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RESSOURCEN/040: Südafrika - Arme hoffen auf Schiefergasprojekt, doch Gefahr für Halbwüste Karoo (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013

SÜDAFRIKA: Arme hoffen auf Schiefergasprojekt - Doch Gefahr für Halbwüste Karoo

Von Gavin du Venage


Bild: © Gavin du Venage/IPS

Fracking-Pläne für die Halbwüste Karoo
Bild: © Gavin du Venage/IPS

Karoo, Südafrika, 25. November (IPS) - Petrus Kabaliso und seine Frau sitzen im Schatten einer Dattelpalme und sehen den Lkw-Fahrern zu, die hier in der Halbwüste Karoo in der südafrikanischen Nordkap-Provinz einen Zwischenstopp einlegen. Cynthia Kabaliso hat einen Regenschirm gegen die pralle Sonne aufgespannt.

Das Paar könnte aus einem Werbekatalog für die Wüstenlandschaft entsprungen sein - viel Lokalkolorit, viel Atmosphäre. "Doch unser Leben ist hart", sagt der 59-jährige Kabaliso. "Wir sammeln Metall und Flaschen, die die Lastwagenfahrer manchmal hier entsorgen. Wenn wir sie verkaufen, können wir uns Pap (Maismehlgrütze) und Zucker leisten."

Dabei ist Colesburg, wo die beiden leben, noch vergleichsweise wohlhabend. Hier machen Lastwagenfahrer und Privatpersonen auf dem Weg zur Küste halt. Häufig bleiben sie über Nacht und mieten sich eines der vielen Pensionszimmer, die an allen Ecken um Gäste werben.

Doch der Wohlstand ist relativ. Wie den meisten Städten in der Karoo fehlt es an wirtschaftlichen Möglichkeiten - noch. Denn es gibt Pläne, die in der Wüste vermuteten Schiefergasreserven auszubeuten.

Wie aus einer Untersuchung des Finanzforschungsinstituts 'Econometrix' im Auftrag des multinationalen Energieriesen Shell hervorgeht, wird das Gasvolumen in der Halbwüste auf 13,6 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Zum Vergleich: 'Mossgas', die Gasverflüssigungsanlage an der südafrikanischen Südküste, hat nach Angaben des Betreibers 'PetroSA' in den letzten 20 Jahren fünf Prozent der landesweiten Treibstoffnachfrage mit nur 28,3 Millionen Kubikmetern Gas gedeckt.


Hoffnung auf Hunderttausende von Arbeitsplätzen

Econometrix zufolge würde allein schon die Ausbeutung von zehn Prozent der Reserven 700.000 neue Jobs schaffen. Ricardo Josephs, der die Erdölpumpen der Stadt Graaf Reinette wartet, ist deshalb auch ein Befürworter des Fracking-Projekts. "Neue Arbeitsplätze würde bedeuten, dass unsere Familienangehörigen und Freunde, die zum Arbeiten nach Kapstadt oder Johannesburg gegangen sind, zurückkehren könnten", sagt er.

Joseph denkt wie viele, wenn er sagt, dass nur die reichen Farmer gegen das Vorhaben seien. "Sie wollen keinen Wandel", meint er. "Doch für mich und die vielen Arbeitslosen würde das Projekt Jobs und bessere Löhne bringen." Etwa 63 Prozent der Bewohner der Karoo-Halbwüste leben unterhalb der Armutsgrenze.

Doch auch Wissenschaftler und Umweltschützer haben Bedenken. Sie befürchten irreparable Schäden des 400.000 Quadratkilometer großen Wüstengebietes. Wie Anthony Leiman, Umweltökonom an der Universität von Kapstadt, berichtet, wird die Ausbeutung so großer Lagerstätten das Antlitz der Karoo-Wüste zutiefst verändern.

Er erinnert an die riesigen Gasfunde in Norddakota, die das Leben in den dortigen Kleinstädten völlig auf den Kopf gestellt hätten. Der Zustrom männlicher Arbeitskräfte habe einen Bevölkerungsanstieg von zehn Prozent und dadurch eine Vielzahl sozialer Probleme wie Drogenmissbrauch und Prostitution nach sich gezogen.

Doch sind es vor allem ökologische Probleme, die bei vielen die Alarmglocken schrillen lassen. Bei den Tiefbohrungen im Rahmen der Fracking-Technologie werden unter hohem Druck große Wassermengen mit chemischen Zusätzen in das unterirdische Gestein gepresst, um das Gas leichter freizusetzen. In den USA ist es durch die Methode zur Verseuchung von Grundwasserquellen gekommen.

Die Aktionsgruppe zur Rettung der Karoo (TKAG) ist die größte Widerstandsgruppe gegen die Ausbeutung der Schiefergasreserven in der Halbwüste. Die TKAG hat ausgerechnet, dass im Verlauf des Fracking-Prozesses bis zu 20 Millionen Liter Wasser gebraucht werden. Doch Wasser ist genau das, was die Lokalbevölkerung nicht entbehren kann. In anderen Teilen der Welt hat sich den Aktivisten zufolge zudem gezeigt, dass Fracking Mensch und Tier krank gemacht habe. Die Verwendung von BTEX - einer Gruppe von Chemikalien auf Erdölbasis, werde für hormonelle Störungen und Krebserkrankungen verantwortlich gemacht.

Im September hatte die südafrikanische Wasser- und Umweltministerin Edna Molewa erklärt, die Ausbeutung des Schiefergases aus der Karoo von ihrem Amt strikt zu kontrollieren. So müssten Unternehmen bei ihrer Behörde eine separate Lizenz beantragen. Doch den Kritikern zufolge geht auch diese Maßnahme nicht weit genug.


Langfristige Probleme

Jeannie le Roux, die Operationsleiterin von TKAG, räumt zwar ein, dass die Gasgewinnung Arbeitsplätze schaffen könnte. "Doch die Geschichte hat uns gelehrt, dass der durch die Rohstoffindustrie geschaffene Wohlstand den lokalen Gemeinden selten zugutekommt. Sobald die Förderarbeiten eingestellt werden, blieben die Menschen zu allem Übel dann noch auf Umweltproblemen sitzen."

Doch nach Ansicht von Chris Nissen, Vorsitzender des 'Karoo-Schiefergas-Gemeindeforums', sind Südafrikas Gesetze stark genug, um eine nachhaltige Ausbeutung der Schiefergasreserven in der Wüste zu gewährleisten. Eine gute Planung könne auch den sozialen Problemen vorbeugen, ist er überzeugt. "Die Karoo ist ein wunderschöner aber auch sehr trauriger Ort", sagt er und berichtet von Kindern, die trotz Minusgraden im Winter barfuß zur Schule gingen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.econometrix.co.za/site/default.asp
http://www.ipsnews.net/2013/11/for-better-or-for-worse-fracking-in-the-rustic-karoo/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2013