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SCHUTZGEBIET/620: 20 Jahre Grünes Band - Lebendiges ökologisches Denkmal (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2009
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

GRÜNES BAND
20 Jahre Grünes Band
Lebendiges ökologisches Denkmal

Von Kai Frobel und Liana Geidezis


20 Jahre jung ist das Geburtstagskind »Grünes Band« - das bekannteste und anspruchsvollste Naturschutzprojekt Deutschlands. Ins Leben gerufen hat es unmittelbar nach der Wende im Dezember 1989 der bayerische Landesverband des BUND, der Bund Naturschutz.

Mit dem Fall der Mauer trat die über 40 Jahre entstandene, fast 1.400 Kilometer lange Lebenslinie der Artenvielfalt aus dem Schatten der innerdeutschen Grenzanlagen. Heute gehört das Grüne Band zum »Nationalen Naturerbe«, ist internationales »Leuchtturmprojekt« der deutschen Strategie für biologische Vielfalt, im Bundesnaturschutzgesetz als länderübergreifender Biotopverbund anerkannt - und ein lebendiges Symbol der überwundenen Teilung Deutschlands und Europas. Erreicht hat das eine »grüne Bande«: Hunderte engagierter Menschen in einer beispielhaften Gemeinschaft von verbandlichem und staatlichem Naturschutz unter Federführung des BUND.


Ökologische Grenzgänge

Der Eiserne Vorhang schloss noch felsenfest, als ehrenamtliche Mitarbeiter des Bundes Naturschutz (BN) 1975 im Raum Coburg erstmals auf die Natur im Grenzstreifen aufmerksam wurden. 1979 begann dort - auch entlang eines 140 Kilometer langen Grenzabschnitts - eine wissenschaftliche Untersuchung der Vogelwelt. Sie dokumentierte eindrucksvoll, dass ausgerechnet der Todesstreifen letzter Zufluchtsort für viele Arten war. Seltene und bedrohte Vögel wie Braunkehlchen, Raubwürger, Ziegenmelker oder Heidelerche brüteten zu weit über 90 Prozent im Grenzstreifen und nicht mehr in der angrenzenden Agrarlandschaft. Die Folge waren Presse- und Fachartikel, von der Stasi argwöhnisch verfolgte Kontakte zu DDR-Naturschützern sowie seit 1981 gezielter Grundstückskauf des BN direkt angrenzend auf bayerischer Seite.


Geburtsjahr 1989

Wenige Wochen nach der Wende, im Dezember 1989, veranstaltete der BN das erste gesamtdeutsche Treffen mit Naturschützern aus Ost und West in einer Hofer Gaststätte: Der Name »Grünes Band« war damit geboren - und eines der wichtigsten Projekte in der Geschichte des BUND. Dies war der Beginn von nun 20 Jahren Lobbyarbeit mit vielen Höhen und Tiefen, um inmitten des vereinten Deutschlands ein Stück vielfältige Natur zu erhalten. Über Jahrzehnte ungenutzte Biotope im Grünen Band wurden nach dem Mauerfall rasch umgepflügt. Mit Pressefahrten vor Ort, Faltblättern, Wanderausstellungen und Appellen versuchte der BUND verzweifelt gegenzuhalten. Bis Mitte der 90er Jahre wurden fast 2.000 Hektar des Grünen Bandes (elf Prozent) in landwirtschaftliche Intensivnutzung genommen - eine der größten Biotopzerstörungen bundesweit!

Erst 2001 kam ein entscheidender Durchbruch: Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) erfasste mit dem BUND erstmals alle Lebensräume des Grenzstreifens. Nun war er amtlich, der größte deutsche Biotopverbund. Als wichtigste Flächenbesitzerin übergab die Bundesregierung nach zehn Jahren BUND-Lobbyarbeit im November 2008 die Hälfte ihrer Flächen an Thüringen - mit der Zielbestimmung Naturschutz. Skandalös ist, dass die Flächen in den anderen Ländern (speziell Sachsen-Anhalt) noch immer nicht übertragen sind.

Umso wichtiger ist der im Jahr 2000 eingeführte »Grüne-Band-Anteilschein« des BUND, aus dessen Erlösen wir u.a. Flächen in besonders bedrohten Bereichen kaufen. Vor allem die Landesverbände Thüringen und Sachsen-Anhalt erwerben wertvolle Gebiete und engagieren sich - etwa durch Wiedervernässung und Biotoppflege - für die Natur. Aktivitäten wie das Projekt »Willi Wanstschrecke will ins Grüne Band« (Thüringen) oder naturkundliche Wanderungen und Radtouren (Sachsen-Anhalt) steigern die Aufmerksamkeit und Akzeptanz für das Grüne Band in der Bevölkerung.


Mahnmal gegen das Vergessen

Unser Projekt »Grünes Band« steht auch im dritten Jahrzehnt unter dem Motto »Erinnerungslandschaft«. Gerade für diejenigen, die im Schatten der innerdeutschen Grenze aufwuchsen, hat das Grüne Band eine zweite Bedeutung. Es ist nicht nur überragend wichtig für den Naturschutz, es ist zugleich ein Mahnmal gegen das Vergessen: eine heute friedliche Spur in der Landschaft, die auch kommenden Generationen vermittelt, wo und in welchem Ausmaß einst ein schrecklicher Riss durch dieses Land ging. Das Grüne Band ist ein Symbol des deutschen Naturschutzes, ein lebendiges ökologisches Denkmal der jüngeren deutschen Geschichte. Und vielleicht dient es auch als Vision für andere Grenzen auf dieser Welt, die einem Miteinander von Mensch und Natur weichen sollten.


Wir brauchen Ihre Hilfe!

Schutzgebiete und Flächen im Besitz der Bundesländer oder des BUND sichern derzeit erst knapp die Hälfte des Grünen Bandes. Die Arten und Biotope auf voller Länge zu erhalten wird in den nächsten Jahren für den BUND noch ein gewaltiger Kraftakt. Daher hoffen wir, dass alle Weggefährten, Unterstützerinnen und Spender weiter an diesem Band mitweben!

Kai Frobel und Liana Geidezis ... arbeiten im Projektbüro Grünes Band, www.gruenesband.info, www.erlebnisgruenesband.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Gebänderte Heidelibelle

Mit einem Fest auf Burg Lenzen an der Elbe feierten BUND und BfN im April das 20-jährige Jubiläum des Grünen Bandes.

Am 7. Oktober bekam Bundespräsident Horst Köhler von Hubert Weiger eine Kopie der Resolution vom 9.12.89 - am Grünen Band in Sachsen.

1989 wurde in Hof das Grüne Band aus der Taufe gehoben. Mit dabei: BN-Aktive aus Hof, Initiator Kai Frobel (2. v. li.) und Hubert Weiger (2. v. re.).


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2009, S. 30-31
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010