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KATASTROPHEN/052: Folgen von Fukushima. Radioaktive Belastung von Fischen und Meeresfrüchten (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 626-627 / 27. Jahrgang, 7. Februar 2013

Folgen von Fukushima
Radioaktive Belastung von Fischen und Meeresfrüchten aus japanischen Gewässern

von Annette Hack



Am 16. November 2012 veröffentlichte das japanische Umweltministerium die Ergebnisse von Radioaktivitätsmessungen an Süßwasser- und Meeresfischen sowie an Wasserinsekten. In einem Flußbarsch (japan. Iwana), gefangen im Arata-gawa bei Minami-Soma, wurden 11.400 Becquerel Gesamtcäsiumaktivität (Cäsium-137 plus Cäsium-134) pro Kilogramm Frischgewicht (Bq/kg Gesamtcäsium) gefunden. In einem Stausee in Iitate-mura wurden Kokuchibasu (eine Karpfenart) mit 4.400 Bq/kg Gesamtcäsium und Wels (japan. Namazu) mit 3.000 Bq/kg gefangen. Diese Fangorte liegen nördlich und nordwestlich der havarierten Atomkraftwerke Fukushima Daiichi. Ainame (Grünling, Hexagrammos) aus der Bucht von Iwaki-shi, südlich von Fukushima Daiichi, enthielt 290 Bq/kg Gesamtcäsium. Insgesamt wurden an 8 Flüssen und Seen 49 Fische und 25 Wasserinsekten sowie 8 Wasserschnecken untersucht. 18 Meeresfische wurden an drei Orten gefangen, und außerdem 11 andere Meereslebewesen wie Muscheln, Tang und Seeigel untersucht. Es war dies die zweite Untersuchung des Umweltministeriums seit der Reaktorkatastrophe im März 2011.[1]

Zeitgleich veröffentlichte die Präfektur Fukushima Ergebnisse ihrer Untersuchungen des Meeresbodens an verschiedenen Stellen. Die höchsten Cäsiumbelastungen wurden dabei südlich des havarierten Kraftwerks in der Bucht von Yotsukura bei Iwaki-shi in 6,5 Kilometer (km) Entfernung von der Küste gefunden (143 Bq/kg Cäsium-134 und 326 Bq/kg Cäsium-137). In 10 km Entfernung wurden in derselben Bucht 143 Bq/kg Cs-134 und 237 Bq/kg Cs-137 festgestellt. Näher an der Küste waren es bei 1 km Entfernung 95,6 Bq/kg Cs-134 und 194 Bq/kg Cs-137, bzw. bei 0,5 km Entfernung 87,1 Bq/kg Cs-134 und 194 Bq/kg Cs-137.[1]

Fische aller Art, Muscheln, Schnecken und Meeresalgen spielen in der japanischen Ernährung eine wichtige Rolle. Nur wer vollkommen auf tierische Produkte verzichten will oder muß, ißt keinen Fisch. Entsprechend groß ist die wirtschaftliche Bedeutung der Küstenfischerei, Aquakultur und Fischverarbeitung. Tabemono Tsushin, eine verbraucherorientierte Zeitschrift, widmete ihre Novembernummer 2012 schwerpunktmäßig dem Thema der radioaktiven Belastung von Fisch.

Es wird angenommen, daß im Laufe der Reaktorkatastrophe allein an radioaktivem Cäsium (Cs-137 + Cs-134) 37 Billiarden Becquerel ins Meerwasser gelangten. Teils wurden die radioaktiven Substanzen mit der Strömung weitergetragen, verdünnt und verbreitet. An manchen Orten blieb die Belastung aber stabil. Auch die Binnengewässer - Flüsse, Seen und Moore - wurden kontaminiert. Bewährte Techniken zur Dekontaminierung von Meerwasser und Meeresboden gibt es der Zeitschrift zufolge nicht.

Außer Fang- bzw. Verzehrsverboten und ständigen Messungen gibt es keine Möglichkeit zu verhindern, daß Fisch mit Belastungen über den staatlichen Grenzwerten gehandelt und gegessen wird. Daher wird an den Fischmärkten ein Screeningprogramm mit einfachen Natrium-Jodid-(NaJ-)Detektoren durchgeführt, das in manchen Märkten schon um zwei Uhr nachts beginnt, um den Marktbetrieb nicht aufzuhalten.

Dieses Programm ist zu unterscheiden von den stichprobenartigen Messungen amtlicher Stellen, die mit Germaniumhalbleiterdetektoren durchgeführt und deren Ergebnisse amtlich veröffentlicht werden.

In den alten amtlichen Grenzwerten, so die Zeitschrift, sei ein Strontiumanteil von 10 Prozent berücksichtigt gewesen, in den neuen Standards, die seit April 2012 gelten, werde Strontium, Plutonium und Ruthenium zusammengefaßt mit 10 Prozent angesetzt - aber nur das Radiocäsium wird gemessen. Das Institut zur Erforschung von Meeresprodukten (Sougou suisan kenkyujo) messe jedoch Strontium, um Daten für die Forschung zu gewinnen. Plutonium und Strontium würden nur bei Meeresprodukten gemessen, nicht bei anderen Lebensmitteln, merkt die Zeitschrift an.

Die Radioaktivitätsmessungen bei Fischen werden mit Beratung und technischer Unterstützung des Amtes für Meeresprodukte (suisancho) von den betroffenen Präfekturen und Gemeinden durchgeführt. Dieses Amt veröffentlicht auch Meßwerte auf seiner Homepage und beantwortet Verbraucherfragen. Die Proben werden von den Fischereiverbänden abgeliefert; Schwerpunkt sind dabei die lokalen Spezialitäten sowie alle Arten, die bei den vorherigen Messungen über 50 Bq/kg belastet waren. Gemessen wird in der Regel einmal pro Woche. Ein offizielles Handelsverbot wird nur ausgesprochen, wenn einunddieselbe Art Fisch an mehreren Fangstellen mit über 100 Bq/kg belastet ist. Einige Gemeinden oder Fischereigenossenschaften "üben Zurückhaltung", wenn die Belastung in der Nähe des Grenzwertes von 100 Bq/kg Cäsium liegt, berichtet die Zeitschrift.

Für Meeresfische galten, wie die Zeitschrift mitteilt, mit Stand vom 3. Oktober 2012 wegen Überschreitung der Grenzwerte die in der Tabelle aufgelisteten Verbote und Beschränkungen.

Den Fischern, Fischzüchtern und Fischverarbeitern reicht das amtliche Meßprogramm nicht. Am Beispiel des Fischereihafens Otsu, der zur Stadt Kitaibaraki gehört, beschreibt die Zeitschrift Tabemono Tsushin im Interview mit dem Vorsitzenden der Fischereigenossenschaft die realen Probleme: Zunächst waren der Hafen und die Aquakulturen durch das Erdbeben und den Tsunami beschädigt. Während man noch mit den Wiederaufbauarbeiten beschäftigt war, wurden im Meer vor Fukushima, wo auch die Fischer von Otsu Fanggründe haben, über 10.000 Bq/kg in jungen Sandaalen (kounago) gefunden. Daraufhin waren auch die Fänge von Jungsardinen aus Otsu unverkäuflich, und die Präfektur verhängte ein komplettes Fangverbot, das bis zum August 2012 in Kraft war. Im November 2011 wurden in Jungsardinen 4 bis 9 Bq/kg Gesamtcäsium gefunden, im September 2012 lagen die Belastungen unterhalb der Nachweisgrenze. Dennoch blieben die Fänge unverkäuflich; der Markenname wurde zu einer Belastung.

Die Fischer erkannten, daß Stichprobenmessungen die Verbraucher nicht überzeugen. Daher gründeten sie im Rahmen der Fischereigenossenschaft und in Zusammenarbeit mit dem Wiederaufbaustab der Stadt Kitaibaraki die "Gesellschaft für Umweltforschung". Mit Unterstützung der Universität Tokyo wird ein Meßsystem entwickelt, bei dem der Fang in Plastikkisten über ein Fließband läuft und in 7 bis 8 Sekunden Aktivitäten bis herab auf 20 Bq/kg entdeckt werden können. Daneben werden Stichprobenmessungen mit dem Germaniumdetektor gemacht. Das System funktioniere noch nicht perfekt, aber man hoffe, durch die umfassenden Messungen das verlorene Verbrauchervertrauen allmählich zurückzugewinnen, wird der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft zitiert.[2]

Die unabhängigen Bürgermeßstellen werden diese Messungen überprüfen müssen, wenn die Bevölkerung dem vertrauen soll.

Tabelle: Übersicht über Verbot/freiwillige Einschränkung bestimmter Fischarten in den Präfekturen Aomori, Iwate, Miyagi, Fukushima, Ibaraki -Quelle: Strahlentelex mit ElektrosmogReport Nr. 626-627, 7. Februar 2013

Quelle: Strahlentelex mit ElektrosmogReport Nr. 626-627, 7. Februar 2013


[1] Fukushima Minpo, 17.11. 2012, S. 8. Fukushima Minpo ist eine der beiden Lokalzeitungen in der Präfektur Fukushima, die täglich die amtlichen Meßwerte für Umgebungsradioaktivität und Lebensmittelmessungen veröffentlichen.

[2] Tabemono Tsushin (ISBN 978-4-7726-7041-8), No 501, November 2012. Die Verbraucherzeitschrift enthält zum Spezialthema Radioaktivität in Fischen Artikel des Meeresbiologen Kawasaki Tsuyoshi, des Meereskundlers Matsukawa Yasuo, der Öktrophologin Hasuo Shigeko, des Reporters Yabuki Kazuhito und der Ernährungswissenschaftlerin Noguchi Setsuko, in der Reihenfolge der Artikel im Heft und in der Reihenfolge Nachname, Vorname.


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_13_626-627_S05-06.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Februar 2013, Seite 4-5
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2013