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PROTEST/001: Mexiko - "Rettet Mutter Erde!" Ureinwohner protestieren gegen Bergbauprojekte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. November 2011

Mexiko: 'Rettet Mutter Erde! - Ureinwohner protestieren gegen Bergbauprojekte

von Daniela Pastrana

Wixáritari-Indianer protestieren gegen Bergbaufirmen - Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Wixáritari-Indianer protestieren gegen Bergbaufirmen
Bild: © Daniela Pastrana/IPS

Mexiko-Stadt, 1. November (IPS) - Die mexikanischen Wixáritari-Ureinwohner machen mobil gegen den Silberbergbau in einem als Heiligtum betrachteten Naturschutzgebiet im Zentrum des Landes. Im Hochland von San Luís Potosí sind zahlreiche ausländische Bergbaufirmen tätig.

"Wir wollen leben, wir wollen weiter existieren", sagte ein Vertreter der Ethnie kürzlich in Mexiko-Stadt, wo Angehörige seines Volkes nach einem 20stündigen Fußmarsch für die Rücknahme von Konzessionen an ausländische Firmen demonstrierten. Die Wixáritari wollen um jeden Preis das Naturreservat Wirikuta erhalten. Jedes Jahr verlassen sie ihre Bergdörfer im Westen Mexikos, um dorthin zu pilgern.

Ureinwohnersprecher Santos de la Cruz beschuldigte die mexikanische Regierung, "unser heiliges Land zu stehlen und zu zerstören. Sie wollen uns fertigmachen und unsere Mutter Erde töten." Die Wixáritari fordern die Einhaltung geltender Gesetze und die Einstellung des Silberbergbaus.

Die Wixáritari gehören zu den wenigen ethnischen Gruppen in Mexiko, die ihre prähispanische Identität weitgehend bewahrt haben. Ihre Gottheiten symbolisieren Mais, Adler, Wild und den stachellosen Kaktus 'peyote', der nach dem Verzehr Halluzinationen auslöst. In Wirikuta sind diese Kakteen reichlich zu finden.


Künstler verteidigen Ureinwohnerrechte im Internet

Die Wüste, in der die Bergbaustadt Real de Catorce liegt, war während der spanischen Kolonialzeit eines der wichtigsten Silberschürfgebiete des Landes. Inzwischen ist Real de Catorce ein beliebtes Touristenziel, das Künstler, Hippies, Forscher und Umweltschützer anzieht.

Im Internet haben sich diese Menschen in den sozialen Netzwerken zusammengeschlossen, um Wirikuta gegen den Raubbau zu schützen. "Wir müssen unser Land und unsere Menschlichkeit verteidigen", schrieb der mexikanische Schauspieler Gael García Bernal kürzlich in einer Twitter-Botschaft.

Staatspräsident Felipe Calderón hatte im April 2008 in traditioneller Huichol-Kleidung an einer Zeremonie teilgenommen, bei der Gouverneure von fünf mexikanischen Bundesstaaten ein Abkommen zum Schutz der Kultur der Wixáritari unterzeichneten.

Bereits ein Jahr später vergab die Regierung jedoch 22 Schürfkonzessionen an das kanadische Bergbauunternehmen 'First Majestic', dessen Tochterfirma 'Real Bonanza' in Mexiko aktiv ist. 70 Prozent der 6.300 Hektar Land, die 'First Majestic' ausbeuten darf, befinden sich in Wirikuta. In dem Gebiet erhielt ein weiteres Unternehmen aus Kanada, 'West Timmins Mining', zwei Arbeitsgenehmigungen.

Gegen die Präsenz ausländischer Firmen protestierten Ende Oktober etwa 200 Ureinwohner, die in farbenprächtigen Trachten aus ihren Dörfern in den Staaten Jalisco, Nayarit und Durango nach Mexiko-Stadt zogen. Angehörige indigener Ethnien machen nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen zwölf und 30 Prozent der rund 112 Millionen Einwohner Mexikos aus.

Mitglieder der Bewegung 'Rettet Wirikuta' kritisieren, dass in dem für die Indianer heiligen Gebiet mindestens 30 Bergbauprojekte durchgeführt werden. Die Weltkulturorganisation UNESCO hatte Wirikuta 1988 zur Natur-Welterbestätte erklärt. Die Regierung habe jedoch die Appelle zum Schutz des Gebietes ignoriert, klagte Rodolfo Cossio, der das Wirikuta-Zeremonienzentrum in Santa Caterina im Bundesstaat Jalisco leitet.


Artenreichtum bedroht

Die Konzessionen an die Bergbaufirmen sind nicht nur in kultureller Hinsicht umstritten. Kritiker führen auch rechtliche und ökologische Bedenken ins Feld. Die Behörden des Bundesstaates hatten das 140.000 Hektar große Gebiet 2001 zum Naturschutzgebiet und zur heiligen Stätte erklärt.

Nach Angaben der unabhängigen Naturschutzorganisation 'Conservación Humana' ist die Region besonders artenreich. "Es handelt sich um eine Insel der Vegetation inmitten der Wüste", sagte der Direktor der Organisation Humberto Fernández. "Die Wixáritari-Ureinwohner sind davon überzeugt, dass die Welt untergeht, sollte Wirikuta zerstört werden", meinte der Aktivist.

Auch an anderen Orten in Mexiko wird mittlerweile gegen Bergbauprojekte protestiert. Der Widerstand richtet sich etwa gegen die mit kanadischem Kapital operierende Firma 'Minera San Xavier', die am Cerro San Pedro in San Luís Potosí eine Gold- und Silbermine betreibt.

Im südmexikanischen Staat Guerrero protestieren die Koordinationsstelle der Kommunen (CRAC) und die kommunale Polizei gegen die geplante Schürfung von Gold in den Regionen Costa Chica und La Montaña. Laut CRAC ist ein Zehntel des gesamten Territoriums von Guerrero bereits an Minenunternehmen verpachtet worden. Der von ihnen betriebene Tagebau habe die Umwelt bereits erheblich geschädigt. Anfang Oktober bezogen etwa 700 Polizisten in Dörfern und an Straßen Stellung, um die Firmen an der Arbeit zu hindern.


Ureinwohnerführer festgenommen

Die Spannungen verschärften sich kürzlich, als der Indigenenführer Agustín Barrera, ein Gründungsmitglied von CRAC, von der Bundespolizei und Soldaten festgenommen wurde. Präsident Calderón erklärte am folgenden Tag, dass Mexiko seit seinem Amtsantritt Ende 2006 dank internationaler Investitionen von zwölf Milliarden US-Dollar im Bergbausektor wieder zu dem weltweit führenden Silberproduzenten geworden sei. Auf der Liste der globalen Goldförderer liege das Land an neunter Stelle. (Ende/IPS/ck/2011)


Link:
http://www.chac.org.mx/
http://www.thepetitionsite.com/2/proclamation-in-defense-of-wirikuta/
http://vimeo.com/20807832
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99459
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105648

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vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2011