Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


WASSER/199: Erkundung von Wasserressourcen im Unteren Jodantal und am Toten Meer (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter März 2015

"Die Implementierung braucht viel Zeit und Geld"

Interview mit Prof. Heinz Hötzl


Herr Prof. Hötzl, in Fachkreisen gelten Sie als Pionier multilateraler Forschungsprojekte in Nahost. Wie kamen Sie dazu?

Schon sehr früh, etwa seit 1975, konzentrierten sich viele meiner Forschungsarbeiten auf Wasserressourcen in ariden und semiariden Gebieten, v.a. in Saudi Arabien und in Jordanien. Meine fachliche Expertise, die Kenntnis der Wassersituation vor Ort und meine guten Kontakte waren dann wohl auch der Einstieg in die multilateralen Projekte, über die man im Bundesforschungsministerium Mitte der 1990er Jahre nachdachte.

Ziel dieser Projekte ist es, Israelis, Palästinenser und Jordanier zur Lösung der Wasserprobleme an einen Tisch zu bringen. Weshalb dieses deutsche Engagement?

Schon lange gab es ja bilaterale Forschung mit einzelnen Ländern der Region, mit Israel etwa seit Mitte der 1960er Jahre. Etwas Gemeinsames war nicht denkbar. Anfang der 1990er Jahre öffnete sich durch die Politik Jitzchak Rabins plötzlich ein Fenster mit Möglichkeiten. 1993 und 1995 besiegelten Palästinenser und Israelis in den Oslo-Verträgen einen Friedensprozess, und Deutschland hatte großes Interesse daran, diesen auf verschiedenen Sektoren zu unterstützen - unter anderem eben durch Investitionen in eine gemeinsame Forschung. Und so fingen wir 1995 an, das German-Israeli-Jordanian-Palestinian-Project (GIJP) auszuhandeln, das sich aufgrund plötzlicher Finanznot der Israelis letztlich auf die Erkundung und Erschließung von Wasserressourcen im unteren Jordantal und am Toten Meer beschränkte. Vor dem Hintergrund des starken Bevölkerungswachstums und den Ansprüchen der Anrainer auf das knappe Wasser war das ein Schlüsselproblem, das wir gemeinsam angehen konnten. Mitten in diese Zeit fiel die Ermordung Rabins und die erstmalige Wahl Netanjahus, mit dessen rechtskonservativer Politik sich die politische Situation in der Region wieder verschärfte. Aber natürlich hatten wir deutschen Wissenschaftler auch ein Eigeninteresse an dieser Forschung. Zum einen ist es unheimlich spannend, die komplizierten hydrologischen und hydrogeologischen Prozesse in einem solchen sensiblen semiariden Raum zu erforschen, in dem sich die kleinsten klimatischen Veränderungen sehr rasch und dramatisch dokumentieren. Zum andern wussten wir, dass dieses Wissen einmal wichtig sein wird für andere Regionen, unter anderem für Europa selbst.

Wie hat sich die politische Situation auf die Forschungsarbeit ausgewirkt?

Mitte der 1990er Jahre war das tägliche Leben von Israelis und Palästinensern, abgesehen von radikalen Einzelaktionen, ganz entspannt. Israelis gingen zum Abendessen in den arabischen Teil Jerusalems, haben da eingekauft - und umgedreht. Wir hatten kaum Schwierigkeiten, Wissenschaftler, Behörden und Ministerien in unser Projekt zu integrieren. Die meisten Kollegen waren darüber erfreut, mitarbeiten zu dürfen. Es gab auch einige, die eher vorsichtig waren. Mit denen haben wir viel geredet, und in den meisten Fällen haben wir die Vorurteile im Laufe der Zeit abbauen können.

Die Situation änderte sich aber rasch mit dem Politikwechsel in Israel, und das bekamen auch wir zu spüren: Staatsangestellte durften nicht mehr wechselseitig reisen. Einige Wissenschaftler hatten zunehmend Probleme, gegenüber Studenten und anderen Fachkollegen zu sagen, dass sie mit den jeweils anderen zusammenarbeiten. Und die zweimal jährlich anberaumten Zusammenkünfte der Projektleiter konnten irgendwann nicht mehr abwechselnd in Jordanien und Palästina stattfinden, wurden dann ausschließlich nach Jordanien verlegt, und als das auch nicht mehr möglich war, in den mediterranen Raum. Solche Dinge erschweren natürlich die Forschung.

Sehen Sie unter den sich weiter verschärfenden Bedingungen überhaupt Chancen, die gemeinsam erarbeiteten Konzepte umzusetzen?

Doch, da sehe ich schon Möglichkeiten. Ende 2013 etwa haben Israel, Jordanien und Palästina beschlossen, eine Anlage zur Meerwasserentsalzung in Akaba am Roten Meer zu errichten. Sie soll große Teile Südjordaniens mit Wasser versorgen, aber ebenso Eilat in Israel. Im Gegenzug liefert Israel Wasser vom See Genezareth in den Norden Jordaniens - und auch nach Ramallah ins Westjordanland. Dass dieser Vertrag trotz der brisanten politischen Situation unterzeichnet wurde, macht mich zuversichtlich. Wichtig ist, davon Abstand zu nehmen, dass all das, was wir erforschen, schnell und länderübergreifend implementiert wird. Das funktioniert leider nicht, wie wir selbst erkennen mussten. Möglich ist vielmehr die Umsetzung in kleinen Schritten, vielleicht auch erst einmal in einem der beteiligten Länder, wie das die Etablierung dezentraler Kläranlagen zeigt. Da wurden Ergebnisse von UFZ-Forschern aus unserem multilateralen Projekt gemeinsam mit der deutschen Industrie zuerst in Jordanien umgesetzt und werden jetzt Stück für Stück in andere Länder übertragen. Solche Dinge brauchen aber viel Geld und viel Zeit - und natürlich die Unterstützung auf politischer Ebene.

Das Interview führte Susanne Hufe


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Prof. Dr. Heinz Hötzl, Jahrgang 1941, arbeitete mehr als 35 Jahre als Hydrogeologe an der Universität in Karlsruhe. Er ist Mitbegründer und Koordinator der ersten multilateralen wissenschaftlichen Projekte im Nahen Osten, die sich den knappen Wasserressourcen widmeten. Sie haben alle politischen Wandelprozesse überdauert und laufen bis heute mit sehr großem Erfolg. 2008 erhielt Heinz Hötzl für diese Leistung das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.

*

Quelle:
UFZ-Newsletter März 2015, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-450819
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang