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WASSER/058: Jordanwasser für israelische Siedler - Israel plündert Westjordanlands Ressourcen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Februar 2012

Nahost: Jordanwasser für israelische Siedler - Israel plündert Westjordanlands Ressourcen

von Jillian Kestler-D'Amours


Jerusalem, 22. Februar (IPS) - Der Versuch der israelischen Menschenrechtsorganisation 'Yesh Din', einen Gerichtsbeschluss gegen den von Israel seit Jahrzehnten betriebenen Bergbau im besetzten Westjordanland zu erwirken, ist vorerst gescheitert. Israels Oberster Gerichtshof wies die Eingabe zurück. Jetzt befürchten Menschenrechtsaktivisten und zivile Gruppen, die Entscheidung werde einer noch umfassenderen Ausplünderung der seit 1967 besetzten Palästinensergebiete Tür und Tor öffnen.

Die israelischen Aktivisten kommentierten den Gerichtsbeschluss als einen "Freibrief für Israel, im Westjordanland das Wasser abzupumpen, wertvolle archäologische Funde aus dem Territorium wegzuschaffen, seinen Müll abzuladen und öffentliches Land zu verkaufen". Vor allem die Versorgung der 2,5 Millionen in Westjordanland lebenden Palästinenser mit dem lebensnotwendigen Jordanwasser stehe auf dem Spiel.

Israels oberstes Gericht hatte argumentiert, bei langfristiger Besetzung könnten auch die Rechte der Besatzungsmacht geändert und erweitert werden. Zudem habe die Palästinenserbehörde im israelisch-palästinensischen Interimsabkommen von 1995 in Washington einer Erschließung der Bodenschätze in der komplett von Israel kontrollierten Region C des Westjordanlandes zugestimmt.

Diese Vereinbarung sollte eigentlich 1999 ablaufen. Die Richter betonten, ein Abbruch der Bergbauaktivitäten würde auch den Palästinensern schaden, die hier im Bergbau beschäftigt seien. In der Region C leben nach Schätzungen des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) etwa 150.000 Palästinenser.


Raub der Lebensgrundlage

"Dieses Gesetz ist gefährlich und verstößt gegen Menschenrechte, die es einem Staat verbieten, den Menschen das Lebenselixier Wasser zu stehlen", sagte der Palästinenser Fathy Khdirat. Er koordiniert die Initiative 'Jordan Valley Solidarity', die ein Netzwerk von Basisgruppen aus dem gesamten Jordantal gegründet hat. Dort kontrolliert Israel den größten Teil der Wasserressourcen und stellt sie exklusiv den hier lebenden 9.400 israelischen Siedlern zur Verfügung.

Die Siedler verbrauchen pro Kopf jährlich 6,6 Mal soviel Wasser wie die 56.000 palästinensischen Bewohner des Jordantals. Manche Beduinengemeinden sind kaum besser mit Wasser versorgt als die von Dürre geplagten Menschen in globalen Krisenregionen.

"Die Palästinenser hören, wie das Wasser durch die Leitungen rauscht, doch trinken dürfen sie es nicht", klagte Khdirat. "Nur etwa 13 Palästinensergemeinden dürfen dem israelischen Wasserversorger Mekorot eine begrenzte Menge Wasser abkaufen", berichtete der Aktivist.

Israels Bergbauaktivitäten im Westjordanland hatten Mitte der 70er Jahre begonnen. Acht der zehn hier operierenden Unternehmen produzieren jährlich fast zwölf Millionen Tonnen Abraum, der zu bis zu 94 Prozent in der israelischen Bauindustrie verwendet wird.


Vertreibungsstrategien

In einem im September 2011 veröffentlichten gemeinsamen Bericht hatten das palästinensische Wirtschaftsministerium und das Institut für angewandte Forschung in Jerusalem errechnet, dass die israelische Besatzung die palästinensische Wirtschaft jährlich 6,9 Milliarden US-Dollar kostet, fast 84,9 Prozent seines gesamten Bruttoinlandsproduktes (BIP).

"Der größte Teil dieser Kosten steht in keinem Zusammenhang mit Sicherheitsbedenken, sondern mit den massiven Restriktionen, die die Palästinenser dazu zwingen, sich den Zugang zu ihren eigenen Ressourcen teuer zu erkaufen", heißt es darin. "Allein für die von ihnen benötigten Rohstoffe müssen sie jährlich 4,5 Milliarden Dollar ausgeben, das entspricht 56 Prozent des palästinensischen BIP", stellte der Bericht fest.

Nach Ansicht des Aktivisten Khdirat verfolgt Israel mit der wirtschaftlichen Strangulierung der Palästinenser nur ein Ziel: "Sie wollen uns dazu bringen, unser Land zu verlassen", sagte er. "Doch wir Palästinenser sind trotz aller Einschränkungen und vielerlei Repressionen immer noch hier. Wohin sonst sollten wir auch gehen? Wir haben keine Wahl, denn es geht um unsere Existenz." (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.yesh-din.org
http://www.unocha.org/http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106825
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106825

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2012