglichkeiten, Sonnenenergie und Naturgas zu nutzen. Nach einer Recherche der Deutschen Welle hat Rumänien die Voraussetzungen, Vorreiter bei der Entwicklung der Windenergie zu werden. Schließlich hat das Land die Kapazitäten, ein Viertel der Haushalte mit Windenergie zu versorgen.

Industrie im Naturschutzgebiet

Noch krasser wird die Umweltsituation im Donaudelta in einem Beitrag der deutschsprachigen rumänischen Zeitung Allgemeine Deutsche Zeitung von Anfang 2013 geschildert: "Wenn wir das Donaudelta verlieren, wird Rumänien erst wirklich arm sein". Weiter heißt es, dass lediglich zehn Prozent des Donaudeltas wirklich geschützt sind. Demnach stehen sich hier Naturschutz sowie wirtschaftliche und private Interessen scheinbar unversöhnlich gegenüber. Bemängelt wird vor allem, dass von der insgesamt 550.000 Hektar großen Fläche des Deltas 306.000 Hektar wirtschaftliche Nutzfläche sind. Es ist den Umweltschützern unverständlich, dass es in einem Naturschutzgebiet ein Industriegelände gibt. Das passt nicht zusammen. Bereits vor der politischen Wende von 1989 entstanden dort, ohne Rücksicht auf die Natur, Konservenfabriken und Dämme, wurde Quarzsandabbau betrieben und es gab Trockenlegungen für die Ausdehnung der Landwirtschaft, schildern Umweltaktivisten in dem Beitrag für die deutsch-rumänische Zeitung. Außerdem wird aus der Landwirtschaft Dünger ins Wasser gespült, der zu einer Übersättigung mit Nährstoffen führt, so dass sich schnell Algen bilden. Auch tragen die vielen "Neureichen", die dort ihre Prachtvillen entstehen lassen, mit ihren Motorjachten durch die winzigen Kanäle des Naturschutzgebiets rasen und sich private Jachthäfen bauen, dazu bei, das ökologische Gleichgewicht aus dem Lot zu bringen. Zwar gebe es Restriktionen beim Bauen, doch halte sich kaum einer daran. Zudem werde von Jachtbesitzern nicht selten illegal Öl ins Wasser entsorgt. Lob finden hingegen oftmals ausländische, naturbewusste Rucksacktouristen, die sich zwar "korrekt" verhalten, jedoch keine ausgewiesenen Campingplätze vorfinden, also "illegal" zelten müssen.

Ein generelles Problem sei jedoch das mangelnde Umweltbewusstsein und im Vergleich zu anderen Ländern die noch in der Anfangsphase steckende Umweltbildung. Umweltaktivist Dan Barbulescu schlägt eine bessere Aufklärung und Umwelterziehung, gerade der jungen Generation, vor. Es gab bereits gemeinsame Umweltprojekte mit Schülern im Donaudelta. Er verweist auch auf die NGO ecopolis als Kooperationspartner, die bei der Umweltbildung wichtige Dienste leistet. ecopolis, das Zentrum für nachhaltige Entwicklung, als unabhängiger Think Tank, und von der EU gefördert, ist unter anderem bei der Entwicklung praktischer und nachhaltiger Verkehrskonzepte aktiv. Im Rahmen des Projekts Bike My Way to School als Teil des Programms Youth in Action entwickeln Schüler und Studenten in Bukarest eine Infrastruktur für das Fahrrad als nachhaltiges Transportmittel mit dem Ziel, ein neues Bewusstsein dafür zu schaffen und die Vorteile des Radelns aufzuzeigen.

Auftrieb für Umweltbewegung

Die Proteste gegen die Umweltverschmutzung im Donaudelta begannen vor etwa zehn Jahren im ukrainischen Teil des Deltas (knapp 20 Prozent der Gesamtdeltafläche), wo mit dem Bau eines ökologisch fragwürdigen Kanals begonnen werden sollte. Das Projekt dort wurde nach Protesten jedoch aufgegeben.

Die Umweltbewegung in Rumänien ist noch recht jung und in der Entwicklung begriffen. Jedoch hat sie gerade in den letzten Wochen durch die Ereignisse in Rosia Montana einen deutlichen Aufschwung genommen. Dort sollen große Mengen an Gold- und Silbervorkommen mit hochgiftigem Zyanid über einen Zeitraum von 15 Jahren abgebaut werden, wobei Giftschlamm freigesetzt, Berge gesprengt und somit ein Großteil der Landschaft sowie ganze Dörfer und Kulturgüter sinnlos zerstört werden. Nachdem die Regierung nun bekundet hat, dem kanadisch-rumänischen Konsortium endgültig die Genehmigung zum Goldabbau erteilen zu wollen, hat das sehr viele Menschen im Land aufgerüttelt, aktiviert und der Umweltbewegung neue Impulse verliehen. Spontan kam es landesweit zu großen Protestaktionen, die sogar die Erwartungen der Veranstalter weit übertrafen.

Überall im Land entstehen innovative, neue Umweltprojekte. Da wäre beispielsweise das noch in der Anfangsphase steckende Projekt für einen Naturpark in Bukarest - der erste dieser Art in der quirligen rumänischen Hauptstadt mit ihrem lärmenden Autoverkehr. Auf einem 200 Hektar großen Gelände mit etwa 100 geschützten Tierarten, schon vor der Wende als Park angelegt, aber teilweise vernachlässigt, soll nun mit Hilfe von Schülern, Bürgern, Umweltaktivisten und einigen Medienvertretern als integrierter Bestandteil des Stadtbezirks ein ökologischer und kultureller Mittelpunkt entstehen. "Das ist ein absolutes Novum", erläutert Dan Barbulescu das ehrgeizige Projekt.



Weitere Informationen:
www.adz.ro
www.ecopolis.org.ro

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 176 - Oktober/November 2013, Seite 19
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2013