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PROTEST/034: Mexiko - Ureinwohner kämpfen gegen ungeliebte Windparks (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2013

Mexiko: Ureinwohner kämpfen gegen ungeliebte Windparks

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexikanische Ureinwohner protestieren gegen Windparks
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexiko-Stadt, 20. Juni (IPS) - Ureinwohner im Süden Mexikos gehen gegen Windenergieanlagen auf die Barrikaden. Sie klagen über erhebliche Nachteile wie den Verlust eines Teils ihres Gemeindelandes und Umweltverschmutzung durch Turbinenöl.

"Sie haben uns die Zugangswege zu unseren Feldern abgeschnitten. Wir können nicht aussäen. Und das, was sie uns als Pacht für unser Land anbieten, ist viel zu gering. Was also bringt uns das?" Guadalupe Ramírez ist erbost über den Windpark in der Nähe von Unión Hidalgo, wo sie lebt. Die Bäuerin vom Volk der Zapotec wirft der Regierung vor, die Interessen großer Firmen vor die von kleinen Produzenten zu stellen. "Unser Land bringt mehr hervor, als die Unternehmen zahlen."

Gemeinsam mit anderen Angehörigen der indigenen Gemeinschaft unternahm die 62-Jährige Mitte Juni die lange Reise in die Hauptstadt, um gegen die negativen Folgen der Windparks auf ihren Territorien zu protestieren. Die Windfarm 'Piedra Larga I', die seit dem vergangenen Oktober in der Nähe von Unión Hidalgo in Betrieb ist, produziert mit 145 Windturbinen 90 Megawatt Strom. Eigentümer ist 'Desarrollos Eólicos Mexicanos' (DEMEX), eine Tochterfirma des spanischen Unternehmens 'Renovalia' und der privaten US-Investmentfirma 'First Reserve'.

2007 war DEMEX auf die Anwohner zugekommen, um mit ihnen Pachtverträge für die Nutzung von Gemeindeland ('ejido') abzuschließen. Die Bauern wurden behandelt, als seien sie unabhängige kleine Landbesitzer. Da das Land jedoch der Gemeinschaft gehört, hätten alle Mitglieder der alternativen Verwendung zustimmen müssen, was nicht der Fall war. Die mit den Bauern geschlossenen Einzelverträge sind also rechtlich gar nicht gültig.

Als monatlicher Pachtzins wurde den indigenen Bauern von Unión Hidalgo im Durchschnitt 20 US-Dollar pro Hektar angeboten. Sie bewirtschaften jeweils zwischen drei und vier Hektar Land. In anderen Ortschaften zahlen Windenergieunternehmen hingegen bis zu 80 Dollar pro Hektar.


Bauern fühlen sich über den Tisch gezogen

Die Bauern in Unión Hidalgo werfen DEMEX vor, sie mit Tricks zum Abschluss der Verträge gebracht zu haben. Der Inhalt der Dokumente, die auf Spanisch und nicht in der Sprache der Zapotec abgefasst wurden, sei den Ureinwohnern nicht erklärt worden. Zudem hätten die Pächter das Land verschmutzt und den Bauern den weiteren Zutritt verwehrt.

2014 will das Unternehmen 'Piedra Larga II' in Betrieb nehmen und somit eine Fläche von 300 Hektar Land in Unión Hidalgo in Beschlag nehmen, wo fast 14.000 Menschen, zumeist Zapotec-Indigene, leben. Im Kampf gegen das Projekt wurde ein Komitee gegründet und mehrere Mitglieder zu Protesten über die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen nach Mexiko-Stadt geschickt.

Nach Angaben des mexikanischen Energieministeriums werden derzeit 1.304 MW Strom aus Windkraft gewonnen, 812 MW aus Geothermie sowie 581 MW aus Biomasse und Biogas. Mini-Wasserkraftwerke liefern 450 MW. Ohne die Einrechnung der großen Wasserkraftanlagen tragen erneuerbare Energiequellen fünf Prozent zu der gesamten Elektrizitätsproduktion in Mexiko bei - und der Anteil steigt weiter.

Viele Windkraftprojekte haben sich in der Landenge von Tehuantepec angesiedelt, wo es immer sehr windig ist. Der schmalste Teil Mexikos umfasst Teile der Bundesstaaten Oaxaca, Tabasco, Veracruz und Chiapas. In dieser Region befindet sich das Land vorwiegend im kollektiven Besitz.

Zurzeit werden in Mexiko rund 11.000 Hektar Land für die Gewinnung von Windenergie genutzt. Die seit 2007 getätigten Investitionen belaufen sich laut der Mexikanischen Windkraftvereinigung (AMDEE) auf rund fünf Milliarden US-Dollar.

Eine Reform von 2008 gestattet es Einzelpersonen und Firmen in Mexiko, selbst Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen und Überschüsse dem nationalen Stromnetz zuzuleiten. Im Gegenzug zahlen sie niedrigere Gebühren.

Kritiker geben jedoch zu bedenken, dass durch die Gewinnung von Windkraft die Menschenrechte der in den betroffenen Gebieten lebenden Bevölkerung verletzt werden. "Die Windenergieunternehmen machen gute Werbung für sich und bieten Arbeitsplätze und Einkommen an. Die Arbeit ist aber immer befristet", erklärt Alejandra Ancheita, die Leiterin des unabhängigen Projekts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ProDESC). "Die Vorgehensweise der Firmen ist nicht transparent, und sie halten sich nicht an geltende Standards."


Traditionelle Regeln der Ureinwohner verletzt

Nach dem Boom von Windkrafträdern in Oaxaca fürchten Aktivisten nun, dass das Modell auch in anderen mexikanischen Bundesstaaten Schule machen wird. "Sie haben uns keine Vorteile gebracht. Die Energieunternehmen verstoßen gegen kollektive Besitzrechte, Agrargesetze und die traditionellen Gesetze der indigenen Bevölkerung", kritisiert Bettina Cruz, die Gründerin der Versammlung der Indigenen Völker im Isthmus von Tehuantepec zur Verteidigung von Land und Territorium (APIIDTT).

DEMEX weist jedoch alle Vorwürfe zurück und beharrt darauf, dass die Verträge gültig sind und alle Genehmigungen für den Bau und Betrieb des Windparks in Unión Hidalgo vorliegen. Benjamin Cokelet, Chef der Bürgerorganisation PODER, beschuldigt DEMEX und andere Unternehmen sogar, gegen internationale Abkommen zu verstoßen.

In mehreren anderen Städten in der Nähe von Unión Hidalgo haben Anwohner durch Proteste und gerichtliche Klagen ähnliche Projekte blockiert. In San Dionisio del Mar plant etwa das spanische Unternehmen 'Mareña Renovables' einen Windpark mit einer Kapazität von 392 MW. Das Projekt im Wert von 75 Millionen Dollar wird von der Interamerikanischen Entwicklungsbank finanziert. Aufgrund der juristischen Auseinandersetzungen wurden die Bauarbeiten jedoch unterbrochen.

Auch die Einwohner von Unión Hidalgo haben eine Klage bei einem Gericht eingereicht und sich bei der Umweltbehörde 'Profepa' wegen der Verschmutzung ihres Landes beschwert. "Sie sagen, diese Energie sei sauber", sagt der 55-jährige Esteban López. "Das ist aber nicht wahr, denn das Schmieröl aus den Turbinen verunreinigt die Böden und das Grundwasser. Die Rotorblätter töten Vögel, und die Anlagen verursachen Lärm." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.prodesc.org.mx/
http://tierrayterritorio.wordpress.com/
http://projectpoder.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/06/el-soplo-eolico-decepciona-a-comunidades-mexicanas/
http://www.ipsnews.net/2013/06/rural-mexican-communities-protest-wind-farms/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2013