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ARTENRAUB/073: Indonesien - Palmölindustrie bedroht die letzten Orang Utans (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2012

Indonesien: Palmölindustrie bedroht die letzten Orang Utans

von Kafil Yamin

Überleben der Orang Utans gefährdet - Bild: © Kafil Yamin/IPS

Überleben der Orang Utans gefährdet
Bild: © Kafil Yamin/IPS

Jakarta, 13. August (IPS) - In Indonesien sind im März vier Männer für den 'Mord' an Orang Utans zu achtmonatigen Haftstrafen verurteilt worden. Das war das erste Mal, dass sich in dem südostasiatischen Land Personen aus dem Umfeld der Palmölindustrie für den Tod der Primaten, den nächsten Verwandten des Menschen, verantworten mussten.

Das von dem Gericht am 18. März im Distrikt Kutai Kertanegara in Ostkalimantan gegen Imam Muktarom, Mujianto, Widiantoro und den Malaysier Phuah Cuan Pun verhängte Urteil stellte die Umweltschützer jedoch bei weitem nicht zufrieden. "Wie erwartet sind die Strafen milde ausgefallen. Sie lagen unter denen, die der Staatsanwalt gefordert hatte", kritisiert Fian Khairunnissa vom Zentrum für den Schutz von Orang Utans. "Ein solches Strafmaß wird die Lage der Orang Utans kaum verbessern."

Indonesische Gerichte blicken in der Regel weg, wenn die Menschenaffen durch die Aktivitäten der Palmölindustrie dezimiert werden. Die Unternehmen zerstören für ihre Plantagen riesige Flächen Regenwald und damit gleichzeitig den Lebensraum der Großaffen.

Im April hatte ein Gericht in Banda Aceh auf Sumatra die Klage des Indonesischen Umweltforums (WALHI) gegen die Firma 'PT Kallista Alam' und den ehemaligen Gouverneur von Aceh, Irwandi Yusuf, wegen der Umwandlung von 1.600 Hektar Torfwald in Palmölplantagen abgewiesen.

Darüber wurde WALHI mit der Begründung verwarnt, sich um keine außergerichtliche Einigung mit Kallista, einem von fünf in Tripa operierenden Palmölunternehmen, bemüht zu haben. Seit August 2011 ist die Firma emsig dabei, das zugewiesene 1.600 Hektar große Regenwalgebiet für den Anbau von Ölpalmen vorzubereiten. Merkwürdiger Weise waren im Vorfeld der gerichtlichen Anhörung zahlreiche Feuer in den Torfmooren ausgebrochen, für die Kallista Konzessionen besitzt.


Ungesetzliche Konzessionsvergabe

Gemeindeführer in Tripa haben darauf hingewiesen, dass die Konzessionen einem Präsidialmoratorium für die Ausstellung neuer Genehmigungen zur Erschließung von Primärwäldern zuwiderlaufen, das seit dem letzten Jahr als Teil eines Eine-Milliarde-Dollar-Geschäfts mit Norwegen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in Kraft sei.

"Es ist ein Verbrechen am Leuser-Ökosystem und den Torfwäldern, dass man Kallista die Lizenz ausgestellt hat", sagt Kamarudin, ein Sprecher der Gemeinde Tripa. Das Leuser-Ökosystem in den Provinzen Aceh und Nordsumatra umfasst mehr als 2,6 Millionen Hektar tropischen Regenwaldes. Es ist der letzte Ort auf Erden, wo Sumatra-Tierarten wie Elefanten, Nashörner, Tiger und Orang Utans zusammenleben können. Orang Utans sind unverzichtbar für das Wohlergehen anderer Tier- und Pflanzenarten, die in einem gemeinsamen Habitat koexistieren.

Wie aus einer Mitteilung hervorgeht, die das Sumatra-Orang-Utan-Schutzprogramm im Juni herausgegeben hat, gibt es nur noch 200 der rothaarigen Großaffen in Tripa. 1990 waren es noch 2.000 gewesen. Durch die Brände und Aktivitäten der Palmölunternehmen seien die Tiere nun in einer noch schwierigeren Lage.

In den letzten fünf Jahren hat sich die Palmölindustrie in Indonesien mit Investitionen in Höhe von acht Milliarden US-Dollar zu einer wichtigen wirtschaftlichen Kraft entwickelt. Die Unternehmen bewirtschaften bereits eine Fläche von rund acht Millionen Hektar.

Nach den Vorstellungen der Regierung soll die Rohpalmölproduktion von derzeit 23,2 Millionen Tonnen in diesem Jahr auf 28,4 Millionen Tonnen 2014 zulegen. Dieses Ziel wird eine Ausweitung der Plantagen um 18,7 Prozent erforderlich machen, schätzt das indonesische Landwirtschaftsministerium. Den Preis dieser Expansion zahlen die Orang Utans. So wird sich ihr Lebensraum um weitere 1,5 Millionen Hektar verkleinern.


Wälder werden abgefackelt, die Orang Utans vertrieben

Die Palmölunternehmen entscheiden sich häufig dazu, die Wälder abzubrennen und die Orang Utans zu vertreiben oder zu töten. "Wenn man auf den Plantagen auf Orang Utans stößt, dann haben sie sich nicht etwa dorthin verirrt. Das war einst ihr Zuhause", sagt Linda Yuliani, Wissenschaftlerin am indonesischen Zentrum für internationale Waldforschung. "Doch das Unternehmen betrachtet die Orang Utans als die Eindringlinge." Häufig könne man verwirrte Orang Utans dabei beobachten, wie sie sich nach dem Verlust ihrer Wälder auf den Plantagen von jungen Ölpalmen ernährten.

Eine gemeinsame Untersuchung von 19 Organisationen einschließlich dem WWF und der Vereinigung der Primatenexperten fand heraus, dass zwischen 2008 und 2009 750 Orang Utans aufgrund von Konflikten mit den Menschen ums Leben kamen.

Es spielt offenbar keine Rolle, dass Indonesien zu den Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) gehört, das die Menschenaffen auf Anhang I der vom Aussterben bedrohten Arten führt.

"Durch die Zerstörung von Torfland werden auch riesige Mengen an CO2 freigesetzt. Der Ausstoß ist in etwa vergleichbar mit den Emissionen, die bei einem Vulkanausbruch austreten", erläutert Willie Smits, ein niederländischer Umweltschützer, der sich den Schutz der Orang Utans einsetzt. Die sorglose Zerstörung der Torfwälder hat Indonesien zum größten CO2-Emittenten nach USA und China gemacht.

"Die Regierung mag zwar von dem Palmölgeschäft profitieren, doch sind die Verluste infolge der Umweltzerstörung viel größer", warnt Elfian Effendi, Direktor von 'Greenomics' Indonesia', einem Institut, das sich für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten stark macht. "Der Verlust der Artenvielfalt wird sich auf vielerlei Weise negativ auf unsere Wirtschaft auswirken."

Dennoch gibt es selbst unter Umweltschützern Stimmen, die ein Aus für die Ölpalmindustrie, die etwa die Fast Food-, Kosmetik-, und Biodiesel-Industrie am Leben erhält, als unpraktikabel ablehnen. "Wir brauchen die Umsetzung von Maßnahmen, die die Palmölindustrie und die Orang Utans zur Koexistenz befähigen", meint Resit Rozer, ein niederländischer Umweltschützer, der ein Schutzgebiet für befreite Orang Utans betreibt.


Zertifiziertes Palmöl lässt auf sich warten

Palmölunternehmen, die dem Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) angehören, halten wenig von einer Regelung, die von ihnen verlangt, einen Teil des Waldes für die Oran Utans stehen zu lassen und Korridore zu schaffen, die diese Inseln inmitten der Plantagen verbinden. RSPO ist eine Übereinkunft, die Importeure zum Kauf von RSPO-zertifiziertem Rohpalmöl bewegen soll

"US-amerikanische und etliche europäische Länder kaufen noch immer kein zertifiziertes Rohpalmöl, weil der RSPO für die Beschaffung nicht garantieren kann", berichtet Rozer, der Palmölunternehmen hilft, Rückzugsräume und Verbindungskorridore für Orang Utans einzurichten. "Der Westen hat uns nahegelegt, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften. Er kauft uns aber kein zertifiziertes Rohpalmöl ab, weil die Umsetzung auf 2015 verschoben wurde." Unternehmen, die in die RSPO-Zertifizierung investiert hätten, fühlten sich verschaukelt. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.orangutanprotection.com/indexina.php?lang=eng&menu=show_weblog_index1.php
http://www.walhi.or.id/
http://www.sumatranorangutan.org/content-n31-sD.html
http://www.cifor.org/
http://www.greenomics.org/main.htm
http://www.ipsnews.net/2012/08/its-either-orangutans-or-cheap-palm-oil/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2012