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WALD/159: Waldgesetzgebung in Brasilien - Nur auf dem Papier gut? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Waldgesetzgebung in Brasilien
Nur auf dem Papier gut?

Von László Maráz



Was hat man in den vergangenen Jahren nicht alles vom brasilianischen Waldgesetz gehört? Alle paar Monate schwirrte eine Eilaktion durchs Netz, in der von einer drohenden Verschlechterung gewarnt wurde. Der 80%ige Waldanteil, der für Grundbesitz in Amazonien als vorgeschrieben galt, sollte demnach immer wieder auf 50% schrumpfen. Geldgierige Großgrundbesitzer, Sojafarmer und Viehzüchter hatten längst mehr Wald gerodet als erlaubt und ihre Lobby tut bis heute alles dafür, um die hinderliche Vegetation loszuwerden.


Das brasilianische Waldgesetz wurde 2012 verabschiedet. Ob es geholfen hat? Schwer zu sagen. Zu viele Faktoren beeinflussen die Abholzungsrate, über deren Höhe widersprüchliche Angaben kursieren. Sind es Wirtschaftskrisen oder Schutzmaßnahmen, die für weniger Waldverluste sorgen? Sind es der Sojaboom, die Holzfällerei oder das trockene Klima, die an steigenden Abholzungsraten schuld sind?

Gut also, dass im September gleich zwei Senatoren Brasiliens in Berlin über die "neue Waldpolitik" informierten. Luiz Henrique (PMDB/SC) und Jorge Viana (PT/AC) stellten die Funktionsweise und Bedeutung der aktuellen Waldgesetzgebung vor. Sie lobten das Werk in höchsten Tönen. Demnach ist im neuen Waldgesetz dafür gesorgt, dass die Vorschrift, nach welcher sämtliche Land-Grundstücke mindestens zu 80% bewaldet sein müssen, wieder eingehalten werden muss. Dazu müssen alle Landeigentümer ihre Grundstücke im Land-Umwelt-Kataster registrieren lassen. Wer in vergangenen Jahren zu viel abgeholzt hat, den erwartet eine Strafe. Deren Vollzug wird für 20 Jahre ausgesetzt - so lange hat man Zeit, die Flächen wieder aufzuforsten. Schafft man es, entfällt die Bestrafung. Für die kleinen und mittleren Landeigner sei das System "flexibel". 90% der Landeigner besitzen 24% der Flächen und können sich, sofern sie diese sinnvoll bewirtschaften, um einen Teil der Verpflichtung drücken. Die Großgrundbesitzer (10%) die über 90% der Flächen verfügen, würden dagegen sehr streng behandelt und müssen auf jeden Fall aufforsten. Insgesamt gehe es um fast fünfeinhalb Millionen Grundbesitze, die schon bald registriert würden. 2015 solle alles fertig sein.

Wunschdenken

In der Realität hört sich die Geschichte allerdings völlig anders an. Zwar ist die Entwaldungsrate in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. 1995 wurden in Amazonien noch 2,7 Millionen Hektar gerodet. Die Abholzung nahm aber zwischen 2005 und 2012 auf 450.000 Hektar ab. Dass 2013, im Jahr nach der Verabschiedung des neuen Waldgesetzes, die Waldverluste wieder auf 580.000 angestiegen sind, deutet jedoch nicht auf eine Erfolgsgeschichte hin.

So berichtet das "Observatório do Código Floresta", ein Zusammenschluss von 13 Nichtregierungsorganisationen(1) davon, dass die Maßnahmen im Land erst gar nicht umgesetzt worden seien. Die für die Registrierung der 5,4 Millionen Grundstücke erforderlichen Verordnungen seien erst im Mai 2014 veröffentlicht worden. Einer Analyse der Vermont Law School(2) zufolge habe das Waldgesetz eine Amnestie für illegale Waldrodungen ermöglicht, die den Wald inzwischen nur noch auf 50% ihrer Ländereien erhalten brauchen. Manche kleinen Grundbesitzer brauchten überhaupt nicht aufzuforsten und zu vielen Gesetzesbrechern würden die Strafen komplett erlassen. Dies dürfte viele zu weiteren Rodungen ermutigen.

Das Waldgesetz birgt weitere Risiken

Uferstreifen und Mangrovenwälder würden weniger gut geschützt ebenso wie Wälder auf Erhebungen unter 100 Meter und die nicht permanenten Wasserläufe. Letzteres ist besonders im trockenen Nordosten, der Region der Campos Cerrados, problematisch, hier ist die Bevölkerung mehr als andernorts auf die sichere Wasserversorgung angewiesen. Wenn Einzugsgebiete von Bächen abgeholzt werden, die im Sommer trockenfallen, wird auch die Speicherung von Grundwasser abnehmen.

Im Gegensatz zum weltweiten Interesse am Schutz der tropischen Regenwälder in Amazonien wird den Abholzungen in den Baumsavannen der Campos Cerrados meist sehr wenig Beachtung geschenkt. Dabei ist inzwischen etwa die Hälfte dieser Ökosysteme zerstört worden, die neue Waldgesetzgebung könnte die legale Rodung von bis zu 40 Millionen Hektar Cerrado-Vegetation ermöglichen, einer Fläche größer als Deutschland.(3)

Das Beispiel Brasiliens belegt eindrucksvoll, dass es selten die Armut ist, die für die Waldverluste verantwortlich zu machen ist. Großgrundbesitzer, die Agrarindustrie, Viehzüchter und Holzhändler sind die treibenden Kräfte und Profiteure der Waldrodungen. Brasilien als wohlhabendes Schwellenland baut weiter zu stark auf die Plünderung der Naturressourcen, ohne dabei die Interessen großer Teile der Landbevölkerung zu berücksichtigen. Indigene Völker, Landlose und Kleinbauern werden mit den Folgen der Naturzerstörung konfrontiert, während sich andere Akteure am Reichtum erfreuen.


Autor László Maráz ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Internet-Hinweise

(1) http://www.socioambiental.org/pt-br/noticias-socioambientais/audienciapublica-seminario-e-debate-marcam-segundo-aniversario-do-novo-codigo-florestal

(2) http://watchlist.vermontlaw.edu/brazil-repeals-forest-code-and-deforestation-accelerates/

(3) http://whrc.org/news/pressroom/PR-2014-24-14-Macedo-Brazil-Forest-Code.html.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 28
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2014