Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 05.04.2018
Pflanzen erobern Europas Gipfel immer schneller
Heute wachsen auf Berggipfeln deutlich mehr Pflanzenarten als noch vor 100 Jahren. Viele Studien haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass dies mit der Erwärmung der Klimas zusammenhängt. Doch ein direkter Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und zunehmender Artenzahl konnte bisher nicht großflächig nachgewiesen werden. Forschern um Prof. Dr. Manuel Steinbauer von der Professur für System-Paläobiologie der FAU und Dr. Sonja Wipf vom SLF ist es zusammen mit Wissenschaftlern aus elf Ländern gelungen, erstmals zu beweisen, dass die Artenvielfalt auf Berggipfeln in ganz Europa ansteigt und dass dies immer schneller geschieht.
Androsace alpina - Alpen-Mannsschild: Typische Hochgebirgsart, die vor
allem auf saurem Gestein wie Granit und Gneiss wächst. Die Pflanze
wurde nur auf Gipfeln in den Alpen gefunden. Historisch wurde sie auf
57 Gipfeln nachgewiesen und ist auf allen noch präsent.
Foto: © Sarah Burg, SLF
Dazu nahmen sie die Vegetation auf Berggipfeln in ganz Europa unter die Lupe und untersuchten drei mögliche Einflussfaktoren: Die Veränderung der Temperaturen im Sommer, die Veränderung der jährlichen Niederschlagsmenge sowie Stickstoffablagerungen. Insgesamt erhoben die Wissenschaftler den Bestand der Arten auf 302 Gipfeln in den Alpen, den Pyrenäen, den Karpaten sowie in schottischen und skandinavischen Gebirgen. Ihre Aufzeichnungen verglichen die Forscher mit älteren - teils historischen - Vegetationsaufnahmen derselben Gipfel. Dadurch entstand ein einmaliger Datensatz, der eine Zeitspanne von 145 Jahren umfasst.
Saxifraga oppositifolia - Gegenblättriger Steinbrech. Wurde von den
Forschern auf 145 Gipfeln gefunden. Kommt im Datensatz bis auf über
3500 m vor. Höchste Art der Alpen und wahrscheinlich sogar Europas,
kommt wenig unterhalb 4500 m vor.
Foto: © Veronika Stöckli
"Immer mehr Arten ist es möglich, aus tieferen Lagen in höhere Regionen vorzudringen. Dort konnten sie vor Jahrzehnten noch nicht überleben. Es gibt deutliche Hinweise, dass dies mit der globalen Erwärmung zusammenhängt", erklärt FAU-Paläobiologe Steinbauer. Die Arten sind im Durchschnitt grösser und dadurch konkurrenzstärker als die angestammten Gipfelbewohner. Diese laufen deshalb auf längere Sicht Gefahr, verdrängt zu werden. Wie sich die Artenzusammensetzung auf Gipfeln mit dem Klimawandel langfristig verändert, wird sich jedoch erst in den nächsten Jahrzehnten zeigen.
Ranunculus glacialis - Gletscherhahnenfuss: Typische Hochgebirgsart,
die vor allem auf saurem Gestein wie Granit und Gneiss wächst. Wurde
in den meisten der untersuchten europäischen Berggebieten auf Gipfeln
gefunden. Die Pflanze war im historischen Datensatz bereits auf 113
Gipfeln präsent und wurde bis auf kleine Abweichungen auf der Mehrzahl
der Gipfel wieder vorgefunden.
Foto: © Cajsa Nilsson, SLF
Das Ergebnis zeigt, dass die Zahl der Arten auf europäischen Gipfeln generell zugenommen hat. Zudem erfolgte dieser Anstieg in den letzten Jahrzehnten immer schneller. Die Artenvielfalt ist in diesem Jahrzehnt fünf Mal so hoch wie in den vergangenen 50 Jahren. Grund dafür ist die Klimaerwärmung, die sich ebenfalls immer mehr beschleunigt hat: Je stärker die Erwärmung in der Zeitspanne zwischen zwei Vegetationsaufnahmen auf einem Gipfel war, desto mehr hatte auch die Zahl der Pflanzenarten zugenommen. "Es ist das erste Mal, dass man eine solche beschleunigte Reaktion auf den Klimawandel für alpine Lebensräume nachweisen kann", sagt SLF-Forscherin Wipf. Bisher ist eine derartige Beschleunigung von Prozessen - verursacht durch die immer schnellere Klimaerwärmung - vor allem von unbelebten Systemen wie beispielsweise Gletschern bekannt.
Taraxacum alpinum - Alpen-Löwenzahn: Eine subalpine Art, die in
Bergwiesen und -weiden hauptsächlich über der Waldgrenze vorkommt.
Sehr nah verwandt mit den Löwenzahn. Kann recht groß und breit werden
und ist deshalb eine mögliche Konkurrenz für die langsam wachsenden,
eher kleinen Gebirgsspezialisten. Früher auf 40 Gipfeln, heute auf 73
von den Forschern gefunden. Früher kaum über 3000 m gefunden (höchster
Fundort 3020), heute auf 12 Gipfeln über 3000m gefunden, der höchste
Standort des Datensatzes ist auf dem Munt Pers, auf 3198m ü.M.
Foto: © Veronika Stöckli
Die Ergebnisse haben sie nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert (DOI: 10.1038/s41586-018-0005-6).
Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news691886
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution18
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
Dr. Susanne Langer, 05.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2018
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