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MOOR/027: Der unterschätze Klimaschützer - Moore als Kohlenstoffspeicher (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/11
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Klimasenke Moor
Der unterschätze Klimaschützer
Moore als Kohlenstoffspeicher

Von Bernd Pieper & Linda Baumann


Der weiche Boden gibt unter den Füßen nach, mit einem schmatzenden Geräusch gibt er den tief eingesunkenen Gummistiefel wieder frei. Wabernder Nebel kriecht über den schmalen Pfad, der sich durch das dunkle Wasser schlängelt. Moore haben eine einzigartige, für viele Menschen mystische oder sogar gruselige Atmosphäre. Für unsere Vorfahren waren Moorflächen vor allem eines: lebensfeindliches, nutzloses Ödland. Daher wurden sie Jahrhunderte lang entwässert und in land- oder forstwirtschaftliche Flächen umgewandelt. Eine Praxis, die bis heute anhält. Dabei bieten Moore einen einzigartigen Lebensraum für viele selten gewordene Tier- und Pflanzenarten, wie Waldwasserläufer, Sonnentau und Moorfrosch und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Sie erfüllen darüber hinaus eine weitere Funktion, die im Zuge des Klimawandels und der globalen Erderwärmung eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt: Sie sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller Landlebensräume.


Effektive Kohlenstoffspeicher

In Mitteleuropa entwickelten sich Moore nach der letzten Eiszeit. Im wassergesättigten Milieu werden abgestorbene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss nicht vollständig zersetzt und es kommt zur Torfbildung. Auf diese Art wachsen lebendige Moore langsam in die Höhe, etwa einen Millimeter pro Jahr. Mit dem abgelagerten organischen Material wird auch der Kohlenstoff für Jahrtausende im Moor festgelegt. Dieser Prozess vollzieht sich in Deutschland bereits seit der Entstehung der Moore vor 11.000 Jahren. In dieser Zeit konnte sich so ein riesiges Kohlenstofflager aufbauen. Obwohl Moore weltweit lediglich drei Prozent der globalen Landfläche einnehmen, binden sie ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffes - doppelt so viel wie alle Wälder dieser Erde zusammen. In einem Hektar Moor mit einer 15 Zentimeter dicken Torfschicht findet sich in etwa so viel Kohlenstoff wie in einem hundertjährigen Wald auf gleicher Fläche.


Auf dem Trockenen

Bei der Entwässerung der Moore kommt der über Jahrtausende im Torf gebundene Kohlenstoff mit Sauerstoff in Berührung und oxidiert. Damit gelangen nicht nur riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, sondern auch das über 300 Mal klimaschädlichere Lachgas (N2O). Die gesamte Klimabilanz eines Moores wird daher in CO2-Äquivalenten angegeben, die anteilig alle klimarelevanten Gase enthalten. Intakte Moore geben zwar während ihres natürlichen Bildungsprozesses mit Methan auch ein klimaschädliches Gas ab, in der Summe wirken sie aufgrund der Kohlenstofffestlegung langfristig dennoch positiv auf das Klima.

Dessen ungeachtet geht die weltweite Zerstörung der Moore durch Trockenlegung und Torfabbau weiter. Im weltweiten Vergleich verursacht die Europäische Union die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aus der Zerstörung von Moorgebieten. Damit liegt sie hinter Spitzenreiter Indonesien aber noch vor Russland, das weltweit die ausgedehntesten Moorflächen besitzt. In Indonesien existieren die bedeutendsten Torfwälder der Welt, welche allerdings in rasantem Tempo für Ölpalmenplantagen vernichtet werden oder verheerenden Moorbränden zum Opfer fallen.


Vor der eigenen Haustür

Aber auch vor der eigenen Haustür sieht es nicht viel besser aus. Moorlandschaften bedeckten ursprünglich mit 1,5 Millionen Hektar eine Fläche von 4,2 Prozent der Landesfläche Deutschlands. Heute sind 95 Prozent davon tot - das heißt entwässert, abgetorft, bebaut, landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt. Bundesweit werden so etwa 44 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich aus entwässerten Moorböden freigesetzt. Das entspricht etwa fünf Prozent der Gesamtemissionen der Bundesrepublik Deutschland. Allein durch die landwirtschaftliche Nutzung von Mooren werden 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr emittiert. Dabei sind Moore keine sehr ertragreichen Ackerflächen und ohne öffentliche Subventionen würde sich ihre Bewirtschaftung häufig kaum lohnen. So wird paradoxerweise der Anbau von Biomasse wie Mais zur alternativen Energieerzeugung auf ehemaligen Moorflächen als Instrument zum Klimaschutz gefördert. Aber auch der Torfabbau ist in Deutschland selbst in Zeiten des Klimawandels noch nicht Geschichte. So findet Torf als Zusatz in Blumenerde auch seinen Weg in unsere Gärten, obwohl es längst gute Alternativen gibt.

Eine positive Entwicklung in Richtung Moorschutz ist dennoch zu erkennen. Auf Druck der Umweltverbände wurden noch bestehende naturnahe Moorflächen unter Schutz gestellt und geschädigte Moore renaturiert und wiedervernässt. Einige Bundesländer verfügen mittlerweile über eigenständige Moorschutzprogramme, mit deren Hilfe vor Ort Projekte finanziert werden können. Solche Instrumente sollten schnellstmöglich in allen Bundesländern geschaffen werden.

Der NABU hat sich schon früh für den Erhalt der Moore engagiert. Bereits 1911 wurden die ersten Moorflächen am Federsee in Baden-Württemberg gekauft. Auch heute arbeiten NABU-Aktive bundesweit für den Schutz und die Wiederherstellung der letzten Moorlandschaften, etwa am niedersächsischen Theikenmeer oder im Biesenthaler Becken in Brandenburg, mit dem Ziel, Moore sowohl als wichtige Lebensräume zum Schutz der Artenvielfalt als auch auf Grund ihrer Funktion als einer der wichtigsten Klimaschützer unserer Erde zu erhalten.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/11, S. 22-23
(Text in der Internet-Fassung)
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2011