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PROTEST/051: Solidarität mit russischen Umweltaktivist_innen (BI Lüchow-Dannenberg)


Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. - Pressemitteilung vom 16. Oktober 2013

Repression gegenüber NGOs in Russland: Solidarität mit russischen Umweltaktivist_innen



Seit vielen Jahren unterhält die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) freundschaftliche Beziehungen zu russischen Umweltaktivist_innen, insbesondere zu der Organisation Ecodefense. Ihr Mitbegründer und Vorstandsmitglied Vladimir Slivyak wendet sich an die Öffentlichkeit, um auf derzeit stattfindende Repressionen hinzuweisen.

Wir wählen heute den Weg, über eine Presseinformation diesen Text (deutsche Übersetzung durch uns, Original in englischer Sprache) zu verbreiten, denn Ecodefense und andere russische NGOs haben es sehr schwer, sich Gehör zu verschaffen. Für uns ist es ein Akt der notwendigen Solidarität.

Raute

Liebe Freunde,

da westliche Medien nicht mehr viel über die Repression gegenüber NGOs in Russland berichten (mit Ausnahme des Falls der inhaftierten Greenpeace Aktivisten), möchte ich kurz über den neuesten Stand der momentanen Repression informieren. Diese Informationen können gerne verbreitet werden.

Über die Angelegenheit mit Greenpeace wird in Russland und in den Regierungssendungen viel berichtet. Es werden viele Unwahrheiten verbreitet, um sicherzustellen, dass die russische Bevölkerung alle Arten von Umweltaktivisten hasst.

Im Süden Russlands, in der Stadt Krasnodar, in der Nähe des Austragungsortes der Olympischen Winterspiele 2014, haben sich vor einigen Tagen furchtbare Dinge abgespielt. Die örtliche Polizei hat zusammen mit dem FSB (dem früheren KGB) versucht, den Umweltaktivisten Rudomakha festzunehmen. Man hat angedroht, das Büro der örtlichen politischen Partei zu stürmen, weil man dachte, dass sich der Aktivist dort befände. Aber der hatte das Büro zuvor verlassen. Die Polizei hat keine Erklärung hierzu abgegeben, aber die Menschen vor Ort sind der Meinung, dass dies aufgrund der Olympiade geschehen ist. Rudomakha hat viel Zeit darauf verwendet, die Zerstörung der Natur vor Ort aufgrund der Vorbereitungen für die Olympischen Spiele zu kritisieren. Glücklicherweise ist der Aktivist bis jetzt noch nicht verhaftet worden.

Ein weiterer Fall, der momentan nicht viel Beachtung erhält, ist die Situation der Umweltschutzgruppe "Muravievsky Park" im Fernen Osten, gegen die auf der Grundlage des Gesetzes über "Ausländische Agenten" ermittelt wird. Nur um daran zu erinnern: das Gesetz über "Ausländische Agenten" zielt auf russische Aktivisten, die Gelder aus ausländischen Quellen erhalten und die "politische Aktivitäten" entfalten. Tatsächlich ist die Gruppe im Fernen Osten weit entfernt von irgendwelchen politischen Aktivitäten, sie kümmert sich nur um den Schutz von Kranichen. Die Gruppe ist letzte Woche vor Gericht gegangen, um zu beweisen, dass sie keine "Ausländischen Agenten" sind. Aber sie haben das nicht geschafft. Der Richter hat gesagt, dass die Tatsache, dass die Gruppe Unterschriften unter eine Petition an den örtlichen Regierungsvertreter gesammelt habe (und zwar für den Schutz der Natur vor Ort nach Großbränden), eine politische Aktivität sei und dass sie "Ausländische Agenten" seien.

Der örtliche Staatsanwalt hat etwas Ähnliches zu Ecodefense in Kaliningrad gesagt - wir sollten nicht die Arbeit der Regierung auf irgendeiner Ebene stören, wir sollten keine Petitionen verfassen oder in irgendeiner Weise Entscheidungsträger beeinflussen. Ansonsten würde man aufgrund von "politischen Aktivitäten" mit Strafen/Schließung verfolgt. (Bitte die nachstehende Erklärung lesen).

Tatsächlich ist es schön, ein solches Kompliment vonseiten der russischen Regierung zu erhalten. Das macht uns definitiv stolz, aber wir möchten zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall aufhören. Seit wir gewarnt wurden, haben wir ein paar "Störungen" unternommen, und wir haben bis jetzt Glück gehabt, nicht ernsthaft bestraft zu werden. Unsere hauptsächliche "Störung" besteht noch immer: Wir warten noch auf unseren eiligen Fall in Bezug auf das Gesetz über "Ausländische Agenten" in Russland, damit dieses vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahre 2013 behandelt wird. Im letzten Winter haben Ecodefense und zehn Menschenrechtsgruppen an das ECHR appelliert, ein Verfahren gegen Russland in Bezug auf dieses Gesetz einzuleiten. Wir haben von dem Europäischen Gerichtshof verlangt, die russische Regierung zu verurteilen, dieses Gesetz zurückzunehmen, weil es die Menschenrechtskonventionen verletzt. Ich füge dieser Erklärung die letzte Feststellung an das ECHR bei, in der einige Erklärungen über die Bedrohung gegeben werden (dies ist eine schnelle Übersetzung und etwas kürzer als der Originaltext in russischer Sprache).

Beste Grüße,
Vladimir Slivyak, Ecodefense


Erklärung an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Fall: 9988/13
Von Ecodefense, Russland
19. Juli 2013

Im April 2013 wurde unsere Organisation von Staatsanwälten der Regierung überprüft, die eine große Anzahl von offiziellen Dokumenten verlangte und uns dabei unrealistische Zeitvorgaben machten. Wir wurden am 25. April um 18.00 Uhr darüber informiert, dass wir der Staatsanwaltschaft am 26. April um 11.00 Uhr die Dokumente überbringen sollten. Wir konnten dieser Aufforderung nicht Folge leisten, weil wir für einige Dokumente mehrere Tage benötigten, um diese von der Bank und der Registerkammer zu erhalten....

Die Überprüfung unserer Organisation resultierte in einer offiziellen Verwarnung. Der örtliche Staatsanwalt erklärte, dass in unseren Statuten der Begriff "Politische Aktivität" erwähnt wird, und er hat uns davor gewarnt, das Gesetz über NGOs zu verletzen. Der Staatsanwalt hat uns darüber hinaus mitgeteilt, dass wir keinerlei Störung von Regierungsstellen jedweder Ebene durchführen dürfen. Ansonsten würde dies als "Politische Aktivität" angesehen, und unsere Organisation würde als "Ausländischer Agent" verantwortlich gemacht.

Von unserem Standpunkt aus sind wir nicht in irgendwelche politischen Aktivitäten involviert. Wir nehmen nicht an Wahlen teil oder an irgendwelchen anderen Aktivitäten, die auf die Teilhabe an politischer Macht ausgerichtet sind. Außerdem sind wir nicht in irgendeiner Weise darum bemüht, andere Menschen oder Organisationen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, politische Macht zu erlangen. Unsere Organisation hat sich seit deren Gründung im Jahre 1989 von politischen Aktivitäten distanziert....

Unsere Zielsetzungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes können nicht erreicht werden, ohne mit Regierungsstellen auf unterschiedlichen Ebenen zu interagieren. Zur gleichen Zeit sind die ausgeprägte Kritik über die Politik der russischen Regierung und über die spezifische politische Situation in Russland Gründe, die es fast unmöglich machen, Geldmittel aus russischen Quellen zu erhalten. Das bringt uns in die unangenehme Lage, zwischen einer Registrierung als "Ausländischer Agent" oder der Schließung zu wählen.

Es ist inakzeptabel für uns, als "Ausländischer Agent" registriert zu werden. Wir sind keine "Agenten" für irgendeine ausländische Person, Organisation oder Regierung. Wir treffen unsere Entscheidungen ausschließlich selber und erwägen keine Interessen von irgendwelchen Dritten.

Die Weiterführung unserer Aktivitäten führt zu riesigen Strafen gemäß des Gesetzes über "Ausländische Agenten" und darüber hinaus zu einer Einstellung unserer Aktivitäten, weil wir nicht in der Lage sein werden, solche Strafen zu bezahlen.

Original source http://anti-atom.ru/en/node/5571
Kontakt: ecodefense@rambler.ru


Englische Version

Dear friends,
Since Western media are not reporting that much anymore on repression against non-governmental groups in Russia (except for the case with jailed Greenpeace activists), i will put some update on this crackdown going on presently. Feel free to send around.
Greenpeace case is getting a lot of coverage in Russia and governmental media broadcasts a lot of bullshit to make sure Russians hate environmental activists of all kinds.

Ugly thing happened in the South of Russia, Krasnodar city, close to the site of 2014 Winter Olympic Games just few days ago. Local police together with FSB (exKGB) tryed to catch environmental activist Rudomakha. They came to the office of local political party threatening to storm it because they thought activist is inside. But he left earlier. Police gave no explanations but local people think it is because of Olympics. Rudomakha spent a lot of time criticizing the destruction of local nature related to Olympics preparations. Fortunately, activist is still not arrested.

The case which getting not much of coverage presently - situation with environmental group "Muravievsky park" in the Far East, charged on the basis of "foreign agent" law last Summer. Just to remind you - "foreign agent" law is targeting Russian activists who gets money from foreign sources and practicing "political activities". Actually, group in the Far East is very far from any political activities, they just protecting cranes. Group went to the court last week, to prove that they are not "foreign agents". And they failed. Judge said, once this group collected signatures under petition to local governor (about protection of local nature after big fires) - this is political activity and they are "foreign agents".

Local prosecutor said something similar to Ecodefense in Kaliningrad - we should not interfere to the work of government of any level, we should not make petitions or influence decision-makers in any way. Otherwise, it will be treated as "political activities" with fines/closure, etc. (read the testimony below).

Actually, getting such compliment from Russian authorities is nice, defenitely makes us proud, but we do not want to leave the party yet. Since we were warned, we did couple of "interferences" and been lucky so far, getting no serious punishment. Our main "interference" thing is still alive:

We awaits our orgent case over "foreign agent" law in Russia to be considered by the European Court on Human Rights in 2013. Last winter Ecodefense and 10 human rights groups applied to the ECHR, starting procedure against Russian government over this law. We asked European Court to order Russian government to reverse the law because it violates the Convention on Human Rights. I attach here our latest testimony sent to the ECHR, giving some explanation about the threat. (this is quick translation, a little shorter than original testimony in Russian).

best,
Vladimir Slivyak
Ecodefense


Testimony for the European Court on Human Rights

Case 9988/13
from Ecodefense, Russia
July 19, 2013

In April 2013, our organization was checked by governmental prosecutors who requested large number of official documents putting unrealistic deadlines. We were informed at 6 pm of April 25 that we should bring documents to the prosecutor by 11 am of April 26. We could not follow this order because for some documents we need several days to request and obtain it from the bank and registration chamber...

Checking of our organization resulted in official warning - local prosecutor declared that political activity is mentioned in our statute and warned that we should not violate the law on non-commercial organizations. Prosecutor also told us that we should not interact with governments of any level. Otherwise, it will be identified as "political activity" and our organization will be held responsible as "foreign agent".

From our point of view, we are not involved into political activity - we do not take part in elections or any other activity aimed at political power. Also, we are not involved in any effort of other people or organizations aimed to obtain political power. Our organization was distanced from political activities since it was established in 1989...

Our goals in the area of environmental protection can not be achieved without interaction with governments of various levels. At the same time, both - our strong criticism over policies of Russian government and specific political situation in Russia - are reasons which makes it almost impossible to obtain funds from Russian sources. That brings us to unpleasant choice - register as "foreign agent" or close down.

This is unacceptable for us to be registered as "foreign agent". We are not "agents" for any foreign person, organization or government. We take decisions by ourselves only, and do not take into account interests of any third party.
Continuation of our activities leads us to giant fines under "foreign agents" law and also to shut down because we will not be able to pay such fines.

http://www.bi-luechow-dannenberg.de/?p=10259

*

Quelle:
Pressemitteilung, 16.10.2013
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Rosenstr. 20, 29439 Lüchow
Tel. 05841/46 84, Fax: 05841/31 97
E-Mail: buero[at]bi-luechow-dannenberg.de
Internet: www.bi-luechow-dannenberg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2013