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PROTEST/081: Puerto Rico - Stark und unabhängig, 'Casa Pueblo' für Umweltschutz und Nachhaltigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Oktober 2014

Puerto Rico: Stark und unabhängig - 'Casa Pueblo' für Umweltschutz und Nachhaltigkeit

von Carmelo Ruiz-Marrero


Bild: © Carmelo Ruiz-Marrero

Casa Pueblo
Bild: © Carmelo Ruiz-Marrero

San Juan, 2. Oktober (IPS) - In Puerto Rico hat sich der Kampf der lokalen Umweltbewegung gegen den Kupferabbau im Zentralgebirge zu einer wahren Erfolgsgeschichte entwickelt. Jahrzehntelang versuchte die Regierung dieses kleinen US-amerikanischen Außengebietes, den Kupfertagebau in den Gemeinden Lares, Adjuntas und Utado durchzusetzen - und stieß auf Granit.

Seit 1996 ist der Tagebau in dem Gebiet verboten. Dafür sorgte der damalige Gouverneur Pedro Rosselló, indem er ein Gesetz unterzeichnete, dass die Zone zudem in den Stand eines "Volkswaldes" erhob.

Angeführt worden war der Widerstand gegen das Kupferprojekt von 'Casa Pueblo' mit Sitz in Adjuntas. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) war 1980 von Intellektuellen und Umweltschützern unter Führung des 1985 verstorbenen Lyrikers und Unabhängigkeitskämpfers Juan Antonio Corretjer gegründet worden. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Nationalistischen Partei, die mit Waffengewalt für die puertoricanische Unabhängigkeit gekämpft hatte, saß Corretjer von 1937 bis 1942 in den USA im Gefängnis.

1982 hatte jemand im Gouverneurspalast 'La Fortaleza' der Gruppe um Corretjer eine Landkarte von Puerto Rico zukommen lassen, auf der unzählige Infrastrukturprojekte, Autobahnen, Petrochemiefabriken, Übertageminen und Militärbasen eingetragen waren. Daraufhin beauftragte Corretjer Casa Pueblo damit, herauszufinden, was es mit der Landkarte auf sich hatte. Nachdem die NGO, die damals noch 'Kunst- und Kulturworkshop' hieß, unterschiedliche Quellen angezapft hatte, darunter das US-Armeekorps der Ingenieure, enthüllte sie schließlich den geheimen 'Plan 2020' für den Abbau von Rohstoffen und eine militarisierte Wirtschaftsentwicklung, deren Herzstück der Kupfertagebau war.

Während die Umweltbewegung die Tagebaupläne vereiteln konnte, wurden andere Bestandteile des ursprünglichen Geheimvorhabens wie der Bau von Autobahnen trotz aller Proteste vorangetrieben.


Goldman-Umweltpreisträger

Die Casa Pueblo setzt sich nach wie vor für den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwicklung des Freistaats ein. Zwischen 1999 und 2003 unterstützte die Organisation die Bewegung, die mit zivilem Ungehorsam erfolgreich für die Schließung eines US-Schießplatzes in Vieques eintrat. Außerdem führten die Freiwilligen von Casa Pueblo wissenschaftliche Studien über die militärische Verseuchung im Umfeld des Schießplatzes durch, deren Ergebnisse später von anderen Forschern bestätigt wurden. Der Einsatz für Frieden und Entwicklung brachte Casa Pueblo 2002 den renommierten Goldman-Umweltpreis ein.

"Es handelt sich um ein Evolutions- und ein Re-Evolutionsprojekt", meinte der Gründer und Leiter von Casa Pueblo Alexis Massol. "Es ist die Antwort auf ein kapitalistisches Kolonialprojekt, das uns das US-Imperium überstülpen wollte. Unser Projekt ist dynamisch und nicht unbedingt frei von Fehlern und Widersprüchen. Es kombiniert Bildung mit Aktion."

Casa Pueblo wird nach dem Sitz der Organisation benannt: einem alten Haus, dass die Organisation Mitte der 1980er Jahre übernommen und restauriert hatte. Das Gebäude, das eine Bibliothek beherbergt, dient als Treffpunkt und Veranstaltungsort für Kunst- und Kulturhappenings. In der zweiten Etage werden Programme für lokale Künstler durchgeführt. Auf der Rückseite gibt es einen Schutzraum für Schmetterlinge und Räume für den 2007 gegründeten Radiosender Casa Pueblo - dem ersten Kommunalsender Puerto Ricos.

Wichtig ist den Mitarbeitern der Casa Pueblo, finanziell unabhängig zu sein. Seit 1989 finanziert sich die Organisation aus dem Verkauf ihrer eigenen Kaffeemarke 'Madre Isla'. Ein Großteil der Kaffeepflanzen wird auf der eigenen Mardre-Isla-Farm angebaut, die gleichzeitig ein Ökotourismusprojekt ist. Seit 1999 ist die Organisation nicht mehr ans Stromnetz angeschlossen, sondern ist Solarkraftselbstversorger.

"Wir sind finanziell autark. Das macht uns frei, offen unsere Meinung zu sagen", betont Massol gegenüber IPS. "Wir sprechen mit unserer eigenen, unabhängigen Stimme und wir bilden keine Allianzen mit den politischen Parteien."


Modellwald

Das wohl ehrgeizigste Projekt ist der geplante 153.000 Hektar große Modellwald, der 20 Naturschutzgebiete mit Hilfe ökologischer Korridore integrieren soll. Er genießt die Rückendeckung von Gouverneur Alejandro García-Padilla. Ein entsprechendes Gesetz wird derzeit vom puertoricanischen Abgeordnetenhaus und Senat überarbeitet.

"Der Modellwald ist ein Projekt für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, für Umweltschutz und bürgerliche Partizipation", erläutert der Ökonom Mike Soto-Class, Vorsitzender des Zentrums für eine neue Wirtschaft, einer Denkfabrik mit Sitz in der puertoricanischen Hauptstadt San Juan. "Es dient dem Naturschutz, generiert Geschäftsmöglichkeiten und Arbeitsplätze und trägt zur Ernährungssicherheit des Landes bei. Es gibt zudem ein gutes Beispiel für einen Paradigmenwechsel ab, was den Umgang mit den Ressourcen und die Form von Entwicklungs- und Steuerungsmodellen angeht."

"Ein Modellwald ist ein Gebiet, in dem Menschen ihre Wälder und natürlichen Ressourcen gemeinsam im Interesse der nachhaltigen Entwicklung organisieren", heißt es von Seiten des Iberoamerikanischen Netzwerks für Modellwälder (RIABM). "Modellwälder tragen zu den globalen Zielen wie der Bekämpfung von Armut, Klimawandel und Wüstenbildung bei." Derzeit gibt es 28 Modellwälder in Lateinamerika. Casa Pueblo hat vorgeschlagen, dass der ihre zu einem Ort der nachhaltigen Landwirtschaft wird - ohne genetisch modifizierte Organismen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/puerto-ricos-green-crusaders-still-going-strong/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2014