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ATOM/051: Indien - Angst vor zweitem Fukushima, Proteste gegen geplantes Atomabkommen mit Japan (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2014

Indien: Angst vor zweitem Fukushima - Proteste gegen geplantes Atomabkommen mit Japan

von Ranjit Devraj


Bild: © Koalition für nukleare Abrüstung und Frieden (CNDP)

Protest gegen die geplante indisch-japanische Nuklearkooperation
Bild: © Koalition für nukleare Abrüstung und Frieden (CNDP)

Neu Delhi, 3. Februar (IPS) - Indien will die Produktion von Kernenergie zur zivilen Nutzung massiv ausbauen. Dabei setzt die Regierung auf die Unterstützung Japans, das noch immer mit den Folgen der Nuklearkatastrophe im März 2011 zu kämpfen hat. Doch das geplante Abkommen stößt auf dem Subkontinent auf Widerstand. Befürchtet wird ein "indisches Fukushima".

Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe hatte Indien Ende Januar besucht, um als Ehrengast an den Feierlichkeiten zum 64. Gründungstag der Republik Indien teilzunehmen. Kurz vor seinem Rückflug erklärte er, dass die Gespräche über das atomare Abkommen in Kürze fortgesetzt würden. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz fügte sein indischer Amtskollege Manmohan Singh hinzu, dass "Verhandlungen zugunsten eines Kooperationsabkommens zur friedlichen Nutzung von Kernenergie in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen haben".

"Es hat den Anschein, als würden beide Länder nur darauf warten, dass sich die Aufregung über die Folgen der Katastrophe von Fukushima legt", meinte dazu der Anti-Atomkraft-Aktivist Anil Choudhury. Seine Koalition für nukleare Abrüstung und Frieden (CNDP) hatte während des dreitägigen Besuchs Abes eine Plakatkampagne und eine Demonstration organisiert.

"Die CNDP wird sich gegen jedes indisch-japanische Atomabkommen stellen", betonte Choudhury und wies auf die Rückendeckung japanischer Atomkraftgegner in. So war es in Tokio zu einer ähnlichen Plakatkampagne gekommen. Yukiko Kameya, eine Vertriebene der Atomkatastrophe von Fukushima, schrieb Protestbriefe an beide Regierungschefs.

"Bitte verkaufen Sie uns kein potenzielles Fukushima", forderte seinerseits der bekannte CNDP-Aktivist Laxminarayan Ramdas in einem offenen Schreiben an Abe. Darin erinnerte der ehemalige indische Marine-Admiral auch an die Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki Ende des Zweiten Weltkriegs.


Seit Jahren Proteste gegen Kernkraftwerk Kudankulam

Während Abes Besuch in Indien war es an den Standorten großer oder im Bau befindlicher Nuklearparks zu Protesten gekommen. Die Volksbewegung gegen Nuklearenergie (PMANE) protestiert seit September 2011 gegen das im Oktober 2013 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Kudankulam im Bundesstaat Tamil Nadu. Wie der PMANE-Chef S. P. Udayakumar erklärte, ist der mit russischer Technologie gebaute Meiler nicht sicher. Er sei eine Gefahr für das empfindliche Ökosystem der Palk-Meerenge. "Ein Unfall wie in Fukushima wäre in dieser Riesenanlage, in der bis zu 9.200 Megawatt Strom erzeugt werden, eine wirkliche Katastrophe", warnte er.

Bei dem Tsunami in Asien im Dezember 2004 waren existierende Atomeinrichtungen in Kudankulam überschwemmt worden. Im März 2006 und im August 2011 wurden in der Region zudem Erdstöße gemessen. Doch die Regierung beharre darauf, dass Kudankulam sicher sei, monierte Udayakumar.

Verbände von Bauern und Fischern, die in der Nähe riesiger Atomanlagen wie etwa in Jaitapur im Bundesstaat Maharashtra, in Mithi Virdi in Gujarat oder in Fatehabad in Haryana leben, fürchteten ebenfalls um die Sicherheit der lokalen Bevölkerung. Beunruhigend sei in diesem Zusammenhang auch, dass es in Indien bislang keine verbindlichen Regelungen zur Kontrolle der nuklearen Strahlungen gebe, erläuterte Choudhury. "Der Mangel an Transparenz und Überprüfbarkeit, der das Ausmaß des Unglücks in Fukushima verschlimmert hat, ist in Indien ein noch größeres Problem."

Seit 2011 berät das Parlament über ein Gesetz über Nuklearsicherheit, das der Regulierungsstelle nach Ansicht von Oppositionsabgeordneten und Aktivisten keine wirkliche Autonomie geben würde. Dabei will Indien die Kapazitäten der Kernkraftwerke bis zum Jahr 2020 auf 20.000 MW und bis 2032 auf 63.000 MW steigern.

"Das Ausmaß der Proteste in Kudankulam, Jaitapur und anderen Standorten von Atomanlagen war so groß, dass die Regierung mindestens dafür sorgen müsste, dass eine unabhängige Regulierungsbehörde die Interessen der Öffentlichkeit wahrnimmt", sagte Anup Kumar Saha, ein Abgeordneter der Kommunistischen Partei Indiens.


Keine unabhängige Kontrolle vorgesehen

Ein Großteil der Kritik richtet sich gegen die Tatsache, dass die Regulierungsbehörde ausgerechnet von den Organisationen finanziert wird, die von ihr kontrolliert werden sollen. Damit ist eine unabhängige Arbeit der Behörde nicht gewährleistet. Über alle Fragen zur Atomenergie entscheidet zudem der Ministerpräsident und nicht das Parlament.

Der Physiker M. V. Ramana, Dozent an der Princeton Universität in den USA stellt den Deal zwischen Indien und Japan mit dem historischen Atomabkommen zwischen Indien und den USA in einen Zusammenhang, das im Oktober 2006 unterzeichnet wurde. "Die Singh-Regierung hat versprochen, die teuren Reaktoren bei Unternehmen wie Westinghouse, General Electric und Areva einzukaufen, die entscheidende japanische Bauteile enthalten. Die traurige Ironie des Ganzen besteht darin, dass das Abkommen von gewählten politischen Entscheidungsträgern gegen den Willen ihrer Bürger ausgehandelt wird." (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/protesters-resist-indian-fukushima/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2014