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WASSER/053: Flussschützer - Staudämme sind keine Lösung für den Klimawandel (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2011

Global Governance - Eine Chimäre?

Aktuell

Staudämme sind keine Lösung für den Klimawandel
Internationale Begegnung mit Flussschützern

von Michael Bender, Jean-Philippe Müller und Heike Drillisch


Vom 16. bis 18. November 2011 richteten das Bundesumweltministerium (BMU) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Bonn2011-Konferenz "The Water, Energy and Food Security Nexus - Solutions for the Green Economy" aus. Sie stellte einen der zentralen Vorbereitungsbeiträge der Bundesregierung für die Rio+20-Konferenz im Juni 2012 dar, fand jedoch nur mit geladenen Gästen statt.

Bei der Verbindung der Themen Wasser, Energie und Nahrung nehmen Staudämme eine Schlüsselrolle ein, da sie sowohl der Energieproduktion als auch der Bewässerung und Nahrungsmittelproduktion sowie der Trinkwassergewinnung dienen können. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels werden sie als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Energieträgern propagiert, und weltweit boomt der Staudammbau. Derzeit sind Tausende von Dämmen in Ländern wie der Türkei, China und Brasilien geplant oder werden von ihnen in anderen Ländern gebaut oder finanziert. In Europa gerät der Neubau von Staudämmen als Speicher für regenerativ erzeugte Energie wieder in die Diskussion.


Staudammboom bedroht Umwelt und Klima

Die GRÜNE LIGA - Bundeskontaktstelle Wasser und GegenStrömung/infoe e.V. nahmen die offizielle Regierungskonferenz zum Anlass, um in Kooperation mit dem Forum Umwelt und Entwicklung das Bewusstsein der Öffentlichkeit, wie der Konferenzteilnehmer, dafür zu schärfen, dass der Staudammboom in der jetzigen Form Wasser-, Nahrungs-, Energie- und Klimaprobleme eher noch verschärfen als lösen kann, während andererseits bereits Konzepte existieren, die negativen Auswirkungen von Staudammbauten abzumildern.

Am Vorabend der Bonn2011-Konferenz luden wir unter dem Titel "Beware of dams - false solutions to the water-energy-food security nexus? - Staudämme in Zeiten des Klimawandels" zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in die Uni Bonn ein.

Peter Bosshard (Policy Director von International Rivers) gab einen Überblick über die weltweiten Trends im Staudammbau. Zu den Referenten gehörte mit Juan Pablo Orrego, dem Präsidenten von Ecosistemas aus Chile, sogar ein Alternativnobelpreisträger, der sehr eindringlich auf die ökologischen Folgen der Staudammprojekte in Patagoniens atemberaubender Naturlandschaft hinwies. Brent Millikan (Amazon Program Director bei International Rivers) berichtete per Internet-Live-Schaltung vom Belo Monte Staudammprojekt in Brasilien. Es wird geschätzt, dass der Belo Monte-Damm zusammen mit einem weiteren Damm in den ersten zehn Jahren ihrer Betriebsdauer voraussichtlich viermal so viele Emissionen freisetzen würde wie ein vergleichbares fossiles Kraftwerk. Auch als Klimafolgenpuffer für abschmelzende Himalaya-Gletscher sind Staudämme nur bedingt geeignet, wie dem Vortrag von Gopal Siwakoti aus Nepal zu entnehmen war. Himanshu Thakkar (Präsident von South Asia Network on Dams, Rivers & People) aus Indien wies darauf hin, dass die Zertifikate des CO2-Emissionshandels (CDM) zur Finanzierung fragwürdiger Projekte dienen. Dr. Manfred Konukiewitz bekräftigte, dass sich das BMZ für die Einhaltung der Kriterien der World Commission on Dams einsetze. Den Illisu-Staudamm und weitere Projekte in der Türkei thematisierte Ercan Ayboga (Initiative zur Rettung von Hasankeyf). Heike Drillisch (GegenStrömung) machte deutlich, dass auch Projekte der kleinen Wasserkraft mit gravierenden Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen einhergehen können.

Für die musikalische Umrahmung konnten Swantje und Carlos - Troubadoure der Neuzeit gewonnen werden. Durch das Programm führte Michael Bender. Die Veranstaltung wurde per Livestream ins Internet übertragen.

Die GRÜNE LIGA und infoe bedanken sich bei der Staatskanzlei des Landes NRW/GIZ GmbH und beim Verein der Bundestagsfraktion DIE LINKE e.V. für die freundliche Unterstützung.

Nexus-Konferenz ignoriert Bedenken der Staudammaktivisten

Die Veranstaltung war umso passender, als bei der Regierungskonferenz kritische Stimmen geringen Raum erhielten. Obwohl etliche VertreterInnen indigener Völker und von Nichtregierungsorganisationen aus dem Süden als TeilnehmerInnen eingeladen waren, fehlten sie weitgehend auf den Podien. Erst in letzter Minute erklärten sich die Organisatoren des Workshops zu Staudämmen, den die Weltbank, die International Hydropower Association und der WWF unter dem bezeichnenden Titel "Making Dams Work" abhielten, bereit, zwei Staudammaktivisten als Redner mit aufzunehmen. Während in der anschließenden Diskussion und verschiedenen Gesprächsrunden, den sogenannten Nexus-Cafés, die vielen mit Staudämmen verbundenen Probleme deutlich zum Ausdruck gebracht wurden, erwies sich der Managing Director der Weltbank, Mahmoud Mohieldin, im Abschlusspanel als unbeirrter Staudammbefürworter. Und obwohl der Entwurf der Abschlussempfehlungen der Konferenz die Bedeutung der Menschenrechte in Zusammenhang mit dem "Nexus" Wasser-Energie-Nahrung in den einleitenden Kapiteln zwar gebührend hervorhebt, fehlt ein klarer Hinweis auf die Menschenrechte in den Kapiteln, die die Verantwortungen der verschiedenen Akteure benennen. In Bezug auf Staudämme werden "existing and emerging sustainability assessment tools" als zu berücksichtigende Standards genannt - ein Ausdruck, der sich offensichtlich auf das Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) der International Hydropower Association bezieht. Dieses wird von der Zivilgesellschaft jedoch als ein Versuch der Staudammindustrie angesehen, die Empfehlungen der Weltstaudammkommission auszuhebeln, und als bloßes "Greenwashing" abgelehnt.

Insgesamt bestärkte die Konferenz den Eindruck, dass es bei der "Green Economy" vor allem um die Fortsetzung des Wirtschaftswachstums geht und der Schutz von Ökosystemen und Biodiversität nur in dem Maße Berücksichtigung findet, wie diese ökonomisch verwertbar sind. Es bleibt daher viel zu tun auf dem Weg nach Rio.

Weitere Themen der internationalen Wasser-Diskussion greift das englischsprachige Positionspapier "Water for Life" auf, dass die GRÜNE LIGA Bundeskontaktstelle Wasser in Kooperation mit Partnern aus dem Forum Umwelt und Entwicklung und aus dem Living Lakes-Netzwerk pünktlich zur Bonner Nexus-Konferenz vorstellte. Zu den zentralen Herausforderungen gehören neben der Vermeidung der negativen Auswirkungen durch Staudämme das Menschenrecht auf Wasser, die ökologisch verträgliche sanitäre Grundversorgung, das integrierte Wassermanagement, die Reduzierung der Wasserverschwendung in der Landwirtschaft, verursachergerechte Wasserpreise und stärkere Partizipation (siehe auch Rundbrief-Serviceteil).

Michael Bender und Jean-Philippe Müller arbeiten für die GRÜNE LIGA Bundeskontaktstelle Wasser. Michael Bender ist außerdem Koordinator der AG Wasser des Forums Umwelt und Entwicklung. Heike Drillisch Heike Drillisch ist Koordinatorin des Netzwerks GegenStrömung und im Vorstand des Instituts für Ökologie und Aktions-Ethnologie (infoe) e.V.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Internationale Staudammaktivisten begrüßen die Teilnehmer der Bonner Konferenz


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2011
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2012