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FORSCHUNG/560: Wo auf der Welt taut der Permafrost? (idw)


Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung - 13.09.2015

Klimaforschung: Wo auf der Welt taut der Permafrost?

Das erste globale Permafrost-Datenportal geht online


Bremerhaven, 14. September 2015. Ein internationales Forscherteam stellt ab kommenden Samstag auf einer Konferenz im kanadischen Quebec das erste Online-Datenportal zur Situation der weltweiten Permafrost-Vorkommen vor. Im Global Terrestrial Network for Permafrost (www.gtnp.org) bündeln die Wissenschaftler erstmals alle verfügbaren Messdaten zur Temperatur und Auftautiefe des Dauerfrostbodens in der Arktis, der Antarktis und den Hochgebirgsregionen und stellen diese für jedermann frei zum Download zur Verfügung. Das neue Portal kann somit als Frühwarnsystem für Forschende und Entscheidungsträger aus aller Welt dienen. Eine detaillierte Beschreibung der Datensammlung erscheint heute als Open-Access-Artikel im Wissenschaftsportal Earth System Science Data.


Foto: © Alfred-Wegener-Institut/Jaroslav Obu

Steilküste der Herschel-Insel, Kanada
Foto: © Alfred-Wegener-Institut/Jaroslav Obu

Die Permafrostböden unserer Welt sind eines der wichtigsten Puzzleteile im Klimasystem der Erde. Dennoch fehlt diese Größe bisher in vielen Klimamodellen. Der Grund: Messdaten zur Temperatur und Auftautiefe des Bodeneises standen bisher weder umfassend, noch in einem modelltauglichen Standardformat zur Verfügung. Mit dem neuen Datenportal des Global Terrestrial Network for Permafrost (GTN-P) haben Wissenschaftler aus insgesamt 25 Ländern diese Datenlücke nun geschlossen.

"Wenn wir verstehen wollen, in welchem Maße der Klimawandel den Permafrost tauen lässt und welche Auswirkungen dieses Tauen wiederum auf unser Klima hat, so müssen wir diese Regionen weltweit genau beobachten und unsere Messergebnisse öffentlich zugänglich machen. Beides funktioniert nur auf Basis internationaler Zusammenarbeit, die uns in diesem Projekt jetzt erstmals umfassend gelungen ist", sagt Datenbank-Initiator Prof. Dr. Hugues Lantuit, Permafrost-Experte am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).


Foto: © Alfred-Wegener-Institut/Jaroslav Obu

Permafrostlandschaft auf Spitzbergen
Foto: © Alfred-Wegener-Institut/Jaroslav Obu

Die Temperatur und Auftautiefe des Permafrostes werden gemessen, indem Wissenschaftler ein Loch in den vereisten Boden bohren, dort Sensoren installieren und die Daten bei regelmäßigen Expeditionen auslesen. "Unser Datenportal vereint bisher die Ergebnisse aus 1074 Bohrlöchern, von denen sich 72 in der Antarktis und 31 in den Hochgebirgsregionen Europas und Asiens befinden. Die restlichen 961 Messstationen verteilen sich über die Arktis", sagt AWI-Forscher und GTN-P-Direktor Dr. Boris Biskaborn.

Wer wissen möchte, wo sich die Stationen befinden und welche Datenreihen vorliegen, nutzt am besten die GTN-P-Weltkarte. Auf ihr ist jedes Bohrloch mit einem Fähnchen markiert. Der Nutzer muss nur auf die Markierung klicken und erhält sofort einen Überblick, wie kalt das Eis im Untergrund an diesem Punkt ist und wie tief der Boden im Sommer auftaut.

Um die Daten herunterzuladen, müssen sich Interessenten nur einmal in der Datenbank anmelden und den Nutzungsbedingungen zustimmen. Im Anschluss können sie frei auf die Zeitreihen zugreifen. "Die Daten stehen frei zur Verfügung, sodass nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Politiker, Behördenvertreter und andere Interessierte auf diese Informationen zugreifen und sie als Ausgangsbasis für Entscheidungen nutzen können. Denn gerade in Regionen, in denen Häuser, Straßen, Schienen oder Pipelines auf dünnem Permafrost errichtet wurden, können Tauprozesse große Schäden hervorrufen. Hier soll unsere Datenbank als Frühwarnsystem dienen", sagt Boris Biskaborn.

Die internationale Klimaforschung profitiert von der neuen Datenbank gleich doppelt: "Wir stellen zum einen die weltweiten Permafrost-Daten in einem einheitlichen Format zur Verfügung, sodass sie auf einfachem Wege in Klimamodelle einfließen können. Zum anderen haben wir die Verteilung der Messstationen mit statistischen Methoden ausgewertet und können nun sagen, in welchen Permafrost-Regionen neue Stationen zur Messung der Permafrost-Temperaturen und -Auftautiefen am dringendsten benötigt werden, um globale Modelle zuverlässiger zu machen", erläutert Dr. Vladimir Romanovsky, Vorsitzender des GTN-P Executive Commitees, Permafrostforscher an der Universität Alaska Fairbanks und Mitautor des heute erscheinenden Fachartikels.

Neue Messergebnisse zur Temperatur- und Auftautiefe nimmt das internationale GTN-P-Team mit einer Verzögerung von 12 Monaten in die Datenbank auf. "Auf diese Weise geben wir allen beitragenden Wissenschaftlern die Chance, ihre Ergebnisse zunächst einmal wissenschaftlich auszuwerten und in Fachartikeln zu publizieren", so Boris Biskaborn. Zudem wird das GTN-P-Team alle zwei Jahre einen Bericht zum Zustand der globalen Permafrost-Vorkommen erstellen und darin über mögliche Veränderungen berichten.

Beheimatet ist die GTN-P-Datenbank beim Arctic Portal im isländischen Akureyri. Das Datenmanagement erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem GTN-P-Sekretariat, das an der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred-Wegener-Institutes arbeitet. Die Entwicklungsarbeit erfolgte im Rahmen des EU-Permafrost-Forschungsprojektes PAGE21 (www.page21.org) und wurde finanziert durch Mittel der Europäischen Union (FP7-ENV-2011, Grant Agreement no. 282700).


Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news637275
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution188

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung, Ralf Röchert, 13.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2015

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