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FEHLER/012: Nichtstun mit System - Bund und Länder vernachlässigen Kontrolle von Klimaschutzgesetzen (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - 5. Juli 2010

Nichtstun mit System: Bund und Länder vernachlässigen die Kontrolle von Klimaschutzgesetzen

Klimaschutzgesetze werden vielfach nicht oder mangelhaft umgesetzt, eine Kontrolle durch den Staat findet nur in Ausnahmefällen statt - Umfrage der Deutschen Umwelthilfe in Bundesländern stellt massive Vollzugsdefizite und ein Desinteresse an der Umsetzung von Klimaschutzgesetzen fest - Nichtstun verursacht Millionen Tonnen Klimagasemissionen, die nicht in der Statistik auftauchen - DUH-Geschäftsführer Resch: "Staatliches Nichtstun gefährdet akut den Klimaschutz"


Berlin, 5. Juli 2010: Eine erschreckende Vernachlässigung der Umsetzung und Kontrolle von Klimaschutzgesetzen hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) bei einer Umfrage in den Bundesländern festgestellt. Entscheidende gesetzliche Vorgaben z.B. für den Klimaschutz im Gebäudebereich werden in den Bundesländern zum Teil entweder gar nicht umgesetzt oder aber ihre Einhaltung wird so gut wie nicht überwacht. So sind für das seit anderthalb Jahren geltende Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmG) vielfach noch immer keine Vollzugsbehörden benannt worden. Und die Einhaltung der Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) wird nicht einmal stichprobenhaft kontrolliert, obwohl bekannt ist, dass diese Vorgaben in der Praxis häufig umgangen werden. Unbeirrt misst jedoch die Bundesregierung beiden Gesetzen eine maßgebliche Bedeutung für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele bei.

"Die mangelnde Kontrolle hat System und dieses System trägt maßgeblich dazu bei, dass Deutschland seine Klimaschutzziele nicht erreichen wird", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Der Staat kümmert sich nicht um die Einhaltung der Klimaschutzgesetze und schafft so den Freiraum für Betrug, Schlamperei und Schlendrian, den Teile von Industrie und Gesellschaft nutzen, um Klima- und Umweltschutz auszuhebeln. Jedes Jahr kommen so viele Millionen Tonnen zusätzlicher Klimagasemissionen hinzu, die in keiner Statistik auftauchen," sagte Resch. Der Personalabbau in den unteren Vollzugsbehörden habe daher einen hohen Preis, da die Folgen des Klimawandels deutlich teurer seien. "Wenn am Fuße der staatlichen Hierarchieleiter keine Menschen mehr arbeiten, die die Gesetze in die Praxis umsetzen, dann können Regierung und Parlament sich lange mit wohlfeilen Gesetzestexten rühmen, sich für Klima und Umwelt einzusetzen", sagte Resch.

Um eine globale Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius noch zu verhindern, müssen die Industrienationen ihre Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 reduzieren. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat sich dementsprechend im Koalitionsvertrag zu einer Minderung der deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent verpflichtet. "Dieses Ziel wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch und gerade wegen bestehender Vollzugsdefizite im Bereich des Klimaschutzrechts deutlich verfehlt werden", sagte Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH. "In den Ländern sind vielfach massive Vollzugsdefizite und ein Desinteresse an der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Vollzugs zu konstatieren, so dass immense Energieeinsparpotenziale verschenkt werden. Der Bund schaut dabei zum Teil seit Jahren tatenlos zu", sagte Ziehm, die die Umfrage zur Umsetzung von Energieeinspargesetzen im Gebäudebereich in den 16 Bundesländern durchgeführt hat.

Einen mangelhaften Vollzug von Gesetzen zum Klimaschutz stellt die DUH ebenfalls seit Jahren bei stichprobenartigen Kontrollen der Effizienzkennzeichnung von Pkw und bei Haushaltsgeräten wie Kühlschränken fest. Kühlgeräte werden schlecht oder gar nicht mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Energieverbrauchslabel gekennzeichnet. Außerdem werden die darin enthaltenen klimaschädlichen FCKW nicht ordnungsgemäß entsorgt, haben DUH-Recherchen bei den Umweltministerien der Länder ergeben. Da vier von fünf alten Kühlgeräten noch immer FCKW enthalten, ist die mangelhafte Entsorgung der Treibhausgase klimarelevant: Deutschland entlässt dadurch jährlich 5,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre.

"Der Staat darf sich der Überwachung der Einhaltung seiner Gesetze und Verordnungen nicht entziehen", sagte Ziehm. Unterlassen die Bundesländer dennoch die Umsetzung, kann und muss der Bund laut Grundgesetz Art. 84 Abs. 3 Einfluss nehmen. Denn danach übt die Bundesregierung die Aufsicht darüber aus, dass die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen. Machen sie das nicht, eröffnet Art. 84 Abs. 4 GG dem Bund die Möglichkeit der Mängelrüge. "Vor diesem Hintergrund ist der seitens des Bundes gerne wiederholte Hinweis auf die Verwaltungshoheit der Länder zwar richtig, entschuldigt aber eine Tatenlosigkeit des Bundes spätestens dann nicht mehr, wenn Bundesgesetze in den Ländern jahrelang nicht vollzogen werden", sagte Ziehm. Auch ein pauschaler Verweis auf die angespannte Haushaltslage in Bund, Ländern und Kommunen und die damit verbundenen Personaleinsparungen sei schwerlich zur Rechtfertigung von Vollzugsdefiziten geeignet. Denn würden die Länder die Einhaltung von Klimaschutzgesetzen kontrollieren und bei festgestellten Verstößen Bußgelder verhängen, wäre das mit entsprechenden Einnahmen für den Staat verbunden, aus denen sich die Kontrolle wie in anderen Industriestaaten üblich finanzieren ließen.

Ziehm forderte zudem, den Bereich der Energieeffizienz insgesamt dem BMU zu übertragen. Denn insbesondere das bislang für Effizienzsteigerung bei Pkw und Haushaltsgeräten zuständige Bundeswirtschaftsministerium werde dieser Aufgabe seit Jahren nicht gerecht. So habe Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erst kürzlich wieder EU-Vorhaben zur Effizienzsteigerung bei leichten Nutzfahrzeugen torpediert.

Die Antworten der Bundesländer zum Stand der Umsetzung von EEWärmG und EnEV, ein Ranking der Länder sowie die DUH-Untersuchung zum FCKW-Recycling in Deutschland finden Sie unter http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2340


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Quelle:
DUH-Pressemitteilung, 05.07.2010
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell
Tel.: 0 77 32/99 95-0, Fax: 0 77 32/99 95-77
E-Mail: info@duh.de
Internet: www.duh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2010