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EUROPA/282: Chance genutzt? Europas gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wurde turnusgemäß reformiert (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 3/2014

Chance genutzt?
Europas Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wurde turnusgemäß reformiert

Von Julia Görlitz und Holger Pfeffer



Erschwingliche Lebensmittel sind in Europa heute selbstverständlich und auch ein Verdienst der europäischen Förderpraxis. Aber: Unter der stetigen Intensivierung der Landwirtschaft - von unzureichenden Reformprozessen der EU-Landwirtschaftspolitik befördert - leidet die Artenvielfalt immens.

Um die Wirkungsweise der GAP auf Natur und Umwelt zu verstehen, ist es notwendig, sich mit den Mechanismen der Agrarförderung auseinanderzusetzen.

Die Agrarpolitik hat zwei Säulen

Die Umsetzung der GAP erfolgt über eine 2-Säulen-Struktur in 7-jährigen Förderperioden: Die 1. Säule umfasst ca. 75 Prozent der EU-Zahlungen. Jeder Landwirt erhält aus diesem Topf für jeden von ihm bewirtschafteten, beihilfefähigen Hektar einen festen Betrag. Die 1. Säule wird daher auch als Direktzahlung bezeichnet. Sie stammt zu hundert Prozent aus EU-Mitteln und wird den Landwirten bei Einhaltung der Standards auch bei intensiver Landwirtschaft gezahlt.

Die wesentlich bescheidenere 2. Säule umfasst alle Instrumente und Programme zur ländlichen Entwicklung. Diese werden aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziert. Anders als bei der 1. Säule stammen die verteilten ELER-Gelder allerdings nicht vollständig von der EU, sondern nur zu maximal 80 Prozent. Den Rest - bis zu 25 Prozent - müssen Bund und Länder zuschießen.

Aktuelle Reform - das Greening

Da sich auch innerhalb der EU die gesellschaftlichen Zielstellungen mit der Zeit ändern, muss die GAP zur Anpassung alle sieben Jahre auf den Prüfstand, letztmalig erfolgte dies im Jahr 2013. Den Kern der aktuellen GAP-Reform bildet das "Greening", welches sie ökologischer und nachhaltiger gestalten soll - ganz nach dem Prinzip "Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen". Erhielt bislang jeder Landwirt, der nach "guter fachlicher Praxis" arbeitete seine Direktzahlungen in voller Höhe, sind für gleiche Leistung nun nur noch 70 Prozent möglich. Will der Landwirt auch die restlichen 30 Prozent erhalten, muss er spezielle Umweltleistungen erbringen. Das kann der Erhalt von Dauergrünland, die Einrichtung von Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) - z.B. Brachen, Säume oder Winterbegrünung - auf fünf Prozent der Ackerfläche und eine wenigstens minimale Fruchtartenvielfalt sein.

In der 2. Säule verlangt die EU von ihren Mitgliedstaaten, dass sie bescheidene 30 Prozent dieser Mittel nur für umweltbezogene Maßnahmen - beispielsweise für den Ökologischen Landbau und Agrarumweltmaßnahmen - einsetzen.

Allerdings wird aus der 2. Säule auch der Bau von Megaställen gefördert.

An der prinzipiellen Aufteilung der EU-Agrarausgaben wird sich hingegen von 2014-2020 voraussichtlich kaum etwas ändern: 75 Prozent werden als Direktzahlungen vergeben, vier Prozent zur Marktunterstützung genutzt und 21 Prozent in die Ländliche Entwicklung (2. Säule/ELER) investiert. Auf Deutschland entfallen damit ca. 8,3 Mrd. Euro für die Entwicklung ländlicher Räume, für das Land Brandenburg sind es 965 Mio. Euro in der 2. Säule. Auch wenn diese Summen beachtlich sind, wurden die Mittel im Vergleich zur Förderperiode 2007-2013 um ca. 15 Prozent gekürzt. Dennoch bleibt der ELER mit Abstand das finanzstärkste Förderinstrument in Brandenburg. Auf Bundesebene stellt die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) das zentrale Instrument dar und bildet den Rahmen der einzelnen Länderprogramme.

Ländersache - der EPLR

Getreu des föderalistischen Prinzips erfolgt die Förderung ländlicher Entwicklung - und des (freiwilligen) Naturschutzes - auf Grundlage der Entwicklungspläne der Bundesländer. Berlin und Brandenburg gehen dabei einen gemeinsamen Weg: Unter Einbindung der Wirtschafts- und Sozialpartner erstellen sie den "Entwicklungsplan für den ländlichen Raum Brandenburgs und Berlins" (EPLR), in dem die Maßnahmen für die neue Förderperiode festgelegt werden. Im EPLR werden auch die Entwicklungsziele der Strategie Europa 2020 sowie die in der ELER-Verordnung ausgearbeiteten EU-Prioritäten berücksichtigt. Dazu gehören auch die Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der mit der Land- und Forstwirtschaft verbundenen Ökosysteme (ELER-Priorität 4) - vor allem durch Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen.

Reicht Naturschutz auf freiwilliger Basis?

Entscheiden sich Landwirte freiwillig, auf ihren Flächen umweltgerechte Bewirtschaftungsmethoden anzuwenden, können ihnen daraus entstehende Wettbewerbsnachteile - gegenüber intensiven Nutzungsmethoden - erstattet werden. Dafür stehen in Brandenburg zwei Instrumente zur Verfügung: Die von der EU kofinanzierten Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) und der durch Landesmittel finanzierte Vertragsnaturschutz. Beide beruhen auf Freiwilligkeit. Etwa ein Drittel der Agrarflächen Deutschlands (5,6 Mio. Hektar) werden über AUM gefördert. In Brandenburg waren es im Jahr 2012 ca. 326.000 Hektar. Die Länder Berlin und Brandenburg haben dafür 38,7 Mio. Euro ausgezahlt. Darin enthalten ist allerdings bereits die Förderung des Ökologischen Landbaus, der 2012 allein 43 Prozent dieser Mittel beanspruchte. Ein weiterer großer AUM-Posten ist die Unterstützung extensiver Grünlandnutzung, ihr Fördermittelanteil betrug in Brandenburg 31 Prozent. Für die Finanzierung notwendiger Umweltschutzmaßnahmen werden nach Möglichkeit Kofinanzierungsmittel der EU und des Bundes genutzt. Für reine Naturschutzanliegen, die im Rahmen der Fördervorgaben der EU und des Bundes nicht gefördert werden könnten, bleibt hingegen oft nur der Vertragsnaturschutz übrig. Für diesen stehen jährlich allerdings nur 1,6 Mio. Euro zur Verfügung.

Alarmierender Artenrückgang

Trotz aller Bemühungen von EU, Bund und Ländern um den Erhalt dringend benötigter Lebensräume gefährdeter Arten sind viele Offenlandbiotope in einem schlechten Zustand. Das geht unter anderem aus dem FFH-Bericht von 2013 hervor, der Wiesen und Magerrasen bundesweit einen unverändert unzureichenden bis schlechten Erhaltungszustand attestiert. Auf den Grünlandflächen trockener und halbtrockener Standorte leidet darunter unter anderem eine Vielzahl selten gewordener Insektenarten, auf den Feuchtwiesen gehen wichtige Rückzugsräume für bereits stark gefährdete heimische Vogelarten verloren. Für Letztere sind die Auswirkungen geradezu dramatisch: Von den 30 häufigsten Agrarlandschafts-Arten können seit ca. 2007 nur noch vier ihre Bestände halten. 20 der häufigsten Arten verzeichnen bereits seit den 1990er Jahren starke Bestandsrückgänge.

Gründe für den Artenrückgang

Die Gründe für den Artenschwund liegen nach wie vor an den produktionsoptimierten Agrarlandschaften. Die anhaltende Intensivierung der Landwirtschaft, der vermehrte Anbau von Energiepflanzen, der Verlust von Dauergrünland sowie der viel zu niedrige Anteil an ökologischen Randstrukturen und Rückzugsflächen verschlechtern kontinuierlich die Eignung der Agrarlandschaft als Lebensraum. Auch der ökologische Landbau kann diese Defizite nicht ausgleichen.

Herausforderung für die Agrarförderung

Zum Erhalt unserer heimischen, an landwirtschaftliche Nutzung gebundenen Arten werden geeignete Förderinstrumente benötigt. ELER-finanzierte Naturschutzmaßnahmen hätten dazu im Ackerbau einen wichtigen Beitrag leisten können. Doch leider ist dies auch in der kommenden Förderperiode in Brandenburg nicht möglich - es fehlen angeblich entsprechende Kontrollmöglichkeiten. Problematisch ist auch, dass die von der EU gut gemeinten Greeningvorgaben durch die verschiedenen nationalen Mitbestimmungsgremien inzwischen sehr aufgeweicht wurden. In Deutschland ist zum Beispiel - entgegen der Stellungnahmen der Naturschutzverbände - ein Direktzahlungen-Durchführungsgesetz in Vorbereitung mit einem breiten Katalog ökologischer Vorrangflächen. Enthalten sind darin naturschutzfachlich hochwertige Flächennutzungen, wie z.B. Brachen, aber eben auch Nutzungen mit geringer ökologischer Wirkung, die sich jedoch gut in Produktionsprozesse integrieren lassen, wie etwa Zwischenfruchtanbau. Selbst auf den ökologischen Vorrangsflächen ist der Einsatz von Pestiziden erlaubt. Den Landwirten bleibt es nun freigestellt, für welche Maßnahmen sie sich entscheiden. Da sich die Landwirte beim Greening aber wohl kaum für Brachen erwärmen werden, wenn sie auch durch die Produktion von Feldfrüchten die EU-Vorgaben erfüllen, muss erwartet werden, dass die dringend benötigten Rückzugsräumen in der intensiven Agrarlandschaft auch in der kommenden Förderperiode fehlen. So bleibt künftig wohl lediglich der landesfinanzierte Vertragsnaturschutz übrig, um auch im Ackerbau wenigsten einige wenige Naturschutzmaßnehmen realisieren zu können. Über eine EU-Agrarumweltförderung im Acker oder scharfe Greeningvorgaben hätte jedoch weit mehr erreicht werden können.

Julia Görlitz und Holger Pfeffer
Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V.
Koordinierungsstelle Brandenburg



Das Programm verbessern

Wenn die Hälfte einer Förderperiode verstrichen ist, müssen die Länder eine Halbzeitbewertung ihrer Entwicklungspläne für den ländlichen Raum (EPLR) vornehmen und die Ergebnisse nach Brüssel melden. Dann zeigt sich, ob die für den Schutz von Natur, Landschaft, Biodiversität, Wasser und Klima zur Verfügung stehenden Mittel an den richtigen Stellen eingesetzt wurden. Um dies zu gewährleisten, wurden in Brandenburg nach fachlichen Kriterien Förderkulissen definiert, in denen ein Teil der ELER-Mittel eingesetzt werden sollen.

Gewässerschutzkulissen
• Erosionsgefährdete Flächen
• Nährstoffsensible Flächen
• Gewässerrandflächen

Naturschutzkulissen
• FFH-Lebensraumtypen und Biotopschutz
• Wiesenbrüter
• Großtrappe
• Amphibienschutz und Naturschutzbrachen
• Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling
• Schreiadler
• Rotmilan
• Segetalarten
• Windelschnecken

Die bereits in der zurückliegenden Förderperiode eingeführte und auf Einzelflächen bezogene Gründlandextensivierung durch Düngeeinschränkung und andere Nutzungseinschränkungen - wie die Festlegung von Nutzungsterminen - soll künftig innerhalb dieser Kulissen in modifizierter Form fortgeführt werden. Maßnahmen für den Ackerbereich werden mit den Festlegungen zum Greening in Brandenburg korrespondieren. Außerhalb der definierten Förderkulissen sollen Förderungen für den Ökologischen Landbau, für eine extensive Bewirtschaftung von für die Pflege von Streuobstwiesen sowie für Planzen- und Tiergenetische Ressourcen weitergeführt oder eingeführt werden.



INFO

Agrarumweltförderung - Beispiel Rotmilan

Die Agrarumweltförderung soll vor allem dem Artenschutz dienen. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL), der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und die Deutsche Wildtier Stiftung (DeWiSt) bilden gemeinsam mit den Partnern vor Ort das nationale Schutzprojekt "Rotmilan - Land zum Leben". Projektschwerpunkt ist die Beratung der Landwirtschaft und der Fachbehörden. Der Rotmilan brütet nur in Europa. Mehr als die Hälfte aller Rotmilane lebt in Deutschland. Deswegen haben wir eine besonders hohe Verantwortung für das Überleben des Rotmilans. Doch die Anzahl der in Deutschland brütenden Paare hat in den vergangenen 20 Jahren um ein Drittel abgenommen. In Brandenburg werden geeignete Maßnahmen vom Landschaftspflegeverband Uckermark-Schorfheide beraten. Die wichtigsten Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) für den Rotmilan sind neben der Förderung extensiven Grünlands zusätzlich mehrjährige Blühstreifen/Blühflächen, Naturschutzbrachen, Extensiväcker, Gewässerrandstreifen und insbesondere ein naturschutzfachlich optimierter Anbau von Feldfutter (Kleegras / Luzerne).



Kommentar

Die Reform der europäischen Agrarpolitik war mit hoffnungsvollen Ankündigungen gestartet. Bisher wird der überwiegend Teil der Agrarmittel nach dem Gießkannenprinzip verteilt: Jeder Landwirt erhält pro Hektar eine Flächenprämie von rund 350 Euro. Künftig sollte die Vergabe von fast 50 Prozent des gesamten EU-Haushaltes an Europas Landwirte deutlich mit ökologischen Anforderungen gekoppelt werden. Jetzt ist klar, davon ist wenig umgesetzt worden. Was die EU noch an Vorgaben gesetzt hat, wird durch nationale Ausführung in Deutschland und insbesondere in Brandenburg zunichte gemacht. Bei den ökologischen Vorrangflächen etwa wird den Landwirten ein Baukasten mit aus Naturschutzsicht teilweise wertlosen Maßnahmen zur Auswahl angeboten. Ein großer Teil der für Naturschutzmaßnahmen vorgesehen Mittel werden in Brandenburg für die Ausgleichszulage ausgeschüttet. Auf zwei Dritteln der Ackerfläche Brandenburgs erhalten die Landwirte einen Zuschlag zur Flächenprämie. Und einige wichtige Agrarumweltmaßnahmen sollen in Brandenburg künftig ausgeschlossen sein, wegen angeblich fehlender Kontrollfähigkeit. Solche bürokratischen Hemmnisse machen andere Bundesländer nicht geltend. Insgesamt müssen wir feststellen: Die Chancen einer Agrarreform sind verpasst worden.

Friedhelm Schmitz-Jersch
Vorsitzender des NABU Brandenburg

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

INFO
Bestandstrend Vögel

Zusammenfassung [5 Grafiken] der Bestandstrends 1991-2010 der 30 häufigsten sowie von zwei ausgewählten und sehr seltenen (Kurventyp E), typischen Arten der Agrarlandschaft, geordnet nach grundsätzlichem Kurvenverlauf.

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Quelle:
naturmagazin, 28. Jahrgang - Nr. 3, August bis Oktober 2014, S. 6-11
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Natur & Text GmbH
Redaktion: Natur & Text GmbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2014