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KATASTROPHEN/046: Asien - Maßnahmen von unten, Bevölkerung beteiligt sich aktiv am Katastrophenschutz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2013

Asien: Maßnahmen von unten - Bevölkerung beteiligt sich aktiv am Katastrophenschutz

von Marwaan Macan-Markar



Pager Jurang, Indonesien, 2. Januar (IPS) - Von Ari Haryanis halbfertigen Haus sind es nur wenige Schritte bis zu einem frisch zementierten Weg, der sich durch die gesamte Siedlung windet. Über diesen Pfad kann die 36-Jährige mit ihrer Familie entkommen, wenn der nahe gelegene Vulkan Merapi wieder einmal ausbrechen sollte.

"Wir fühlen uns ein bisschen sicherer", sagt die Mutter von drei Kindern, die mit weiteren 380 Familien in dem indonesischen Dorf Pager Jurang lebt. "Wir alle wissen, wohin wir laufen müssen, wenn der Vulkan wieder Lava spuckt."

Evakuierungsübungen sind ein fester Teil von Haryanis neuem Leben geworden. Das Dorf, in dem sie früher lebte, wurde bei dem letzten Ausbruch des Merapi im Oktober 2010 von glühender Lava bedeckt. Etwa 350 Menschen kamen ums Leben und fast 10.000 Häuser in einem Radius von 15 Kilometern wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Die Anstrengungen, die in Pager Jurang und anderen Dörfern unternommen werden, gehen über die üblichen Wiederaufbaumaßnahmen nach Naturkatastrophen hinaus. Die Ortschaften verfügen inzwischen über Gesundheitszentren, die Verbrennungen und Atemwegsprobleme behandeln können. Früher hatten die Behörden in der Hauptstadt Jakarta derartige Projekte in die Wege geleitet. Nun arbeiten jedoch die Dorfgemeinschaften und lokalen Verwaltungen aktiv mit.


Dorfbewohner lernen mit Risiken umzugehen

"Die Bevölkerung vor Ort spielt mittlerweile eine zentrale Rolle, wenn es darum geht festzulegen, was die einzelnen Dörfer am dringendsten brauchen. Deswegen sind sie für die Katastrophenschutzprogramme verantwortlich", sagt der Ingenieur Rio Rahadi, der für ein Unternehmen arbeitet, das Wiederaufbauprojekte umsetzt. "Die Menschen verlangen das, was im Fall eines Vulkanausbruchs Todesfälle verhindern kann."

In einem Land, das besonders anfällig für Katastrophen ist, zeigen diese Neuerungen exemplarisch, dass die Einbindung der Bevölkerung in Schutzprogramme in Asien weiter vorankommt. Dörfer und Lokalbehörden entdecken, dass auch sie ein Stimme haben.

"Der Trend zur Dezentralisierung ist in ganz Asien zu beobachten. Die lokalen Gemeinden sind darum bemüht, sich zu organisieren und Mittel für den Katastrophenschutz anzufordern", sagt Vinod Thomas von der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB) mit Sitz in der philippinischen Hauptstadt Manila. "Die Reaktionen der Gemeinden haben einen entscheidenden Anteil daran, wie sie künftig Katastrophen standhalten können."

Die Regierungen stellen bisher aber nur geringe Mittel für diese 'Initiativen von unten' bereit, die die Folgen von Stürmen, Überschwemmungen, Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüchen abmildern sollen. "Dörfern Geld dafür zu geben, dass sie sich besser schützen können, lässt Politiker weniger in den Vordergrund treten als die Hilfe nach Katastrophen", meint dazu Thomas.

Neue Studien haben längst die Effizienz der von oben verordneten Maßnahmen in Zweifel gezogen. "Die Auswirkungen von Naturkatastrophen auf die Bevölkerung müssen besser verstanden werden, damit praktisch geholfen werden kann", sagt Debbie Sapir, die Direktorin des unabhängigen 'Centre for Research on the Epidemiology of Disasters (CRED) in Brüssel.

2012 haben stark gefährdete Länder in der Region Sapir zufolge deutliche Fortschritte dabei gemacht, die Folgen der Katastrophen in den Griff zu bekommen. Dies zeigt ihrer Ansicht nach, wie wichtig Präventionsmaßnahmen sind.

Auch Jerry Velasquez, der Chef der Asien-Pazifik-Abteilung des Sekretariats der Internationalen Strategie zur Reduzierung von Naturkatastrophen (UNISDR) ist der Ansicht, dass Gemeinden und Lokalverwaltungen einen großen Anteil daran haben, die Anfälligkeit zu reduzieren. "Die Regierungen werden sich dieser Tatsache zunehmend bewusst, auch wenn sich nach wie vor Lücken auftun."

Neuere Untersuchungen belegen, dass Asien die am stärksten durch Naturkatastrophen bedrohte Weltregion ist. 2012 wirkten sich insbesondere Überschwemmungen verheerend auf die Bevölkerung und die Wirtschaft der Länder aus. Aus im Dezember veröffentlichten Zahlen von UNISDR und CRED geht hervor, dass sie für 54 Prozent aller Todesfälle und 56 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Schäden auf dem Kontinent verantwortlich waren.


Millionen Menschen in Asien von Fluten und Erdbeben betroffen

Im Süden, Südosten und Osten Asiens wurden bei 83 Naturkatastrophen mehr als 3.100 Menschen getötet. Insgesamt waren 64,5 Millionen Einwohner der Region von den Ereignissen betroffen. Die Schäden summierten sich im vergangenen Jahr auf insgesamt 15,1 Milliarden US-Dollar.

"Asien verzeichnete in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres etwa 57 Prozent aller Todesfälle, 74 Prozent aller geschädigten Menschen und 34 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Verluste, die Naturkatastrophen im gleichen Zeitraum auf der ganzen Welt verursacht haben", geht aus der Untersuchung hervor.

Ein von UNISDR und der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP) gemeinsam herausgegebener Bericht kommt zu dem Schluss, dass in der Region zwischen 1970 und 2011 fast zwei Millionen Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben kamen. Das entsprach etwa 75 Prozent aller weltweiten Opfer solcher Katastrophen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.unisdr.org/
http://www.unescap.org/
http://www.cred.be/
http://www.ipsnews.net/2012/12/local-communities-stake-claim-in- protecting-disaster-prone-asia/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2013