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ARTENRAUB/033: Wildern bis zur Ausrottung (WWF Magazin)


WWF Magazin, Ausgabe 4/2011
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

AKTIV
Wildern bis zur Ausrottung

von Volker Homes, WWF


Seit einigen Jahren flammt eine Gefahr wieder auf, die eigentlich schon gebannt zu sein schien. Besonders in Asien und Afrika mehren sich die Meldungen, dass die Wilderei auf große und charismatische Tierarten außer Kontrolle geraten ist.


Betroffen sind große Katzenarten, vor allem Tiger in Asien, aber auch Elefanten, Menschenaffen und Nashörner in Asien und Afrika sowie darüber hinaus eine Vielzahl weiterer, weit weniger bekannter Tierspezies. In einigen Fällen stehen Arten oder Unterarten unmittelbar vor der Ausrottung.


Beispiel Orang-Utans: Leichte Opfer

In Indonesien gibt es noch immer einen illegalen Markt für Orang-Utans. In Teilen der Oberschicht sind sie populäre Haustiere, obwohl Menschenaffen in der Wildnis durch die nationale Gesetzgebung eigentlich geschützt sind. Orang-Utans zu jagen, zu handeln und zu halten ist demnach streng verboten. Die Nichteinhaltung der Gesetze wird allerdings kaum strafrechtlich verfolgt. Orang-Utans haben außerdem eine nicht unbedeutende Rolle als Fleischlieferant in weiten Teilen ihres natürlichen Verbreitungsgebietes. Das Fleisch von Orang-Utans wird zum Beispiel in Kalimantan und Sabah auf Borneo gegessen. Wegen ihrer Größe und ihrer langsamen Art sich fortzubewegen sind die Tiere leichte Beute für Holzfäller, Plantagen- oder Minenarbeiter.


NUR NOCH 3200
Die Zahl der wilden Tiger in Asien ist so niedrig wie niemals zuvor. Und die Wilderer intensivieren ihr tödliches Gewerbe.



Beispiel Tiger: Jagd um jeden Preis

Eine aktuelle Analyse ihrer Lebensräume ergab, dass derzeit in Asien durchaus bis zu 10.000 Tiger Platz hätten. Tatsächlich aber leben dort nach Expertenschätzung nur noch etwa 3200 Tiere in der Wildnis. Hauptursache ist neben dem Lebensraumverlust die Wilderei, der immer mehr Tiger zum Opfer fallen. Sie werden mit Schusswaffen niedergestreckt, mit Schlingen gefangen oder durch Köder vergiftet.

Im Sariska-Nationalpark in Indien beispielsweise wurden bis zum Jahr 2008 große Landstriche innerhalb weniger Jahre "tigerleer" geschossen, obwohl der Lebensraum für die Großkatze immer noch bestens geeignet ist. Über aufwändige "Bestandsstützungsmaßnahmen" versucht der indische Staat seitdem, die Tiger zurück nach Sariska und in ihre anderen ursprünglichen Lebensräume zu bringen. Zugleich muss dort die Jagd auf die Großkatze und ihre Beutetiere deutlich verringert und unter Kontrolle gebracht werden.

Meist stecken hinter der Wilderei organisierte Banden, die im Auftrag wildern. Die Aufträge bekommen sie häufig aus den Abnehmerländern Ostasiens wie China, Vietnam oder Malaysia, wo Wilderei und Handel mit Tigerprodukten ebenfalls streng verboten sind. Trotzdem werden weiter Tigerprodukte nachgefragt, vor allem Tigerknochen, deren Heilkraft bis heute nicht nachgewiesen ist. Reich werden die Wilderer selbst übrigens nicht. Große Gewinne machen nur die Hintermänner, die den Schmuggel organisieren. Doch man kann Wilderei wirkungsvoll bekämpfen. Durch den Einsatz ausgebildeter Anti-Wilderer-Einheiten sowie Schutzgebiets-Ranger etwa, die Wilderer festnehmen oder zumindest abschrecken können. Kein harmloser Job: In Schusswechseln kommen jedes Jahr einige Wildhüter ums Leben. Auch weil sie häufig schlecht ausgebildet und ausgerüstet sind. Deshalb investiert der WWF erheblich in Ausbildung und Ausrüstung von Anti-Wilderer-Einheiten. Mit Erfolg: Am Amur, im Mekong-Gebiet und in Sumatra gäbe es ohne diese Schutztruppen viel weniger oder gar keine Tiger und andere charismatische Arten mehr. Der zweite große Hebel gegen Wilderei ist die Justiz. In Indien sitzen derzeit einige der gefährlichsten Wilderer im Gefängnis, die auch für die verheerende Wilderei im Sariska-Nationalpark verantwortlich sind. Dank der Zuarbeit von TRAFFIC, dem WWF-Programm zur Überwachung des Artenhandels, konnte vor kurzem Anson Wong, einer der größten Tierhändler Malaysias, festgenommen und bestraft werden - echte Fortschritte in der Gerichtsbarkeit Süd- und Südostasiens, die Wilderern ansonsten häufig mit erschreckender Milde begegnet.


2000 EURO FÜR 100 GRAMM NASENHORN

LEICHTE BEUTE
Menschenaffen werden wegen ihres Fleischs getötet oder als Haustiere gehalten.

333 IN 2010
So viele Nashörner wurden vergangenes Jahr allein in Südafrika abgeschlachtet.



Beispiel Nashörner: Killer per Hubschrauber

Auch die Wilderei auf Spitz- und Breitmaulnashörner im südlichen Afrika nimmt zu, speziell in der Republik Südafrika. Die Bestände gerade der Breitmaulnashörner hatten sich von wenigen Tieren Anfang des vergangenen Jahrhunderts bis auf über 18.700 Tiere erholt und bilden heute den größten Nashornbestand der Welt. Von den Spitzmaulnashörnern gibt es dort noch mehr als 1900 Tiere. Doch die Wilderei flammte vor vier Jahren wieder auf und erreichte im Jahr 2010 mit 333 bekannt gewordenen toten Nashörnern beider Arten einen Höchststand in der Republik Südafrika. Der wird dieses Jahr vermutlich sogar noch übertroffen: Allein im ersten Halbjahr 2011 wurden dort bereits mehr als 200 gewilderte Nashörner gemeldet. Zwar sind die Ranger in den Schutzgebieten der Republik Südafrika gut ausgebildet und ausgerüstet, doch die Wilderer kontern mit organisierter Kriminalität und High-Tech. Sie landen mit Hubschraubern in den Nationalparks, wo sie mit Schnellfeuergewehren ihr blutiges Handwerk verrichten. Anschließend sägen sie den toten Tieren mit Motorsägen die Hörner ab und lassen die Kadaver zurück. Der immense Aufwand lohnt sich vor allem für die Hintermänner der Nashornkiller. Für hundert Gramm Nasenhorn werden in Vietnam Preise von bis zu 2000 Euro bezahlt. Von dort und anderen Ländern Südostasiens wie China scheint derzeit die Hauptnachfrage zu kommen. Der mögliche Grund: Vor ein paar Jahren erzählte angeblich ein hoher Regierungsbeamter Vietnams, Pulver des Rhinohorns hätte seinen Krebs geheilt. Dieses Märchen und der Glaube daran halten sich hartnäckig. Der Markt für Nasenhörner boomt weltweit und heizt die Wilderei an. Auch ein aufstrebender reicher Mittelstand der Länder Ostasiens sorgt für wachsende Nachfrage. Selbst Angehörige der Botschaft Vietnams wurden 2008 in Südafrika ertappt, als sie einige Hörner außer Landes schmuggeln wollten. Allein in Südafrika wurden im vergangenen Jahr mehr als 130 mutmaßliche Täter verhaftet. Die südafrikanische Regierung greift inzwischen mit fachlicher Unterstützung des WWF zunehmend härter durch. Die Gefahr ist nun jedoch, dass sich die Wilderei in die Nachbarländer verlagert. Welche Folgen der dramatische Rückgang großer Säugetiere wie Nashörner für die Lebensräume hat, ist wenig erforscht. Spitzmaulnashörner gelten als Garant für eine intakte Savannenlandschaft, die ohne sie schneller verbuschen und sich im Artenvorkommen ändern würde.


Mehr Einsatz an vielen Fronten

Um die betroffenen Großsäuger vor der Ausrottung zu bewahren, hat der WWF seinen Einsatz verstärkt:

• Die Umweltstiftung unterstützt den weiteren Ausbau der Anti-Wilderer-Einheiten in Asien und Afrika;

• fördert ein intensiveres Training und den Einsatz verbesserter Methoden, um Wilderer festzunehmen und abzuschrecken. Beispielsweise werden Eintrittspunkte in Parks verstärkt kontrolliert und Patrouillen dazu mit GPS-endern ausgestattet;

• sorgt dafür, dass vermehrt Artenschutzhunde, die auf das Aufspüren von Tiger- oder Leopardenprodukten geschult sind, auf mutmaßlichen Schmugglerpfaden in indischen Nationalparks wie dem Corbet oder an der Grenze zwischen Russland und China eingesetzt werden und

• erhöht durch mehr Aufklärungsarbeit ihren Einsatz für eine Medizin ohne Nashornpulver und Tigerprodukte, damit die Nachfrage in Asien endlich schrumpft.


dunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Tödliches Geschäft: Alle Arten von Menschenaffen werden nach wie vor gefangen, getötet und gegegessen.

Verbrechern auf der Spur: Wildhüter riskieren mitunter ihr Leben, um dem Massaker an charismatischen Großtierarten Einhalt zu gebieten. Nashörner beispielsweise werden wegen ihres wertvollen Horns geschossen, ihre Kadaver bleiben den Hyänen überlassen.


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Quelle:
WWF Magazin 4/2011, Seite 20-22
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2011